Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Grottenbahnen und Grotten
Grotten waren immer künstliche Paradiese für Menschen. Irgendwo mußte doch das "Paradies" sein - da, wo alles stimmte. Die Logik, die Liebe, der Sinn des Lebens. War er draußen nicht festzumachen, dann suchte man ihn "innen". Irgendwann wollte man sich nicht mehr selber schinden, spannte die Technik ein, ließ das Wasser, den Wind, dann das "Atom" arbeiten. Sagte zu sich selber: "lean back and relax". Die technischen Sklaven sprangen an und zogen uns durch die Wunderwelten, die draußen so schwer auszumachen waren.
In Linz auf dem Pröstlinger Berg war man der Zeit schon weit voraus. Um die Jahrhundertwende, genauer 1906, wurde der "Weg nach oben" zur Wallfahrtskirche durch eine kühne Bahnkonstruktion zum Kinderspiel, der "Weg nach innen" durch die Grottenbahn stark vereinfacht. Erfolgreich war und ist das Ding. Das einzige Unternehmen bei den "Linzer Stadtwerken", das Gewinn abwirft. Am Ende des Krieges zerstörte eine Bombe den größten Teil der Anlage. 1945 wurde die Bildhauerin Prof. Stolz mit der Wiederherstellung beauftragt und ließ sich einiges einfallen. Heute kann man sich die Räumlichkeiten für private Feste mieten, z.B. für Hochzeiten, Kindergeburtstage oder auch ein Firmenfest.
Eine Grottenbahn wurde auch an anderen Orten später geschaffen, in Graz, auf dem Wiener Prater. Auch unsere modernen Geisterbahnen auf den Festplätzen haben etwas von dieser "Grottenbahn".
Am meisten interessiert mich, was eigentlich die Idee der
"Grotte" bzw. der "Höhle" alles für
Assoziationen in den Menschen wachrufen, welche ansonsten meist
verborgenen Ideen, Lüste, Ängste angesprochen werden. Bei der
Linzer Grottenbahn hat man ein plausibles Grundkonzept zugrunde
gelegt. Ein Zwerg habe im Pöstlinger Berg gelebt und habe alle
die vielen Märchenfiguren, seine Freunde, bei ihm zu Gast. So
betritt man die Bahn durch ein Tor, das zur Burganlage auf dem
Berg gehört. Im Sims über dem Eingang ist bereits eine kleine
Grotte mit kleinen Männchen, die sich anzuschauen scheinen, wer
denn da alles kommt. Über einen Zugangsweg zwischen den
Burgmauern kommt man zu ziemlich unromatischen Kassenhäuschen,
wo es ziemlich unromatisch zugeht.
Dann öffnet man die Tür und tritt das "Zauberreich".
Eigentlich ist das ein Bahnsteig, auf dem man auf die Grottenbahn
wartet. Die Decke ist unregelmäßig mit kleinen Kuppeln
gestaltet, aus der durchsichtige dünne Glasstalaktiten hängen,
die rot, grün und blau angeleuchtet werden. Ein kleiner Drache
schält sich aus einem Drachenei vor einer kleinen
Höhlenkulisse, dann steht man schon der Dracheneisenbahn. Vorne
ist ein großer Kopf mit aufgerissenem, furchtmachenden Maul,
dazwischen sind die Sitzreihen, hinten streckt er seinen langen
Drachenschwanz hinaus. Dreimal geht es im Kreis herum. Einmal
wird die linke Seite beleuchtet mit ihren in kleinen Nischen
angeordneten Figurengruppen, dann die rechte und am Ende
erstrahlt alles im Lichterglanz. Da gibt den
"Fotographen", den "Philosophen", den
"Käferüberfall" und noch viele andere mal kitschig,
mal durchaus phantasievoll gewordenen Szenen.
