Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das Erdstalltreffen 2008 im Kloster Strahlfeld
"Wenn du einen Ölbaum abgeklopft hast,
sollst du nicht auch noch die Zweige absuchen. Was noch hängt,
soll den FREMDEN, WAISEN und WITWEN gehören. Wenn du in einem
Weinberg die Trauben geerntet hast, sollst du keine Nachlese
halten. Sie soll den Fremden, Waisten und Witwen gehören. Denk
daran: Du bist in Ägypten Sklave gewesen. Darum mache ich es dir
zur Pflicht, diese Bestimmung einzuhalten.
Altes Testament, DEUTERONOMIUM 24,20-22
So "altes Zeug" hatte ich Gelegenheit zu lesen (das ich ja richtig für sozialrevolutiorär halte! - man denke nur an die moderne Form davon, das sog. HARTZ IV!), in der BIBEL, die in jedem Zimmer ausgelegt war, als ich vom 3. bis zum 6. Oktober fand nun schon zum x-ten Male im Kloster Strahlfeld das alljährliche Erdstalltreffen besuchte. Allein wegen solcher "Funde" ist ein Besuch dieses beispiellosen Treffens jedem zu empfehlen.
Regine Glatthaar, unsere langjährige, sehr verdiente Vorsitzende, erzählte bei ihren Eröffnungsworten ein wenig aus der Frühzeit dieses Treffens, das ja ursprünglich nur aus einem einzigen Samstagnachmittag im Kreise ganz weniger Leute um Herrn Schwarzfischer bestanden hatte. Es entwickelte sich langsam immer weiter bis zu der heutigen, inzwischen schon sehr bewährten Form.
Für Freitag, den 3. Oktober, war eine
Vorexkursion am Nachmittag ins Museum Walderbach mit dem Nachbau
eines Erdstalls angesetzt. Ab 17 Uhr war Vorstandssitzung, um 18
Uhr Abendessen, ab 19.30 Uhr dann im Theresiensaal die
Begrüßung und Einführung durch Regine, eine Diareihe mit alten
Fotos von Herrn Schwarzfischer, vorgestellt von Regine. Von der
Tagung 2007 berichtete Peter Forster mit Dias, und zum Abschluß
zeigte ich Fotos der 2006er und 2005er Tagung in Strahlfeld vom
Laptop mit Beamer. Vielleicht klingt das harmlos, aber was ich
gezeigt habe, das brachte wohl manchen schon an die Grenze
dessen, was er noch akzeptieren wollte. Denn "Schärfe"
und "Klarheit" war da oft gerade absichtlich nicht
gegeben, was dann, zugegebenermaßen oft gerade nicht zu
"Sicherheit" und "Ambiguität" führt. Aber
aber gerade ist ja besonders in der Erde zuhause - hat halt noch
nicht das "Licht" erblickt oder nur zu Bruchteilen und
das führt halt zu ungewissen Gestaltungen in Raum und Zeit.
Das dauerte dann so bis 10 Uhr, und es wurde langsam Zeit, sich
in die schönen Zimmer zurückzuziehen. Die Schlafplätze waren
bei den 45 Teilnehmern an der Tagung schon richtig knapp, so daß
schon ein paar Leute im nahen Wirtshaus auf der anderen
Straßenseite des Klosters übernachten mußten.
Der Samstagmorgen war sonnig und frisch. Im schmalen Gang vor den Speisezimmern wartete schon, musikumplätschert, das üppige Frühstück auf uns Teilnehmer. Was das Herz begehrt, war da in vollem Ausmaß ausgebreitet. An den großen Tischen sitzend entwickelt sich dann immer gleich ein Gespräch mit den immer wieder wechselnden Tischnachbarn. Eine ideale Gelegenheit zu etwas, was auf englisch "to unwind" heißt.
