Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Bismarckhöhle - sollen sie weiter so heißen?


"Bismarck hat uns groß und mächtig gemacht, aber er raubte uns unserer Freunde, die Sympathien der Welt und - unser gutes Gewissen." Friedrich Wilhelm, der preußische Kronprinz, 1870 in seinem Tagebuch


"Bringt Wetter dich
In Not,
So kehre bei mir ein.
Männiglich
Arm wie
Reich.
Christ wie Heid,
Künftig soll geschützet sein."

So steht das auf der Gedenktafel am Eingang einer kleinen Höhle bei Forst an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz. Zum 70. Geburtstage im Jahre 1885 hat man sie dort angebracht. Sie trägt die Katasternummer 6515/01 Bad Dürkheim. "Den Namen "Höhle" hätte sie nicht verdient, sie ist eher "eine kleine Nische" von 3 m Länge, einer Eingangsbreite von 3,1 m und einer Eingangshöhe von 2,0 m. Der Umgebungsgestein ist kalkhaltiger Sandstein mit Vermitterungsspuren. Damals schrieben die Verfasser ins Katasterblatt: "Die Herkunft des Namens ist uns nicht bekannt."


Das ist nur eine von mehreren Höhlen, die nach dem einstmaligen Reichskanzler benannt worden sind. Ist das noch zeitgemäß? War Bismarck tatsächlich eine Person, dessen Wirken wirklich "verdient", daß man Höhlen danach benennt? Ist es noch politically correct, daß eine Höhle nach einer Person benannt ist, die von den nachfolgenden Generationen massiv abgelehnt wird? Wer würde heute noch eine "Hermann-Göring-Höhle" hinnehmen oder gar einen "Adolf-Hitler-Grotte"? 

Das Thema ist in vielen Städten auch in Deutschland lebendig. Ist eine "Werner-von-Braun-Straße" noch hinzunehmen? Eine "Professor-Eichmann-Straße" muß mit einem Zusatzschild zu versehen, daß man hier nicht den "Adolf Eichmann" geeehrt hat, sondern einen "Universitätsprofessor für Kirchenrecht in München. Ab 1927 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften". Immerhin hat man eine nach Hans Brand, einer ehemaligen SS-Größe, in Pottenstein benannten Straße in den 80er Jahren einen neuen Namen gegeben (Mattes 113).

Wie ist "Bismarck" heute zu sehen? Das Thema kocht gerade hoch, weil sich gerade ein "Jubiläum" anbahnt: die Gründung des "Zweiten Deutschen Reiches". Am 18. Januar 1871 wurde im Schloß von Versailles der preußische König Wilhelm I zum Deutschen Kaiser proklamiert und damit, so die damalige Lesart, es begründet. Um Paris wurde noch gekämpft und der Krieg zwischen Preußen und den mehr oder weniger nur durch Druck angeschlossen wordenen Gebieten südlich von Preußen, der 1870 begonnen worden war, war noch nicht zu Ende. Aber man wollte Tatsachen schaffen. Der Mann, der die Zügel hielt, war Bismarck.

Was ist da so alles passiert durch und mit "Preußen" unter Bismarcks Einwirkung?

- 16. Januar 1864 Einmarsch preußisch-österreichischer Truppen in Dänemark / Schleswig

- 15. Juni 1866 Einfall preußischer Truppen in Sachsen / 21. Juni Einmarsch in Böhmen

- 3. Juli 1866 Schlacht bei Königgrätz gegen die Österreicher (die Bayern waren mit den Österreichern verbündet und verloren damit auch)

- 1866 Annexion von Hannover, Hessen und Nassau, der Freien Reichsstadt Frankfurt und von Schleswig-Holstein