Man verläßt das Gefährt und kann nun eine Etage tiefer
steigen. Man kommt in die Welt der Zwerge, die in einem Bergwerk
die Schätze, die es dort unten gibt, herausholen. Kristalle,
Stalaktiten und wer weiß was sonst noch was. Das ist ganz
normal, daß man sich hier holt, was man braucht. Es ist da,
dafür. Dann brauchen wir uns nicht wundern, daß in den
modernsten Computerspielen die Aufgabe darin besteht, möglichst
schnell und gründlich eine Höhle auszuräumen ist, die aussieht
wie die Lechuguilla. Vor 100 Jahren hat vielleicht noch etwas
putziger ausgeschaut, aber im Kern ist es da gleiche.
Dann kommt die Angstschleuse. Links und rechts vom Weg sind hohe
Gitter. Dahinter sind ein Tiger, hoch aufgerichtet und mit
aufgerissenem Maul und ein Bär auf der anderen Seite. Berühren
könnte man sie fast, aber wer weiß.. ob er wirklich nur ein
Stofftierchen ist. Man dringt tiefer ins Reich der Zwerge ein,
das dann in eine unterirdische Miniaturstadt mündet, nachgebaut
einer Linzer Straßenszene. Lauter kleine Geschäfte sind da,
Steinpflaster, eine Marktfrau mt ihrem Gemüsestand. In etlichen
Seitennischen sind die bekanntesten Märchen sehr realistisch
darstellt mit Toneffekten und sogar frischen Latschenzweigen, um
auch das Olfaktorische anzusprechen.
Verlassen tut man diese Märchenwelt durch eine Gasse, in der das
Märchen "Rübezahl" dargestellt wurde. Ein Riese steht
da, übermenschengroß. Davor sind zwei Kinder zu sehen, die in
eine phantastische Tropfhöhle hineinschauen, hell erleuchtet,
strahlend, lockend. Dann geht es eine Treppe hinauf und hindurch
durch den Märchenladen, wo man seine letzten Schillinge in
Märchenbücher mit Höhlenbezug, einen Gartenzwerg oder ein
T-shirt mit Grottenbahnaufdruck stecken könnte. Hat man Hunger
oder Durst, dann läßt sich das auch im Grottenambiente
erledigen. Da gibt es so ein Freiluftlokal, das unter einem
Werbeschild mit Minidino unter einer Tropfsteindecke
Entsprechendes anbietet.
Zurück in die Wirklichkeit.
Fotos W. Adelung |
Der Eingang in die Grazer Grottenbahn
Die Grottenbahn in Linz stellte einen wesentlichen Schauplatz in dem Film "Die Pratermizzi" aus dem Jahre 1926, in den Kinos 1927 dar. > https://www.filmarchiv.at/program/film/sein-lebenslicht-die-pratermizzi/
>> Julia Berger.... Grottenbahnen, deren Geschichte und Konstruktionsweisen. Im Wiener Prater, in Köln und in Berlin entstanden 1909/1910 die frühesten Scenic Railways im deutschsprachigen Raum. Diese mit einer plastischen Gebirgslandschaft verkleideten Achterbahnen basierten auf den Anlagen eines US-amerikanischen Unternehmens, welches einen großen Einfluss auf die Vergnügungsparks des frühen 20. Jahrhunderts hatte. (Hassler 2015)
Literatur:
Hassler, Uta, Julia Berger, Kilian Jost: | Konstruierte Bergerlebnisse. Wasserfälle, Alpenszenarien, illuminierte Natur. Hirmer Verlag. München 2015. Leinen mit Schutzumschlag, 368 Seiten |
Kein, Ernst | Wiener Grottenbahn. Wien 1972, Jugend und Volk Verlag |
Mattes, Johannes | Reisen ins Unterirdische, Böhlau-Verlag, Wien Köln Weimar 2015 |
Sahling, Finni | Die Linzer Grottenbahn. Wels-Mühlehner, ca. 1955 |
Links:
http://www.upperaustria.org/linz/tourismus/altstadt/html/grottenbahn.htm
http://www.linzag.at/linzweb/index.php?id=362
http://www.moessmer.net/panorama/grottenbahn/
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