Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Sainte-Baume bei Lirac


Lirac, ein richtiges Bilderbuchdörfchen im Übergangsbereich der Provence in die Garrigues gelegen, lebt vom Weinbau. Tavel, wo der beste französische Rosé herkommen soll, ist das Nachbardorf und kann zu Fuß erreicht werden.

Fährt man auf einem immer schlechter werdenderen Sträßlein westwärts, dann kommt man in ein Tal, das am Grund bedeckt ist von Rebstöcken und an den Hängen von Wäldchen. Dann geht auch einmal nichts mehr weiter, die Straße ist zu Ende, ein großes Holzkreuz steht da, nur noch zu Fuß geht es weiter auf einem alten, wohl gepflegten breiten Pfad. Auf einmal sind links ein paar bauliche Strukturen erkennbar, ein Haus lehnt sich an die Felswand an, oberhalb ist eine Höhlenöffnung abgemauert, ein kleiner Glockenturm ist da. Eine Tür verwehrt meistens den Zugang zur verschlossenen Höhlenkirche. Sie hat eine lange Geschichte.
Bekannt war die Höhle wohl schon immer und wurde, wie die anderen Höhlen in der Umgebung, schon in neolithischer Zeit genutzt. Außerdem ist überliefert, daß sich die Bevölkerung immer schon dorthin zurückgezogen hat, wenn kriegerische Zeiten zwangen, sich irgendwo zu verstecken.
Ein entscheidendes Datum war der 16. Mai 1647. An einem Donnerstag sei der Bürger von Lirac, Joseph Queyranne, und vier seiner Begleiter, die gerade mit dem Bau eines Backofens beschäftigt gewesen seien, vor einem Gewitter in die Höhle geflüchtet. Während die anderen während des Aufenthalts in der Höhle schliefen, hatte Joseph das Gefühl, gleich einen epileptischen Anfall zubekommen. Im Lichte eines plötzlichen Blitzes sah er in einer Felsspalte eine Marienstatue, die ihr Kind in den Händen hielt. Der Mann nahm sie an sich, versteckte sie in seinem Sack und nahm sie mit zurück ins Dorf.
Irgendwie bekam der Erzbischof von Avignon davon Nachricht, ordnete den Bau einer Kapelle in der Höhle an und gab der Kirche den Namen: Notre-Dame de Consolation. Was Joseph geholfen hatte, das konnte doch vielleicht auch anderen Kranken helfen, jedenfalls verbreitete sich die Kunde von der heilkräftigen Wirken schnell in der Umgebung. Es kam zu neuen Heilungen und Joseph legte das Gelübde ab, von nun an als Eremit in der Höhle zu leben. Die Einsamkeit hielt nur einige Zeit aus und kehrte wieder ins Dorf zurück. 3 Jahre später war er tot, gestorben an der Krankheit, die danach wieder ausgebrochen war.

Um für das gebrochene Gelübde zu büßen gibt es seither dreimal im Jahr religiöse Feiern in der Höhlenkirche. Ihr derzeitiger Zustand geht auf Umbauarbeiten im 17. Jahrhundert zurück.

Seit 1976 existiert die Vereinigung "Les Amis de la Sainte-Baume de Lirac", die sich die Pflege des Höhlenheiligtums zum Ziel gesetzt hat. Wer unter dem Jahr die Örtlichkeit besuchen möchte, der muß sich an das Bürgermeisteramt wenden. Telefon: 0466504088 oder 0466504770.

Als wir im März 2002 mal dort waren, war die Kirche abgeschlossen, was wir natürlich erst vor Ort bemerkten. Wir suchten die Umgebung genauests ab, ob nicht dort irgendeine Nebenspalte doch hineinführen würde, aber alles ist sorgfältigst abgegittert und verschlossen. Es lohnt sich dem Weg an der Kirche vorbei nach oben zu folgen. Dort kommt man zu den verschlossenen oberen Öffnungen der Höhle. Man kann auch in einen Felskessel mit Naturbrücke absteigen, der dann mit einer Eisentüre verschlossen ist. Auf der Mairie hatten wir auch keinen schnellen Erfolg, so daß wir mal wiederkommen müssen.


Literatur:

Gauchon, Christophe Des cavernes & des hommes, KARSTOLOGIA memoires n°7-1997, Chambery 1997

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