Um 9 Uhr vormittags saß dann die inzwischen auf
rund 60 Personen angewachsene Zuschauergruppe und lauschte zuerst
dem Vortrag von Peter Forster und dann noch von Dr. Martin Hartl
zu. Peters Thema waren "Recherchetouren" und was er
bot, war sehr spannend. Er hatte im Jahr zuvor in den Landkreisen
Pfaffenhofen an der Ilm und Schrobenhausen und in der Südlichen
Frankenalb nach unterirdischen Anlagen geforscht, auch in der
Hoffnung vielleicht auf noch unbekannte Erdställe zu stoßen. Es
gibt eine Menge von Sagen über unterirdische Gänge an
bestimmten Orten, man muß ja nur im Schoeppner nachlesen, und
eine Menge von denen haben ja eine reale Grundlage. So geriet er
dann in alle Lager- und Eiskeller, Wasserableitungen, sogar eine
Champignonzuchtanlage war darunter. Eine spannende Reise war das.
Am Ende kamen dann auch paar richtige Erdställe im
Eisensandstein in Region um Velburg und das Weiße Labertal vor.
Ein Mann der Praxis hatte uns ein einen sehr zuhörenswerten
Vortrag geliefert.
Der nächste Vortrag hatte zwar überhaupt nichts mit Erdställen
zu tun, waren aber doch höchst lehrreich. Dr. Hartl berichtete
von Kanaten im Iran. Kanate sind unterirdische Anlagen zu
Bewässerungszwecken in wüstenartigen Gebieten. Das von den
Bergen unterirdisch in den Schuttmassen des Landes davor
verschwindende Wasser wird auf halbem Wege abgeleitet und in
einem meisterhaft geführten Stollen wieder zu Tage gebracht. Um
das Material leichter bergen zu können, werden unterwegs alle 50
m senkrechte Schächte gegraben durch die das Gestein mit Haspeln
hochgezogen wird. Das sind reinste Zweckbauten und bergen
keinerlei "Geheimnis". Trotzdem sind die kluge
Konstruktionen auch aus ökologischer Sicht, weil sie auf die
langfristige Versorgung mit Wasser eines Landstrichs ausgerichet
sind. Die moderne Zeit nimmt darauf keine Rücksicht mehr. Es
werden heute einfach Bohrlöcher gesetzt bis hinunter auf den
Grundwasserspiegel, ein Dieselaggregat wird dazugestellt und los
geht es. Viel größere Mengen Wasser können heraufgeholt werden
- kurzfristig, aber mit der Folge, daß in der Tiefe der
Wasserstand zurückgeht mit unabsehbaren, wohl aber sehr
negativen Folgen. Wir bekamen auch einen guten Einblick in
dieses, den meisten von uns sicherlich sehr fremde und ferne Land
und die Zeit verflog nur so. Ein kurzer Einblick in die
Erdställe von Viechtach, wohin unsere Nachmittagsexkursion uns
führen sollte, beendete die gelungene Vormittagssession.
Wir fuhren mit dem Bus ab 13 Uhr vom Kloster gemeinsam nach einem dieser genußvollen Mittagessen in Strahlfeld los. Wir waren aber inzwischen soviele Leute schon, daß er gar nicht mehr reichte und ein paar Leute mit dem eigenen Pkw nachfahren mußten. Unterwegs, nach einer Abzweigung bei Cham, sahen wir eine junge Frau neben ihren kleinen Gefährt in tiefen Graben neben der Straße. Sofort war der Kommentar zu hören: "Frauen und Autos..." In Viechtach wurden wir direkt am Marktplatz abgeladen und hatten dort eigentlich bis 18 Uhr Zeit, um uns alles anzuschauen. Details darüber sind auf meiner Webseite über die Erdställe in Viechtach zu lesen. Da natürlich nicht alles so lief, wie es eigentlich geplant gewesen war, und das Wetter sich verschlechtert hatte, d.h. es regnete ab und zu ganz kräftig, war der Vorschlag, doch schon um 17 Uhr wieder mit dem Bus zurückzukehren, ein von allen Teilnehmern akzeptierter. So kamen wir eher zurück, konnten uns von dem auch hier kräftig vorhandenen Dreck gut reinigen, noch ein wenig Einkehr halten, früher mit dem Essen beginnen und auch der Beginn der Abendhauptveranstaltung konnten noch vorverlegt werden.
