Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die nicht gezeigten Bilder....oder die Nichtzeigbaren oder die Nichtzuzeigenden...
"Dabei ist nicht ds wichtig, was gemalt wird, sondern auch das, was nicht gemalt wird (die durchscheinende Maserung des Holzes), was übermalt, was verdeckt wird und was vorübergehend da ist, um den weg zu etwas anderem zu bereiten. Als Flaubert von Taine über die künstlerische Vorstellungskraft befragt wurde, erklärte er, auf seinem geistigen Bild einer Szene gebe es häufig Details, die er für sich behalte. Etwa, dass homais, der pharmacien in Madame Bovary, "leicht pockennarbig" sei. Das habe er den Lesern aber nicht gesagt." Barnes, Kunst sehen 338
Ein spannendes Thema. Es gibt eine Menge Photos, die nicht gezeigt wurden und werden, besser nie gezeigt werden, vielleicht besser nie gemacht worden wären....
Es gibt eine Menge Gründe dafür....
Practice what you preach. Am Anschaulichsten wäre jetzt ein Bild zu zeigen, das ansonsten nie gezeigt wird. Aber das würde wiederum der Grundintention widersprechen. Vertrackt. Also ist hier lieber nichts zu sehen.
.... in Vorbereitung
Auf einem früheren HÖPHO zeigte ein Teilnehmer einmal einen kurzen Beitrag über Teilnehmer an den HÖPHOs. Dagegen wäre ja überhaupt nichts zu sagen, allerdings hatte er nur Photos ausgesucht, die sie in einer Weise gezeigt haben, die einfach nur negativ waren. Wie sieht man am Ende einer langen Nacht aus, in der man viele Bilder gesehen und viele Biere nebenher getrunken hat? Wozu macht man solche Bilder überhaupt und warum zeigt man die dann später? Das hat nur einer getan und auch nur einmal. Gut so.
In dem wunderbaren Buch "All I really need to know I
learned in kindergarten" von Robert Fulghum steht in seiner Aufzählung der
Dinge, die er bereits dort gelernt hat und lernen sollte:
"Share everything".
Sorry, mit dieser Radikalität, die zwar alles einfach macht, aber halt der
Komplexität, Kontingenz und Ambiguität unserer Welt einfach nicht gerecht
wird, stimme ich ihm nicht zu. Wir haben es hier vor allem mit den
"Menschen" zu tun - und sind halt vollkommen unterschiedlich.
Sind unsere Erfahrungen miteinander auf irgendeinen gemeinsamen Nenner zu bringen? Nach meinen ist das nicht der Fall. Von Gebrauch bis Mißbrauch hat es alles schon gegeben. Der eine nützt es, der andere reklamiert es ausschließlich für sich, der andere teilt alles mit anderen, der andere mißbraucht, was ihm da geboten wird.
Ein Teilthema ist, daß man Bilder, die ins Netz gestellt worden waren, wieder herausnimmt.
Ein Beispiel: Ich hatte eine Landschaftsaufnahme von der
bayerischen Seite des Untersberges auf meiner Webseite. Bald darauf bekam ich
ein Mail, in dem ich angeregt wurde, dieses wieder zu entfernen. Es sei nämlich
an der Stelle aufgenommen worden, wo man vom Verbindungsweg Berchtesgadener
Hochthron - Mittagsscharte abbiegen müsse, um zum Riesending zu gelangen. Davon
stand beim Bild nichts, das wußten nur wirkliche Insider, man wollte, soweit es
halt ging, die Lage "geheim halten", Ich habe natürlich sofort das
Photo entfernt und ein anderes an die Stelle gesetzt.
Keiner kennt wirklich die Zukunft und so wußte damals noch niemand, was da
eines Tages passieren würde. Heute dürfte das Riesending´die wohl auch
international bekannteste Höhle Deutschlands sein - nach dem großen Unfall.
Tausende Bilder davon jagen jetzt durch das Netz, auf verschiedenen
elektronischen Landkarte ist der Eingang lagerichtig eingetragen. Es ist
eigentlich heute kein Problem mehr, sich bis dorthin selber zu navigieren.
