Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlenwohnungen in der Provence, F
Der Blick aus einer
"Höhlenwohnung" in Le Baux, nicht schlecht, da haben
viele HARTZ IV-Empfänger bei uns schlechtere Aussichten!
In der Provence zu wohnen, das war schon immer eine Anlegenheit, die vielen gefallen hat, manche auch geliebt haben. Das sieht man spätestens, wenn man heute die Immobilienangebote anschaut und sich frägt, wer es sich heute noch leisten kann, solche wahnsinnigen Preise zu bezahlen. "Holländer, die in die Rente gehen", war eine Antwort auf meine Frage, als ich mal wieder im Juni 2006 in der Provence war.
Seit Urzeiten gibt es schon Menschen dort. Die Höhlenfunde haben es gezeigt, nicht zuletzt die Entdeckung der Cosquerhöhle an der Mittelmeerküste hat es wieder deutlich gemacht. Sie war nur zugänglich, als das Meer noch viele Meter tiefer erst seine Wellen an den Strand geschickt hat.
Neben dem Dach über dem Kopf boten "Höhlen", und damit sind dort kaum natürliche Höhlen, sondern mehr Felsdächer und in den blanken Fels vom Menschen geschlagene Objekte zu verstehen, vor allem auch Schutz gegen die Sonne, sprich Schatten und Kühle, und Schutz gegen "Feinde", sprich "Verteidigungsfähigkeit", wenn es die überhaupt gibt.
Viele Orte kam man hier aufsuchen, um mal zu erleben, wie es heute ist, in eine Höhlenwohnung einzutreten. Barry, Saint-Roman, Villicroze, Troglo Moustiers....
Im Juni 2006 hatte ich Gelegenheit drei Örte selben zu besuchen.
Les Baux - das ist sicherlich der bekannteste Ort dafür in der Provence. Wer Einsamkeit und kontemplative Ruhe sucht, der sollte dort nicht hinfahren, insbesondere nicht in der Saison. Da wälzt sich inzwischen die Touristenlawine auf ihrer wilden Suche nach verwertbaren "Zielen" besonders gerne hin. Was auch ihr Gutes hat, denn dann geht sie woanders nicht hin, und wenn man einmal so ein Phänomen gezeigt hat, dann geht kaum mehr ein Zweites. Der Stein war als Baustein besonders geeignet, und man hat ihn deshalb so gut es ging überall abgebaut. Die Städte und Orte der Umgebung bestehen zu einem Gutteil daraus. St.-Remy, Arles, Avignon... Zurückgeblieben sind riesige unterirdische Kavernen, die man heute gerne gegen Geld auch wieder zeigt. Besonders gelungen ist die cathedrale d' image, wo in den leeren Räumen Dia- und Tonshows vorgeführt werden, die meist sehr gelungen sind.
Im Ort wird man richtig abgezockt. Schon das Parken kostet heute 4 . Nur um seinen Wagen für kurze Zeit in der Nähe des Ortes abzustellen! Im Grunde sind diese neu/alten Gebäude nur noch Staffage für Geschäfte, die einem was verkaufen wollen. Am höchsten Punkt steht dann ein Gebäude, in dem man seinen Eintritt in das Gelände des Schlosses abliefern darf. Von dort aus hat man einen unübertrefflichen Blick aufs Land rundum. Nicht schlagbar. Außerdem steht da heute noch eine dieser Belagerungsmaschinen, die einem vorführen soll, was da einstmals an Aufwand getrieben wurde, um solche Adlernester, wie "Les Baux" zu erobern. Die obersten Felsen sind alle bis zum äußersten Rand ihrer Statik wohl durchlöchert. Selbst kleinste Kuppen hat man bis zur Baufälligkeit durchlöchert, um Raum zum Leben zu haben.
Beaumettes ist ein kleiner Ort im Coulontal in der Nähe von Cavaillon und unterhalb von Gordes, dem Ort, der heute von Touristen überlaufen richtig ist, weil es sich als eines der schönsten Dörfer Frankreichs verkauft. Viel ist ja nicht da. Früher ging wohl die Hauptstraße von Cavaillon Richtung Apt gleich mitten durch den Ort, aber das hat sich geändert, seitdem man eine Schnellstraße neu gebaut und ein paar Meter nach vorne gerückt hat. Wer direkt durch den Ort will, der wird gezwungen langsam zu fahren, auch erst einmal hinunter auf einen kleinen Parkplatz und dann wieder hinauf auf die alte Straße. Schon der Name ist Programm: "Beaume..". Das meint hier nicht gleich "Höhle", sondern eher Felsüberhang. Und unter dem hat man einige heute wieder sehr gut hergerichtete Gebäude plaziert, die "Schutz" unter dem natürlichen Felsdach gefunden haben. Als ich im Juni 2006 dort mal gegen Abend vorbei geschaut habe, da war niemand da. Ein "propriete privé"-Schild hieß einen nicht zu nahe zu kommen. Aber ein berauschender Blumenduft war einfach berauschend anlockend.
Calès -
Auf der ign - 250000er Karte ist dieser Ort dick markiert in der Nähe von Lamanon eingetragen. Erwähnt wird er auch in verschiedenen Veröffentlichungen. Also bekannt ist er - und auch nicht. Ist auch nicht schlecht. Denn so strömen die Touristenmassen zu anderen Stellen und diese kleinen wunderbaren Orte bleiben verschont davon.
Als ich mal im Juni 2006 dort war, da war gar nichts los. Wo ist genau nach der Höhlensiedlung von Calès suchen sollte, das wußte ich auch nicht. Vor Ort gab es auch herzlich wenig Hinweise. Ziemlich untypisch, weil man sonst ja jeden schnell abzockt, der sich sehen läßt. Gleich sind da mal 2 und 4 fällig. Hier war nichts los. Das "chateau Panisse" auf dem Gipfel des bewaldeten Deffendberges galt es zu finden. Zu dessen Füßen sollten "Höhlenwohnungen" sein. Ich irrte erst einmal hin und her, wei nirgends ein hilfreiches Schild zu finden war. Und dann passierte es doch. Es ist immer so: Hinterher ist man gescheiter. Auch hier. Auf einmal waren lauter hilfreiche Tafeln da, eine große Baugrube, wo man gerade Kabel verlegte, ein uralter Weg, der in die Höhe führte, ein verfallender Naturlehrpfad, Felsen rückten näher, in denen Hohlräume zu sein schienen, der Steinpfad verzweigte sich. Ich hielt mich links und kam zu einem großen Sandsteinfelsen, unter den dessen auch mal eine Wohnung gewesen war. Eine erste Felskammer tat sich vor mir auf. Gegenüber tat sich noch eine viel höhere Felswand auf und in der waren im obersten Teil viele offene Felskammern zu sehen. Ich wanderte hinnüber und am Fuße der Felswand taten sich nun auch künstliche Vertiefungen auf. Der Weg spaltete sich wieder. Ich ging zum Gipfel auf massiven Felsstufen. Oben war eine Marienstatue. Darunter Felskammern. Steintreppen führten hinunter und immer mehr große geräumige Felskammern zeigten sich. Eine Art Felsbrücke war von einem früheren Raum noch stehengeblieben, dahinter zeigte sich die nächste Felswand, in der sich die nächsten Felsenwohnungen auftaten. Kein Wunder, daß Pierre Minvielle Cales mit den Höhlenstätten von Kappadozien und Neumexiko verglichen hat. Eine hohe Trockenmauer soll den Raum zwischen den beiden Felskuppen in denen die Felsräume sind, abschließen. Ein großes Schild der Gemeinde verkündet heute jedem Besucher, was gerade recht und richtig ist. Vor allem wird man vor dem Steinschlag gewarnt! Betreten wohl auf eigenen Gefahr. In vielleicht 100 m Entfernung ist eine weitere Mauer sichtbar. Das war wohl mal ein kleiner Ort, abgegrenzt, wehrhaft, heute verlassen. Überall sind in dem Felswänden links und rechts Kammern in den bearbeitbaren Fels gemeißelt worden. Kleine Durchgänge gibt es, eine alte Feuerstelle, einen Raum im ersten Stock, auch Räume und Plätze im Gebiet zwischen den Felsen, eine Art offenen Versammlungsplatz zum Beispiel.
Absolut faszinierend für mich war, daß ich ganz alleine war. Niemand sonst hatte an diesem Tag und zu dieser Stunde die Idee gehabe, da hin zu gehen. In unserer überfüllten Welt ist das ein Riesengeschenk! Was hat sich hier einstmals alles schon abgespielt? Archäologische Ausgrabungen haben ergeben, daß die Menschen seit dem Neolithikum sich hier aufgehalten haben, bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nachweislich. Später haben sicherlich die Hirten mit ihren Herden diesen Ort noch genutzt. Im Grunde ein idealer Platz, wenn man nicht gerade an Wasser- und Stromversorgung denkt und wohin eigentlich unsere Rückstände hingehen. Aber die hat die Natur vollkommen inzwischen "verdaut". Nichts mehr davon da, nicht mal von all den Menschen, die sich da einstmals aufgehalten haben.
Literatur:
Minvielle, Pierre | Guide de la France Souterraine, Les Guides Noirs, Tchou, éditeur, 1970 |
Saletta, Patrick | voyage dans la France des troglodytes, Sides 1992 |
Lazzarini, Nicole, Hughes, Hervé | Une France insolite les TROGLODYTES, Rennes 2002 |
Saletta, Patrick | Sanctuaires Souterrains, 1994 |
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