Auf diesem Hintergrunde wird auch verständlich, was wir in einem Zeitdokument aus dem Jahre 1868 lesen. Es stammt von Joh. Engelhardt, dem Pfarrer von Königsfeld in der nordwestlichen Fränkischen Schweiz. Er untersuchte die kleinen Höhlen und Höhlchen im Aufseß- und Wiesenttal und veröffentlichte eine Arbeit über "Urwohnungen und Funde aus der Steinzeit". Beim sog. "Preussenloch'", in das sich schon 1757, "zur Zeit des preussichen Einfalls" die Bewohner von Treunitz geflüchtet hatten (eine weitere mit diesem Namen gibt es bei Freienfels), schreibt er folgendes nieder: "Vor dieser Urwohnung, dem Preussenloche, spreche ich es aus, dass der sogenannte Beruf Preussens, resp. dessen Machtgier nicht wenige Schuld an dem allgemeinen Weltbrande und dessen Folgen hat."  Hier schreibt ein Zeitzeuge, wie er den Moment sieht - und seine Meinung ist nicht schmeichelhaft für "Preussen" und für "Bismarck"!

Und die Kriege gingen ja noch weiter....

1870/71 Einmarsch in Frankreich

1871 Annexion von Elsaß-Lothringen

Langsamer Beginn als Kolonialmacht...1880 Samoa .... 1884 Deutsch-Südwestafrika (Namibia)... Togo, Kamerun, Westteil Neuguineas (Bismarck-Archipel)..... 

Hier wurden die Grundlagen mitgelegt, die im 20. Jahrhundert die Welt verwüstet haben. Für Frieden wurde da nicht gesorgt, eher der Grundstein für zwei Weltkriege gelegt.


Zwei weitere Höhlen sind mir bekannt, die den Zusatz "Bismarck" tragen:

2) Beim Bau der Bahnlinie Hagen-Altenvoerde wurde in den westlichen Ausläufern des Sauerlandes 1881 eine bis dahin unbekannt gewesene Höhle in der Umgebung der altbekannten Kluterthöhle angeschnitten. Im 2. Weltkrieg wurde sie zu einen Luftschutzkeller ausgebaut und diente der Bevölkerung als Schutzraum. Nach dem Krieg wurde vorübergehend in den Räumen eine Champignonzucht betrieben. (Bender, Kliebhan 121f.)

3) 3 1/2 km südöstlich der Maximiliansgrotte in der Fränkischen Alb liegt in der Nähe des Forsthauses Rinnenbrunn eine "tiefe Felsspalte" (Neischl 1904), die der Bevölkerung immer schon bekannt gewesen war. 1888 machte sie der damalige königliche Forstmeister Reichel durch mehrere Treppen "für den Besuch bequem gangbar", wobei man auch zu Sprengstoff griff, um den Zugang zu erleichtern. Reichel war es auch, der der Höhle einen neuen Namen verpaßte, Neischl hatte noch "Montmilchhöhle" dazu gesagt, Außerdem waren noch "Luitpoldshöhle" (Bernatz 1893) und "König-Ludwig-Höhle" (Zangler 1911) im Umlauf, haben sich aber nicht durchgesetzt. 
Die Höhle ist mit ihren über 1100 m Gesamtganglänge eine der bedeutendsten der fränkischen Alb.


Ich glaube, man kann die Höhlen weiterhin mit dem Zusatz "Bismarck" versehen lassen. Er ist einfach ein Teil der Geschichte Europas und die hatte ihre Höhen und Tiefen. Als Vorbild muß sich ihn niemand nehmen.

- "..Bismarck hatte die Korruption in Deutschland seit Jahren in beispielloser Weise gefördert.." (Willms 248)

- " ..das Beispiel für eine Politik, bei der Macht allemal vor Recht und Rücksicht ging" (Willms 256)

- "..Exempel für eine Vergötzung des Erfolgs ohne Rechnung der Kosten und Folgen" (Willms 257)"

- "Maßlos in seiner egomansichen Machtgier, in seiner Skrupellosigkeit, in seinem Erwerbsstreben und maßlos in seiner Völlerei" (Willms 257)

- "Er bot uns jungen Deutschen als Lebenszweck ein politisches Rentnerdasein, die Verteidigung und den Genuß des Erworbenen; unser Schaffensdrang ging leer aus... Er war,, wie schmerzlich in die Augen sprang, kein Anfang, sondern ein Ende, ein grandioser Schlußakkord - ein Erfüller, kein Verkünder!" (Graf Kessler, 1891, nach einem Besuch bei Bismarck in Kissingen, zitiert nach Engelberg 842)

