Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das Erdstalltreffen 2009 im Kloster Strahlfeld
Unterirdische Objekte in/bei Saldenburg | |
Erdstall Kleinwiesen |
"Das Geheimnis der Erdställe konnte bisher
nicht zweifelsfrei gelüftet werden."
Von einer Internetseite, geöffnet von mir am 20. September 2009
Schnell können Traditionen wachsen und die jährlichen Erdstalltreffen sind inzwischen zu einer geworden - und daß sie im Kloster Strahlfeld stattfinden auch. "Gemeinsam alt werden", in diesen Spruch mußte ich denken, als wir bei bestem Herbstwetter wieder auf dem Parkplatz hinter den Klostergebäuden beim Garten nach einer Standfläche für das Auto suchen mußten. Alles voll, guter Besuch. Es waren zeitweise wohl 60 Personen, die sich eingefunden hatten. Erstaunlicherweise sind ja inzwischen auch schon etliche Jugendliche dabei, der Nachwuchs der alten Garde, die noch immer das Geschehen mitprägt, aber allmählich abtritt.
Ein wesentlicher Wechsel vollzog sich: Der Führungsstab des Arbeitskreises wurde nun zum zweiten Male weitergereicht. Die Nachfolgerin von Karl Schwarzfischer war Regine Glatthaar, und sie gab jetzt nach vielen Jahren verdienstvoller Arbeit das Amt an Dieter Ahlborn ab. Regine bleibt weiterhin als neu gekürte Ehrenvorsitzende dem Verein verbunden.
Der Freitagabend war zuerst einmal den
Vereinsformalien vorbehalten, die aber oft gar nicht so formal
über die Bühne gingen. Und vorher war die ausgezeichnete
Bewirtung im Kloster gewesen. Es wurde mir erzählt, daß in den
ersten Jahren, als die Tagungen in Strahlfeld stattgefunden
haben, das Essen eher so war, wie wir uns das
"Klosterleben" vorstellt haben, kärglich, sparsam,
wenig liebevoll. Aber dann kam eine neue Regie und alles wurde
freudvoller. Jedenfalls war das Essen fein, warm und kalt, um die
üblichen fünf Tische versammelten und organisierten sich die
Gäste und alle gingen voll zufrieden in den großen
Souterainraum, wo seit vielen Jahren jetzt schon die
Erdstalltreffen stattfinden. Und nicht nur diese. 1996 sind wir
schon mal mit Höhle-Religion-Psyche auch dort gewesen!
Regine Glatthaar erzählte von 35 Jahren
"Erdstalltagungen" und fand oft einen sehr humorvollen
Ton, der ja oft am nähesten an dem ist, was vielen Menschen als
"Wahrheit" zugänglich ist. Wer mehr wissen möchte,
der muß sich einfach die Arbeit machen, die früheren
Erdstallhefte durchzulesen, da steht so vieles drinnen, wenn halt
auch nicht alles. Am Ende wurde ihr der
"Erdstall-Oscar" überreicht, eine Kopie der Figur am
Eingang in den Erdstall in Reichersdorf, hervorragend gefertigt
von Andi Mittermüller.
Dann fanden die Vorstandswahlen statt, ein demokratisches Ritual, das souverän über die Bühne ging. Am Ende gab es einen neuen Vorsitzenden, einen neuen Stellvertreter und etliche andere Positionen waren mit Personen neu besetzt. Auch neue Leute wurden kooptiert als Beisitzer, u.a. auch ich!
Einen schönen Schluß bildete der Vortrag von Andi Mittermüller über die Arbeiten an der Erdstallausstellung in Grafing und in Verbindung damit, der neue Film des Bayerischen Fernsehens über Erdställe. "Wird heute den Erdställen ihr Geheimnis entrissen?" hieß es im Film, als es um die Bohrung in eine Kirchenmauer auf der Suche nach einem vermuteten Hohlraum ging. Es geschah da nicht und auch im folgenden Verlauf der Tagung nicht. Das Rätsel bleibt eines.