Ein weiterer Aspekt ist, daß man Bilder ohne weitere Angaben oder gar falschen ins Netz setzt.
Das ist insbesondere wichtig, wenn man bestimmte Höhlen und Höhleninhalte schützen will.
Irgendwo in den östlichen Pyrenäen
Wer etwa Höhlenbärenknochen in situ lagernd auf einem Photo zeigt oder prachtvolle Sintergebilde - und auch noch hinschreibt, wo das ist, möglichst ohne irgendwelche natürliche Barrieren davon, wie enge Schlufe, der braucht sich nicht zu wundern, daß sie schnell weg sind. Dafür gibt es leider traurige Beispiele.
...in Vorbereitung
Susan Sontag hat einmal über die modernen Verhältnisse gesagt: " Es ist das Wesen unserer modernen Kommunikationssysteme, daß jeder Kontext gleichwertig und austauschbar ist, sodass man Dinge parallel in viele verschiedene Kontexte setzen kann, wie in der Photographie......es bedeutet aber auch, dass man ursprüngliche, profunde Wahrheiten nicht schützen kann, weil sie unweigerlich herabgesetzt, verfälscht und verwandelt weden - wir leben in einer Welt, in der alles recycelt und neu kombiniert wird und die Dinge auf einen gemeinsamen Nenner reduziert werden. Wann man ...ein Bild in die Welt entlässt, erlebt es eine rasante Karriere, die man selbst nicht steuern und der man auch keine Grenzen setzen kann. Und das ist vielleicht ein weiterer, näher liegender Grund, warum man manchmal versucht ist, einfach zu schweigen (oder bestimmte Bilder nicht zu zeigen, A.d.V.). Man möchte Dinge mit anderen Menschen teilen, aber andererseits möchte man nicht einfach die Maschinerie füttern, die jeden Tag Millionen Vorstellungen und Objekte und Produkte und Meinungen verschlingt, um weiter zu funktionieren." (Sontag, Doors 134)
Einen bemerkenswerten Nebenaskekt spricht Kathrin Weber in dem SZ-Artikel "Dein Gesicht im Porno" an. Die Techniker haben es so weit gebracht, daß man Bilder auch in Filmen so mischen kann, daß als Betrachter praktisch nicht mehr unterscheiden kann, ob etwas so gewesen ist, wie es zu sehen ist oder nicht. Früher hieß es: "Seeing is believing", allein, das ist heute kritisch zu hinterfragen. "Menschen müssen lernen, dass man sich im Grunde auf nichts verlassen kann, was man sieht...Was ich mit eigenen Augen gesehen habe, das glaube ich. Es wird ein langer Prozeß sein, bis sich ein gesundes Mißtrauen verbreitet hat. Und dann stellt sich die Frage, welches Misstrauen gesamtgesellschaftlich gesund ist." Die Weiterung ist nun auch, daß man sich fragen darf, ob nicht vieles nicht zu sehen ist, obwohl es so gewesen ist. Die Rückseite des Nichtbildzeigens.
Da mußte man sich zwischen den Gitterstäben hindurchquetschen.. | ||
Vielleicht gibt es diese Sinterformen noch.... | ||
In diese Höhle kommt man kaum hinein... |
Eng mit diesem Thema sind die Bilder verknüpft, die man unbedingt zeigen sollte. Klassisch sind ja die Photos aus den KZs oder von Polizeigewalt: "I can't breathe". Aber die Welt ändert sich dadurch noch lange nicht, vielleicht schrittchenweise, wenigstens für einige Zeit.
Ladstattschacht / Kleines
Walsertal / Vorarlberg / A
Literatur:
Barnes, Julian | Kunst sehen, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2. Auflage 2020 |
Fulghum Robert | All I really need to know I learned in kindergarten, |
Werner, Kathrin | Dein Gesicht im Porno, Süddeutsche Zeitung Nr. 75, 31. März 2021, S. 16, Harpercollins Publishing, 1990 |
Links:
https://www.greenpeace-magazin.de/aktuelles/die-nicht-gezeigten-bilder
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |