Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Tiere als Erbauer von "Höhlen"
Die "Höhle" ist ein anthropozentrischer Begriff, denn was als Höhle gilt oder nicht, das entscheiden wir Menschen. Wenn die Löcher in der Erde so klein sind, daß wir nicht hineinkönnen, dann gelten sie nicht einfach nicht als "Höhlen". Die Mindestgröße ist keineswegs überall einheitlich. Den "Ritterschlag" bekommt ein Hohlraum, wenn er in den "Höhlenkataster" aufgenommen wird. Meist werden 5 m genannt, aber es gibt Regionen, da fängt man erst bei 20 m an. Unterschieden wird auch, ob es sich um einen "künstlichen", also unter Mithilfe des Menschen geschaffenen, oder "natürlichen" Hohlraum handelt.
Wo gehören die Hohlräume hin, die durch Tiere geschaffen wurden.
Die zweifellos größten Tiere in dieser Hinsicht sind die
Elefanten. Berühmt ist die Kitum Cave (Der Name bedeutet in der Sprache der
Massai "Zeremonienplatz") am Mount Elgol in Kenia, die als
"elephant salt mine" gilt. Auch die Makingen Cave in der Nähe
wird von den Elefanten besucht.
In Brasilien hat man größere Gangsysteme erforscht, die
von Tieren geschaffen wurden und aus prähistorischen Zeiten stammen sollen.
Ausführlich berichtet Fitch darüber > Riesenfaultiere. https://www.earthtouchnews.com/discoveries/discoveries/these-giant-tunnels-in-south-america-arent-caves-theyre-prehistoric-burrows/
Auch Krokodile können in Uferböschungen tiefe Gänge graben, in denen sie dann einen Sommerschlaf halten, z.B. in Sri Lanka. Es hat schon einen neugierigen Tierfilmer gegeben, der da hineingekrochen ist und sich plötzlich einem Krokodil gegenüber gesehen hat.
Wenn der Mensch der Maßstab ist, dann gibt es nicht nur nach oben eine Grenze. Hinein ins Kleine stößt man z.B. auf die Regenwürmer.
Kurti Marti hat z.B. den Aktivitäten des Regenwurms mit
seinen sprachlichen Mitteln nachgespürt:
"Neben den Plattwalzungen bohrt
unverdrossen Seine Majestät
Lumbricus terrestris, der Regenwurm,
Höhlengänge ins Erdreich,
damit dieses weiterhin leben, das
heißt atmen und Wasser trinken kann..." Vergänglichkeit 43
Für Charles Darwin war der Regenwurm zu Lebzeiten ein Wesen, dem er viel
mehr Aufmerksam geschenkt hat, als der "Evolution", die ihn
später weltberühmt gemacht hat. Er wußte dieses Tier zu schätzen!
Manch einer hat einen "Höhlenbauer" in seinem Garten und liebt ihn überhaupt nicht. Wie steht es mit unserem Verhältnis zum Maulwurf? So manch einer hat ihn schon mit seinem Karbid vertreiben wollen. Manch ein Höhlenverein hat ihn in seinem Logo!
>https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/sonstige-saeugetiere/maulwurf/index.html
"shipworm.....Die meisten Arten fressen sich durch Holz
und hinterlassen dabei Gänge und Höhlen, in die später andere Tierarten
einziehen. Erst kürzlich haben Zoologen auf den Philippinen aber eine Art
entdeckt, die in Flüssen lebt und dort Löcher in Steine bohrt. So schafft
sie gemütlichen Wohnraum für viele andere Tierarten." Baier 13
Tierbaue haben natürlich auch schon Eingang in den Bereich
von Literatur und Musik gefunden.
Beispiele:
- Im Lied "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen heißt
es u.a.:
"Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee /
Micha, mein Micha, und alles tat so weh /
Dass die Kaninchen scheu schauten aus dem Bau /
So laut entlud sich mein Leid in's Himmelblau" (Pollmer,
Unscharfe Bilder)
Auch die Kaninchen schaffen sich ihre Höhlen, die
Kaninchenbaue. Madlen Ziege wollte eine Doktorarbeit über die
Kaninchenbauten in den Stadtparken von Frankfurt schreiben, woraus dann ein
ganzes Buch mit dem Titel "Die unglaubliche Kraft der Natur"
geworden ist. Ein Zitat daraus: "Wildkaninchen sind auch hervorragende
Bauingenieure. Mit ihren kräftigen Vorderpfoten können sie mehrere Meter
lange und tiefe Bauten mit unterschiedlichen Kammern buddeln. Diese Bauten
können einen Radius von bis zu 15 Metern einnehmen. Gibt es genug dichte
Vegetation, legen Kaninchen mehrere kleine Bauten an. Müssen sie sich
weniger Böschungen teilen, finden sie sich zusammen und buddeln gemeinsam
wenige große Bauten..." Ziege 153
Auf sie stößt man auch im übertragenen Sinne. In dem Film Matrix sagt der
Mentor Morpheus zum Helden Neo: "..Schluckst du die blaue Kapsel, ist
alles aus. Du wachst in deinen Bett auf und glaubst an das, was du glauben
willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland, und ich
führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus." Ouassil,
Erzählende Affen 302
Literatur:
Bainer, Tina | Tierische Ingenieure, SZ NR. 181, 7.8.2020, 13 |
Fitch, Chris | Subterranea, München 2021 |
Jenner, Andrew | Get Lost in Mega-Tunnels Dug by South American Megafauna, in Discover Magazine, 28.03.2017 |
Marti, Kurt | Marti, Kurt, Heilige Vergänglichkeit, Radius, Stuttgart, 2. Auflage 2011 |
Martin, Anthony J. | The Evolution Underground: Burrows, Bunkers, and the Marvelous Subterranean World Beneath our Feet, Pegasus Books 2018 |
Middleton, Greg | Kenya - 1998, 8 th International Symposium on Vulcanospeleology |
ohne Verfasserangabe | Ein spezielle Pseudokarsthöhle, in: Nachrichtenbrief 10/2003, Commission für Pseudokarst der UIS, S. (Kitum Cave) |
Ousassil, Samira el, Karig, Friedemann | Erzählende Affen - Mythen, Lügen, Utopien, ullstein, Berlin 2021 |
Pollmer, Cornelius | Unscharfe Bilder, SZ Nr. 280, 3.12.2021, S. 11 |
Redmont, Ian | The Elephant Book. Walker Books: London 1990 |
Triller, Elke | Sonntagsvergnügen, Der Schlaz 86-1998, S. 33 |
Wenderoth, Andreas | Gärtner gegen Garbowski, GEO 08 2017, S. 70ff. |
Ziege, Madlen | Die unglaubliche Kraft der Natur - Wie Stress Tieren und Pflanzen den Weg weist, Piper, München 2023 |
Zirnstein, Michael, Interviewer | Echs und hopp / Dirk Steffens präsentiert in der Olympiahalle die Multi-Media-Show zur BBC-Reihe "Planet Erde 2", Süddeutsche Zeitung Nr. 72, 27. März 2018, KULTUR R14 |
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