Wer aufmerksam ist noch für die Sprache der Glocken, der zählt mit. Und als sie 7 Uhr 30 geschlagen hatten, dann war die Zeit, daß man sein Frühstück einnehmen konnte. Die Schwestern im Kloster sind auch nicht "auf der Brennsuppn daher geschwommen" und präsentierten uns auch das Frühstück "zeitgemäß". Vögel zirpten vom Band, während wir uns zwischen den diversen Müslisorten, dem Orangensaft und den diversen Wurst- und Käsesorten durchentscheiden mußten. Dann die Qual der Wahl, an welchem Tisch wir uns denn hinsetzen wollten oder konnten. Und dann lief es....Solche Tage können einfach Geschenke sein, herrliche kleine Momente, die passieren. Oft sind es ja nicht die "GROSSEN WORTE", sondern die ganzen einfachen. Es sind die Leute, zu denen man hingeht oder von denen man wegbleibt.
Der Vortragsreigen des Tages begann mit Edith Bednarik: Erdställe in Niederösterreich. Souverän erzählte sie von Erdstallforschers Leid und Freud. Alle Aussagen hatten Hand und Fuß und wurden anschaulich mit Bildern und Folien, auf denen die Pläne der Erdställe zu sehen waren, begleitet. Am Ende stellte sie den Besitzer eines Erdstalls in Gaweinstal in Niederösterreich vor, der auch selber anwesend war. Mit sehr großem Engagement hat er sich dem Objekt auf seinem Grund angenommen, es ausgegraben und liebevoll restauriert. Großer Beifall des Publikums am Ende.
Nach einer kurzen Pause ein zweites Highlight: Heinrich Kusch: Tore zur Unterwelt. Heinrich, seine Frau Ingrid, und einige Helfer sind ja seit ein paar Jahren offenbar einer großen Sache auf der Spur. In einem Winkel der Steiermark, dem bislang nur ganz wenig Beachtung geschenkt worden war, scheint sich ein archäologisches Wunderland zu öffnen. Vom "Stonehenge in der Steiermark" war da die Rede, von einem rätselhaften Plan in einer hohlen Kanonenkugel auf dem ein gewaltiges Gangsystem eingezeichnet sein soll, von intensiven Bemühungen in diese Gänge und Räume vorzustoßen, auch mit Hilfe eines richtigen Bohrgeräts und mit Baggern. Man hat gemauerte unterirdische Gänge gefunden, die tonnenschwere Deckplatten aufweisen, die noch rätselhafter wirken als unsere Erdställe. Man sind sehr skeptisch gegenüber dem allen, stellen Ergebnisse von "Mutungen", also Untersuchungen mit Hilfe von Wünschelruten, sehr in Frage. Wer mehr darüber erfahren will, für den gibt es jetzt das neue Buch der Kuschs "Tore zur Unterwelt", das sich etliche Besucher der Tagung mit nach Hause genommen haben. In 2 Jahren soll ja eine Erdstalltagung im Raum Vorau stattfinden, dann werden wir ja alle erleben können, ob aus "ungläubigen Thomasen" Bekehrte werden.
Über das Mittagessen zu schreiben ist müßig. Man sollte es gegessen haben! Die Küche ist in Strahlfeld in den letzten Jahren einfach zu loben.
Der Nachmittag begann mit einem Vortrag zu einem Thema, das nur am Rande mit Erdställen zu tun hatte, "Heidnische Kulte im römischen Bayern", gehalten von Karl Wilhelm. Erst ganz zum Schluß bekamen wir eine Powerpointfolie zu sehen, die dem Erdstall in Reichersdorf gewidmet war. Wesentlich war einfach, daß uns einmal der "Kultbegriff" sehr viel näher gebracht wurde, der ja in der "Kulttheorie der Erdställe" da herrlich unbestimmt herumspukt. Es war ein Genuß dem ausgezeichnet gegliederten, treffend bebilderten und mit einem gesprochenen Kommentar von hoher Güte versehenen Vortrag zuzuhören.
