Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Der "Stein" im Wörlitzer Park
Der Wörlitzer Schloßpark war der "erste große Landschaftspark des europäischen Kontinents" (Thüsen 111), dessen erste Teile schon 1764 für den Fürsten Leopold Friedrich Franz geplant und gebaut wurden . Inzwischen gehört der zum Weltkulturerbe und wirkt dementsprechend als großer Touristenmagnet.
Hier soll nur einem Aspekt nachgegangen werden, den Grotten. Ihr Kulminationspunkt ist "Der Stein" auf einer künstlichen Insel in einem angelegten See am Südostrande der ganzen Anlage. Bis auf eine Höhe von 17 wurden da Steine angehäuft zu einem exzentrischen Bauwerk. Der Hauptteil soll eine Vulkan darstellen, der massiv unterhöhlt ist und alle paar Jahre als Schauplatz großer Feuerwerke dient. Daneben gibt es dann noch die Villa Hamilton im klassizistischen Stil direkt daran angebaut und ein Freilufttheater, das sind an die Flanke des Gebäude schmiegt.
Der "Vulkan" besteht aus einem Backsteinkern, dem man mit granitischem Material verkleidet hat. Grotten direkt am Wasser erlauben es, direkt mit dem Kahn unter und in den "Berg" zu fahren, wo man auf einem Sandstrand aussteigen kann. In Mauernischen sind weiße Statuen zu sehen. Gänge führen tiefer hinein, verzweigen sich, münden in Kammern, öffnen sich zu Treppen, die in das obere Stockwerk leiten. Dort gibt es noch einmal Räume und Gänge, meist mit Oberlichten, durch die sie meist nur spärlich erhellt werden. Als Höhepunkt steht in einem kleinen Saal die Statue einer "Vestalin". In einer anderen Nische steht die Figur von zwei ringenden nackten Jünglingen. Drücken sich hier heimliche homoerotische Neigungen aus? Im alten Griechenland war man gerne so. Die Frauen stehenlassen und sich den jungen Burschen zuwenden. Inzwischen traut man es sich schon auszusprechen, ein offenes Geheimnis.
Das Ganze ist wohl auch die geistige Verarbeitung von Reisen nach Italien mit dem Besuch des Vesuvs, der unterirdischen Anlagen von Misenium, der Villa Hadriana usw.. Und eine Wiederspiegelung eines wissenschaftlichen Diskurses um die Entstehung der Welt. Da argumentierten die Neptunisten gegen die Plutonisten, woher denn die Welt eigentlich komme - aus dem Meere oder aus den Vulkanen. Die Basaltsäulen als Anschauungsobjekte holte man sich aus dem sächsischen Stolpe, wo es so etwas auch in deutschen Landen gab. Hamilton, nachdem die kleine Villa benannt ist, war übrigens ein damals recht bekannter Vulkanbeobachter mit eigenen Häusern am Vesuv.
Außerdem soll es noch eine "Höhle des Eremiten" geben, auch so eine "Spinnerei" der Zeit. Die Tugendhaftigkeit auszulagern auf dazu ausgedachte Personen....
Sich einen Vulkan in den eigenen Park zu stellen, das scheint eine richtige Mode gewesen zu sein. In Meiningen wurde ebenfalls ein solches Bauwerk errichtet, wohl sehr ähnlich seinem Vorbild, das aber keinen langen Bestand hatte. Im Bergpark Wilhelmshöhe bei Kassel wollte man eine eigene Variante verwirklichen und im Innern 10 Kalkbrennöfen bauen, die durch den aufsteigenden Rauch ständig für Aufmerksamkeit gesorgt hätten, besonders bei Nacht. Nicht der gelegentlich passierte Ausbruch mit Feuerwerke sollte simuliert werden, sondern eine ständige Fahne sollte aus der oberen Öffnung emporsteigen. Hier hatte das Vorhaben wohl auch praktisch-wirtschaftliche Gründe, denn es wäre gleichzeitig gebrannter Kalk entstanden, den man gleich beim Schloßbau gebrauchen hätte können. Es blieb aber beim Plan, "Herkömmlicheres und Bescheideneres" (Thüsen 126) entstand stattdessen.
Literatur:
Rebenich, Stefan | Der kultivierte Gärtner, Klett-Cotta, Stuttgart 2022 |
Thüsen, Joachim von der | Schönheit und Schrecken der Vulkane - Zur Kulturgeschichte des Vulkanismus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2008 |
Weingarten, Susanne | Der grüne Lord, in: Saltzwedel, Johannes (HG.), Die Aufklärung, Spiegel-Buchverlag, DVA, München 2017 |
Weiss, Thomas | Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz, Hinstorff, Rostock 2010 |
Weiss, Thomas, hrsg. von | Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff - Kunsthistorisches Journal einer fürstlichen Bildungsreise nach Italien 1765/66, Kataloge und Schriften der Kulturstiftung Dessau Wörlitz, Band 12, Deutsche Kunstverlag München Berlin 2001 |
Wood, Katie | Reisen zum UNESCO-Welterbe in Sachsen-Anhalt, Mitteldeutscher Verlag 2003 |
Links
Wörlitz-Information - Wörlitz aktuell
▶ Wörlitz Park
Vulkanausbruch 2010 auf der Insel Stein - YouTube
▶ Wörlitzer Park
Vulkanausbruch 2012 - YouTube
▶ Gartenreich Wörlitz:
Insel mit künstlichem Vulkan + Villa Hamilton (park with artificial volcano) -
YouTube
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