- "..vollstreckte 1864 bis 1871 durch seine Revolution von oben nicht allein das nationalstaatliche Testament der deutschen Revolution von 1848/49, sondern bewegte sich auch im Strom der allgemeinen Geschichte seiner Zeit" Engelberg 846

- "Die Republik aber hat womöglich einige drängendere Sorgen als jene, dass ein Ministeriumszimmer nich tmehr nach einem Mann heißt, der die Republik aus tiefstem Herzen ablehnte. Neudeutsch gesprochen: Er ist nicht unser Kanzler." Käppner, Vergiss es 9


Literatur:

Albig, Jörg-Uwe (2022): Das Gespenst vom Sachsenwald, P.M. History 2-2022, S. 56ff.

Bender, Harmut, Kliebhan, Bernhard ( ): Zur Geschichte und Erforschung der Höhlen in Ennepetal, Sonderdruck

Bendikowski, Tillmann (2020): Der Mythos von der deutschen Einheit, Bertelsmann Verlag, München

Bloys, Leon (1893/2011): Blutschweiß, Matthes und Seitz, Berlin

Bohrer, Karl Heinz (2020): Kein Wille zur Macht, Hanser-Verlag, München 2020

Burghardt, Peter (2020): Sturzgefährdert, SZ Nr. 182, 8./9. August 2020, 45

Engelhardt, Joh. (1868): Urwohnungen und Funde aus der Steinzeit, Bericht der naturforschenden Gesellschaft Bamberg – 8: 55 - 91 https://www.zobodat.at/pdf/Bericht-Naturforsch-Ges-Bamberg_8_0055-0091.pdf

Epkenhaus, Michael (2020): Die Reichsgründung 1870/71, Beck, München 

Fontane, Theodor (1866-1876): 6 Kriegsbücher, Nymphenburger Verlagshandlung, München 1971

Käppner, Joachim (2023): Vergiss es, Annalene Baerbock hat das Bismarck-Zimmer umbenannt, SZ Nr. 8-2023, S. 9

Kister, Kurt (2020): Der Weg in den Krieg, Süddeutsche Zeitung Nr. 164, 18./19. Juli 2020, S. 51

Leja, Ferdinand (1985): Die Bismarckgrotte im Landkreis Amberg-Sulzbach, Oberpfalz (Frankenalb), Mitteilungsblatt der Abteilung für Karst- und Höhlenkunde der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg, Heft 1/2, Nr. 28, 18. Jahrgang, 1985

Mattes, Johannes (2019): Wissenskulturen des Subterranen, Böhlau Verlag, Wien Köln Weimar

Neischl, Adalbert (1904): Die Höhlen der Fränkischen Schweiz und ihre Bedeutung für die Entstehung der dortigen Täler, Nürnberg (Schrag

Rademacher, Cay (2022): Ein neues Reich aus Eisen und Blut, P.M History Februar 2022, S. 39ff.

Richter, Peter (2020): Bilder einer Blutgeburt, Süddeutsche Zeitung Nr. 181, 7. August 2020, S. 9

Seibt, Gustav (2020): Das ist eine blöde Geschichte, Süddeutsche Zeitung Nr. 172, 28. Juli 2020, S. 11

Links speläologisch:

https://www.forst-pfalz.de/sehenswuerdigkeiten/bismarckhoehle.php

https://www.geocaching.com/geocache/GC2MTB9_bismarckhohle-forst?guid=829af348-ee81-4077-89b5-40ed9e68fe5c

https://www.fhkf.de/hoehlen/bismarckgrotte/

http://www.bismarckgrotte.de/

https://www.frankenjura.com/frankenjura/news/artikel/573

https://www.wp.de/staedte/ennepetal-gevelsberg-schwelm/besondere-einblicke-in-die-grosse-ennepetaler-hoehlenwelt-id226995247.html

Links Bismarck:

https://pr-museum.de/personen/sonstige-funktionstraeger/bismarcks-pressepolitik-und-arbeit-i/bismarck-an-der-macht-1868-1890-finanzielle-und-juristische-formen-seiner-pressepolitik/

 


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