iFranz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Caspar David Friedrich
als Maler von Höhlenmotiven
"Felsenschlucht"
"...jeder Linie die Zeit gönnen, die sie verlangte." Lea Singer, Anatomie der Wolken 27
Der Krockstein bei Rübeland, Harz
Heute gilt er als der wichtigste Maler der deutschen Romantik, zu Lebzeiten hatte er oft ein schweres Leben. Was ihn heute auszeichnet, ja zum herausragenden Vertreter neuer Ideen erscheinen läßt, machte ihm einst große Schwierigkeiten. Man darf sich halt manchmal nicht abbringen lassen vom eigenen Weg, so schwer er auch zu gehen ist zu Lebzeiten! Andern Künstern ging es ja auch so, z.B. Paul Cezanne.
Im Werk von Friedrich gibt es mindestens 10 Werke, die im weiteren Sinne etwas mit dem Höhlenphänomen zu tun haben. Zieht man die beiden Felsentordarstellungen ab, dann sind es 8. Meist sind es kleinere Arbeiten, Bleistiftzeichnungen, nur 3 große Ölgemälde sind bekannt. Die sind es vor allem, um die es geht. Im Grunde stellen sie alle das gleiche Motiv dar: eine Felswand, Bäume, eine schwarze Öffnung. Drum herum gibt es dann noch Menschen und einmal auch Sarkophage.
Wie es heißt habe Friedrich die entscheidenden Anregungen dafür auf seiner Harzreise im Juni 1811 bekommen. Zusammen mit seinem Malerfreund Christian Gottlieb Kühn wanderten sie rund 300 Kilometer von Meißen über Ballenstedt, Blankenburg, Hüttenrode nach Rübeland. Dort besuchte er wohl den entscheidenden Ort, die Marmorbrüche am Krockstein. Vom 26. und 27. Juni 1811 stammen die beiden Arbeiten, Bleistiftzeichnungen, von einer "Felsenhöhle" bzw. einer "Felsenschlucht". Dort gibt es zwar eine richtige Höhle, aber die ist wohl nicht auf den Ölgemälden zu sehen, eher sehen wir eine raffinerte Umgestaltung und suggestive Darstellung der Situation im obersten Steinbruch, die 2 Jahre später entstehen. Es kommt auch nicht auf die tatsächliche Situation an, sondern eher darauf, was wir uns beim Betrachten der Bilder denken. Besonders die hínzugefügten Sarkophage auf dem oft "Grabmale alter Helden" hat reichlich Stoff für Interpretationen geliefert, kein Wunder, tobten doch die Napoleonischen Kriege im der Mitte Europas.
Ein einziges richtiges Höhlenbild gibt es von Friedrich, eine
Sepiazeichnung, die einzigartig ist. Kein Künstler vor ihm und wohl auch nach
ihm hat sich als Thema gesetzt, "Skelette in einer Tropfsteinhöhle"
darzustellen. Vermutlich kam die Idee dazu nach einem Besuch der Baumannshöhle,
die damals sehr berühmt war und deren Besuch zum Pflichtprogramm aller
Durchreisenden gehörte. Tatsächlich gibt es eine Stelle neben dem
Führungsweg, gleich nachdem man durch den künstlichen Eingangstunnel die
eigentliche Höhle betritt, die verdammt gut zur Situation auf dem Bild paßt.
Man müßte nur die Beleuchtung des Raumes verbessern, dann bekäme man das wohl
ziemlich gut hin. 15 Jahre sind inzwischen vergangen, da taucht dieses Bild
Friedrichs auf. Eine raffinierte Lichtführung läßt den Vordergrund im Dunkel,
wie ein Spotlight wird der Knochenberg hauptsächlich beleuchtet. Sind es zwei
Liebende, die auch im Tode zusammenbleiben wollen? Sind es Freunde, die sich die
Treue bis in alle Ewigkeit geschworen haben? Bleibt mehr als ein Haufen Knochen
von uns und unseren Absichten? Auch wenn man im Schutzraum der Höhle, so denkt
vielleicht mancher, die Wartezeit bis zur Ewigkeit dort verbringt.
Eine zeitgenössische Kommentierung (siehe Ilming) lautet: "Zwischen
Stalaktitenhöhlen und Tropfsteinfelsen liegt ein verwitterndes, bleichendes
Menschengerippe. Das Skelett des Erdkolosses scheint sich schützend über das
Skelett seines armen, kleinen Bewohners zu wölben, und in grausenvoller Öde
harren beide der Verwandlung."