Den Abend begann Thomas Striebel mit einem
Vortrag über ein rätselhaftes unterirdisches Objekt in
Bayreuth. Trotz vieler Bilder und eines Videosfilms blieb
letztlich alles im Dunkeln. Warum bauen Menschen nur solche
Anlagen? Waren das Wasserstollen? Wenn nicht, was dann? Auch die
Fragerunde brachte wenig Klarheit.
So ging es dann weiter mit zwei Videofilmen, die das Bayerische
Fernsehen für sein Abendprogramm mal produziert hatte. Einmal
bekamen wir die vernebelte herbstliche Oberpfalz zu sehen, wo
Christine mit einem Radl ins Bild kam, es hinstellte, weiterging,
einen Hang hinabging und auf einmal verschwunden war - wohin? In
ein Schrazlloch, in diesem Fall den Erdstall von Radmühle.
Eingeblendet zwischen Aufnahmen von mystisch mit Kerzer
erleuchtete Erdstallbilder waren fachkundige Erläuterungen
unseres Wissenstandes über diese geheimnisvollen Objekte. Der
zweite Film zeigte die Region um den Seehamer See in Oberbayern
und in diesem Zusammenhang wurden auch die Reichersdorfer Gänge
miteinbezogen. Ein schöner Film war das!
Ich lenkte die Aufmerksamkeit des wohl schon 70köpfigen
Publikums für nicht einmal eine Minute auf ein kurzen Video, das
ich 2005 mal auf einem Erdstalltreffen gemacht hatte: Dorothée
Kleinmann beim Singen des "Erdstallliedes". Wie ich
hinterher gehört habe, gibt es auch eine Langversion davon, aber
was haben solche Streifen für einen Wert, wenn man sie nicht
mitbringt und zeigt? Jedenfalls wars köstlich und wir hatten
unseren Spaß dabei.
Dann kam noch ein Highlight, nämlich die Erstausstrahlung des Film "Das Labyrinth" in diesem fachkundigen Kreis. Das ZDF hatte als Pilotfilm für eine weitere Fernsehserie im kirchlichen Milieu die Erdställe in den Mittelpunkt gerückt. Vollkommen überzogene und von keinerlei Kenntnis wirklicher Verhältnisse getrübte Szenen wechselten sich ab. Ein Prälat war ermordet worden, ein Wissenschaftler war verschwunden, später wurde er dann auch tot im Erdstall noch gefunden, der trouble shooter aus Rom kommt, wird begleitet von einer bayrischen Polizistin, und die beiden lösen den Fall. So wird mit der Hacke auf einen Acker in der Gegend des Heizkraftwerks im Münchner Norden von dem Kirchenmann auf die Erdoberfläche geschlagen - und sofort bricht eine kreisrunde Fläche von einem Meter Durchmesser ein. Sie steigen ein, finden Tunnels, in denen sie einfach dahinwandern, in einer Größe, die gerade nicht typisch für wirkliche "Erdställe" sind, aber egal. Am Ende gibt es sogar noch eine leuchtende Emmeransreliquie zu sehen, immer abstruser wird der Film. Der Showdown kommt, als die unbekannten Bösewichter beginnen mit Beton das Lochproblem zu stopfen, aber dann eben doch nicht komplett siegen. Eine angebetonierte Kommissarin und ein kirchennaher Robin Hood, ebenfalls im Leichtbetonmantel, stürmen ins Büro des frisch gekürten Kirchenoberen am Ende und sorgen für die ersehnte Gerechtigkeit auf dieser Welt. Der Film ist ein echtes Zeitdokument für unser medienschwindsüchtiges Zeitalter in dem nur die Zuschauerquote und der schnelle schlechte Genuß zählt, weniger all das, was halt "wirklich" ist. Gibt ja wenig her für "geile" Bilder.
Der Saal leerte sich nach dem Film immer mehr, aber ein steinharter Kern hielt noch bis nach Mitternacht in schwach erleuchteten Theresiensaal aus.
Der nächste Morgen war traumhaft herbstlich. Ein
goldfarbiger Sonntag, begonnen mit einem üppigen Frühstück,
eingenommen im Kreise lauter netter Leute. Liegt der
Altersdurchschnitt schon über 50 Jahre? Könnt schon sein,
Kinder würde man hier vergeblich suchen.
