Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Venushöhle im Hörselberg, Thüringen, D
Der Hörselberg, 2022
Du gehst durch das Schloß Neuschwanstein und siehst im Raum nach der Grotte das folgende Bild an der Wand:
Was glaubst Du, ist da zu sehen?
Und was hat dieses Bild mit dem folgendem Photo zu tun?
Der Eingang
In der Venushöhle
Die Spur führt nach Thüringen zum Hörselberg in der Nähe von Eisenach. In ihm liegt die "Venushöhle", deren Eingang wir oben sehen. Besucht man sie, dann kann man nur staunen, welche kulturhistorische Bedeutung so eine im Grunde unbedeutende Höhle annehmen kann.
Burghoff beschreibt etwa die Höhle als eine "viereckige Felsspalte" von einem Meter Höhe und etwa einem halben Meter Breite, die kriechend passiert werden muß und die in eine übermannshohe Höhle führt, die 16, wohl auch 18 Personen Platz bieten könne. Das Loch sei fürchterlich ungastlich wegen seines glitschig-abschüssigen Inneren und der Myriaden von Mücken, die sich ausgerechnet da versammelt haben.
Der erste Höhlenplan des "Hörsellochs" von 1875, gezeichnet von Alexander Ziegler aus Ruhla
Wie so oft im Leben kann die Wirklichkeit nicht mit den Traumwelten in unserem Innern mithalten. Und die wurden gefüttert von oft schon weit zurückliegenden Geschichten. Im Falle der Venushöhle hier drei Hinweise:
1614 Kornmann: "De monte Veneris": "An der östlichen Seite des Berges strahlten dem Erkorenen, der den Eingang finden konnte, die goldenen Worte von einer azurblauen Marmortafel entgegen: "Hier hält Frau Venus Hof!" Besonders wurden durch ihre Fahrten zu Venus die Ritter Adelbert, Schasenheim und der edle Tannhäuser, die dieses Abenteuer bestanden, berühmt. Es wurde geritten, gerannt, gejagt, geschmaust, gezecht, getanzt, gelebt und geliebt.." "Der sitzt im Venusberg" hieß sprichwörtlich: Der lebt hoch, in allen Lustbarkeiten des Lebens und des Liebens..
1834 Heinrich Heine: Am eigentümlichsten, romantisch wunderbar, klingt im deutschen Volks die Sage von der Göttin Venus, die, als ihre Tempel gebrochen waren, sich in einen geheimen Berg flüchtete, wo sie.. das abenteuerlichste Freudenleben führt. Schon von weitem, wenn du dem Berge nahst, hörst du das vergnügte Lachen und die süßen Zitherklänge, die sich wie eine unsichtbare Kette um dein Herz schlingen und dich hineinziehen in den Berg. In seinem Gedicht "Der Tannhäuser - eine Legende" heißt es: "Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut, wollt Lieb und Lust gewinnen, da zog er in den Venusberg. Blieb sieben Jahren drinnen...."
Weltberühmt wurde die Venushöhle durch die Oper "Tannhäuser" von Richard Wagner. Der ganze erste Akt spielt in diesem "mythischen Bordell des Mittelalters" (Süddeutsche Zeitung 31-Juli 1987). Und die VENUS singt für ihren Geliebten:
"Geliebter, komm! Sieh dort die Grotte,
von ros'gen Düften mild durchwallt!
Entzücken böt' selbst einem Gotte
der süss'sten Freuden Aufenthalt...."
So ein Werk ist nicht folgenlos geblieben. Schon König Ludwig II ließ sich in Linderhof eine künstliche Grotte als Geburtstaggeschenk für sich selbst bauen, in der er sich auf Leinwand gemalte Szenen aus dem Hörselberg vorführen ließ - die Bilder konnten gewechselt werden - ein früher Vorläufer des Kinos!
Der König im Linderhof, im Hintergrund rechts ist eine angedeutete Darstellung des Hörselbergs / von einer alten Postkarte, die noch heute bei den Königschlössern verkauft wird
Moderne Discos, in denen die Singles von heute wieder verbandelt werden sollen, greifen das alte Thema wieder auf. Mit der Überschrift "HERZFLIMMERN IN DER VENUSGROTTE" übertitelte etwa die SZ einen Artikel über die Wasserburger Disko "Universum", die regelmäßig dienstags "Lonely-Hearts-Club-Band"-Abende abhällt.
Und auch im Internet findet sich so allerhand z.B. unter dem Stichwort "Venusberg".
Ein moderne Fortsetzung dieser alten Geschichte ist auch die "Venusgrotte im Hotel Pflaum in Pegnitz/Bayern. Dort haben sich Designer von diesen Vorstellungen anregen lassen, einmal eine Hotelsuite entsprechend zu gestalten und herausgekommen ist das...
Szenen aus dem 1. Akt des Tannhäuser
Elfried Jellinek läßt eine kleine Passage in ihrem Roman "Die Klavierspielerin" in einer Peep-Show in Wien spielen, der in einen Viaduktbogen hineingebaut wurde, "unter sich ganz ausgehöhlt und voller nackter Frauen" (S. 58). "Ein Venusberg im kleinen. Im Miniaturformat. Schon naht Tannhäuser heran und klopft mit seinem Stab dagegen. Aus Ziegeln erbaut, dieser Stadtbahnbogen, und drinnen hat sich schon mancher in eine schöne Frau verschaut."
Auch die modernen Esoteriker haben diese Höhle entdeckt. In dem Buch "Magisch Reisen Deutschland" gibt Luczyn den Ratschlag, "sich in die verschiedenen Höhleneingänge oder Spalten hineinzusetzen und hier längere Zeit, am besten die Abenddämmerung vom Sonnenuntergang bis zur Dunkelheit, zu verbringen. Dies ist die beste Zeit, um einen Zustand des inneren Gleichgewichts zu erlangen und vielleicht sogar die Anwesenheit bestimmter Naturgeister zu erspüren."
Christoph Menke hat eine Interpretation des Stoffes unternommen in seinem Buch "Die Kraft der Kunst". Die ersten Worte, die Tannhäuser singt, sind "Zu viel! Zu viel!" Gemeint sei, daß der Reiz der Venus "übergroß" sei, der "Genuß" ihrer Liebe unerträglich. In den Venusberg zu ziehen, also von der Höhle ganz aufgenommen zu werden, hieße, "den Versuch zu unternehmen, sich ganz der übermächtigen Kraft der Liebe hinzugeben". Der Versuch sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil das Experiment der übermenschlichen Liebe des Venusbergs "nur unter der - tierischen - Bedingung vollständigen, traumlosen Vergessens möglich" sei. (Menke 96).
"Wagner erzählt, wie er schon früher durch die Erzählungen E.T.A. Hoffmanns sowie ein Gedicht Ludwig Tiecks mit dem Tannhäuser-Mythos in Berührung gekommen sei, wie ihn aber erst das Volksbuch mit seiner Verbindung zwischen Tannhäuser und dem Sängerkrieg auf der Wartburg so angesprochen habe, dass ihm schlagartig die Vorstellung von einem für das Genre der Oper geeigneten Stoff vor Augen getreten sei." Münkler 315
Juni 2022 Ein weiterer Ausflug zum Hörselberg...
Ausgewählte Literatur:
Einige Internetlinks:
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