Es ist schon seltsam, was Menschen beim Betrachten von Bildern alles sehen - oder auch nicht. Ich besuchte einmal einen Vortrag über Friedrich im Münchner Kulturzentrum Gasteig. Dabei wurde auch das "Felsenschlucht"-Bild gezeigt. Mit keinem einzigen Wort ging die Referentin auf den "schwarzen Fleck" in der Mitte ein. Daß das eine "Höhle" oder so etwas ähnliches, dieser Gedanke war gar nicht in ihrem "Gebäude".
Titel | Entstehungszeitpunkt | Aufbewahrungsort | Abbildungen in: |
Amselfall bei Rathen (Kupferstich?) |
um 1799 | Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett | Erfindung der Romantik |
Felsmassiv mit Höhlen und Mauerwerk / Der Regenstein (Radierung) |
Januar 1800 | CDF im Harz | |
Felsentor im Uttewalder Grund | 28. August 1800 | Kunsthalle Mannheim | Erfindung |
Das Felsentor im Uttewalder Grund (Pinsel in Braun über Bleistift) |
um 1800/1801 | Museum Folkwang, Essen | Erfindung |
Felsenhöhle / auch "Marmorbruch bei Rübeland"
genannt (Bleistiftzeichnung) |
26. Juni 1811 | Pommersches Landesmuseum, Greifswald | Erfindung, CDF |
Studie zur "Felsenschlucht" (Bleistiftzeichnung, aquarelliert) |
27. Juni 1811 | Albertina, Graphische Sammlung Wien | Erfindung, CDFBe |
Felsental (Das Grab des Arminius) (Öl auf Leinwand) |
um 1813 | Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen | Erfindung, CDF |
Felsenschlucht (Öl auf Leinwand) |
um 1821 | Pommersches Landesmuseum, Greifswald | Erfindung, CDF |
Gräber gefallener Freiheitskrieger (Grabmale alter Helden) (Öl auf Leinwand) |
eine1812 (?) | Hamburger Kunsthalle | Erfindung, CDF |
Skelette in der Tropfsteinhöhle (Sepia) |
um 1826 | Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett | Erfindung, CDF |
Literatur:
Börsch-Supan, Helmut | Caspar David Friedrich - Gefühl als Gesetz, Deutscher Kunstverlag, München Berlin 2008 |
Bruckmann-Verlag | Caspar David Friedrich, München 1976 |
Busch, Werner | Caspar David Friedrich, C.H. Beck, München 2021 |
Földenyi, Laszlo F. | Caspar David Friedrich. Die Nachtseite der Malerei, Berlin 1993 |
Gaßner, Hubertus (Hrsg.) | Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, München 2006 |
Grave, Johannes | Caspar David Friedrich, München 2017 |
Gumbrecht, Hans Ulrich | Harmonie und "Abbruch" unter dem Licht von Caspar David Friedrich, in: Stimmungen lesen, Edition Akzente, Hanser, Müchen 2011 |
Heine, Florian | Mit den Augen der Maler - Schauplätze der Kunst neu entdeckt, Bucher, München 2009 |
Hinz, Sigrid (Hrsg.) | Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit, München 2000 |
Ilming, Heinz | Die Höhle in der bildenden Kunst, Die Höhle 3/4-1984, S. 177ff. |
Lindenmayr, Franz | Caspar David Friedrich als Maler von Höhlenmotiven, in: HÖREPSY 2015 Tagungsband zum 24. Treffen, Gröbenzell, Oktober 2016 |
Museum Folkwang Essen, Hamburger Kunsthalle | Caspar David Friedrich, Die Erfindung der Romantik, 2006 |
Singer, Lea | Anatomie der Wolken, Hoffmann und Campe, Hamburg 2015 |
Vahland, Kia | Schau in den Abgrund, Süddeutsche Zeitung HMG, Nr. 41, 19.02.2015, S. 9 |
Zschoche, Herrmann | Caspar David Friedrich im Harz, Verlag der Kunst Dresden, Husum 2008 |
Zschoche, Hermann | Caspar David Friedrich. Die Briefe, Hamburg 2006 |
Links:
https://fr.muzeo.com/reproduction-oeuvre/squelette-dans-la-grotte/caspar-david-friedrich
Der Trudenstein - Granitklippe mit Aussicht zwischen Drei Annen Hohne und Schierke im Harz
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