Um 9 Uhr begann die Vortragsfolge mit einem Highlight. Heinrich
Kusch berichtete von den Fortsetzungen der Forschungen im Gebiet
um Vorau in der Oststeiermark. War da vor Jahren noch praktisch
gar nichts bekannt, zeigt sich jetzt, daß man einfach noch nicht
nachgeschaut hatte. Ein rätselhafter Zettel in einer eisernen
Kugel im Gebälk eines Bauernhauses war der Auslöser gewesen -
und bestätigt immer mehr das, was dort aufgezeichnet ist - ein
riesiges unterirdisches System von Gängen, die zwischen der
Klosteranlage und einigen Kirchen und Häusern einmal angelegt
worden ist. Gerade mal 2 Jahre dauern jetzt die Forschungen und
so sind sehr sehr viele Fragen einfach noch offen. Und immer neue
Überraschungen kommen zum Vorschein: dort liegt auch das
österreichische "Stonehenge" mit gewaltigen
ortsfremden Steinhaufen, oft auch bearbeitet. Wozu schaffte man
diese Steine hierher? Wann war das? Lauter Fragen. Ich hörte
besonders gut hin, als das Stichwort "Lochsteine" fiel.
Es soll ein paar davon dort geben, die ein direkter Hinweis auf
direkt darunter verlaufende Gänge sein sollen. Wer grub sich da
durch den Untergrund und warum? Anschließend gab es eine kurze
Diskussion, wobei harte Zweifel an der
"Wissenschaftlichkeit" mancher Aussagen laut wurden,
schließlich wurde ja auch mit dem Einsatz der Wünschelrute
gearbeitet.
Am Schluß bildete noch der jährliche Bericht von Edith Bednarik
über ihre Forschungen im vergangenen Jahr in Niederösterreich
einen abschließenden Höhepunkt. Akribisch untersucht sie
Hinweis für Hinweis, mal alt, mal neu. Zutage kommen meist nur
kleine Fragmente, aber immerhin. Erdställe sind da keine
Seltenheit, überhaupt nicht. Aber die Kernfrage, was es denn mit
ihnen nun wirklich auf sich hat, sind wir der wirklich näher
gekommen?
Am Ende gingen wir erst einmal wieder zu einem richtig köstlichen bayerischen Mittagessen - eine Grießnockerlsuppe, einen Schweinebraten mit Semmelknödeln, Gelbe Rübengemüse, a Nachspeis - über. Dann wurde noch einmal zusammengesessen und fürs nächste Jahr geplant. Der Ort steht schon fest: Strahlfeld.
Kommentar eines Tagungsteilnehmers zum Schluß: "Ich geht doch lieber in richtige Höhlen..."
Beginn mit dem Abendessen | ||
Am Eröffnungsabend Regine hinter dem Projektor und ein Schlupfloch in der Projektion - das Benchmarkobjekt der Erdställe |
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Oberhalb vom Kloster am Samstagmorgen |
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Ein Journalistin wollte Pressefotos machen und scheuchte dazu alle anwesenden Teilnehmer in eine Ecke des Raums | ||
Beim Kanatevortrag | ||
Samstagsmittags beim Warten auf den Bus nach Viechtach | ||
Unterwegs in der Höhe des Pfahls | ||
"Ausgespuckt" auf dem Marktplatz von Viechtach | ||
Während der Exkursion vor der Anna-Kapelle | ||
Abends bei der Vorführung des Sauerstoffatemgeräts Peter Forster und Ulrike Munninger in Aktionshaltung |
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Die Abendgesellschaft | ||
Der "Krimi" | ||
Die "Wahrheit" über den Film auf einem
Zeitungsausschnitt, ausgebreitet im Theresiensaal |
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Heinrich Kusch bei seinem Vortrag über schier
unglaubliche Entdeckungen in den Oststeiermark |
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Zuschauer und Vortragende - hier Edith Bednarik |
Schon vor dem Treffen gesichtet im Restaurant des "Hauses zur Wildnis" im Nationalpark Bayerische Wald
Einladung zur Tagung, Der Erdstall Heft 34, 2008 | |
Karner, Lambert | Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903 |
https://www.lochstein.de/erdstall.htm
http://www.kloster-strahlfeld.de/
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