Zwei Programmpunkte umfaßte noch das Programm am Nachmittag. Michael Läntzsch hatte sich viel Arbeit gemacht und das gesamte Handwörterbuch des Aberglaubens nach dem Stichwort "Erdstall" und verwandten Begriffen durchgelesen. Das Ergebnis: Null. Auch in verwandter Literatur war er praktisch nicht fündig geworden. So ein Befund läßt sich natürlich unterschiedlich interpretieren: Das Phänomen war so bekannt, daß es niemand für auszeichnungswert befunden hat, oder es war so geheim, daß keiner etwas davon gewußt hat, oder.....
Für die "Münchner Gruppe" sprach anschließend Dieter Ahlborn und berichtete von neuen Erdstallforschungen in Südbayern. Auch hat sich einiges getan und die Ergebnisse wurden vorgestellt.
Am Abend ging es dann noch einmal hoch her. Josef
Weichenberger trat in die Arena und hielt einen Vortrag mit dem
Titel: "Eine Analyse der Erdstallkulttheorie aus
pragmatischer Sicht". Das war eine fundierte tour d'horizon
durch die gesamte Geschichte der Erdstallforschungen und wo sie
heute steht. Die sog. Fluchttheorie liegt am Boden, weil sie bei
der Baustruktur der Anlagen keinen Sinn macht, und Zitate aus
Kirchenbüchern, daß sie in aus späteren Jahrhunderten stammen,
und die zeigen, daß sich dort später Menschen versteckt haben,
sagen gar nichts über die Motive der Erdstallerbauer aus. Mit
der "Kulttheorie" hat es natürlich aus sein Kreuz,
denn was ist denn schon "Kult", und wenn ja, welcher?
Da hat es ja wirklich die abstrusesten Konstrukte schon gegeben,
von den Außerirdischen bis zur Sexualmagie. Durch die
Datierungsergebnisse einiger Funde aus wenigen Erdställen meint
man heute, das Entstehungszeitalter der Erdställe in die Zeit
zwischen 1000 und 1200 n. Chr. heute eingrenzen zu können. Ob es
aber wirklich stimmt, wer weiß das schon. Auch die neueste
Interpretation als Zwischenreich für die Seelen Verstorbener von
Anton Haschner wurde erwähnt und einer kritischen Prüfung
unterzogen.
Dann wurde es Zeit für die Diskussion und da ging es heiß her.
Ein Beiträger forderte neue Interpretationsideen und genau das
scheint mir elementar wichtig zu sein. Tatsächlich scheint die
Diskussion festgefahren und ist im Grunde nicht weiter, als vor
35 Jahren der Erdstallverein begann, sich Gedanken über die
Entstehung zu machen.
Abweichend von der zeitlichen Gestaltung der
Erdstalltreffen war diesmal die Exkursion nicht am
Samstagnachmittag. Sie wurde diesmal als Ganztagesexkursion am
Sonntag abgehalten. Das hatte gute Gründe, denn die Objekte
liegen alle in der Nähe von Passau und das ist erst in 1
1/2stündiger Fahrt von Roding her zu erreichen. Außerdem hatten
die österreichischen Freunde dann schon einen bedeutenden Teil
ihres Rückwegs schon hinter sich und mußten die Strecke nicht
zweimal fahren.
Anfangs hatten wir noch nebliges Herbstwetter, aber gegen Mittag
klärte sich alles auf und ein herrlicher Spätsommertag machte
den Aufenthalt im Freien zum Genuß. Es ging zuerst nach
Saldenburg, wo der Felsengang in der Weiherstraße und der
Erdstall im Keller des Gasthofs Klessinger besucht wurden. Das
war alles so geschickt zeitlich gelegt, daß wir hier auch das
ausgezeichnete Mittagessen einnehmen konnten.
Danach ging es hügelauf und hügelab durch den Bayerischen Wald
bis nach Kleinwiesen. Dort ist ja mitten im Ort unterhalb der
Hauptstraße ein Erdstall, den wir schon einmal 1999 bei einer
Erdstalltagung besucht hatten. Alles war bestens vorbereitet, die
halbe Straße mit Warnschildern blockiert und so konnte das
übliche Erdstallbefahrungsritual von vielen vollzogen werden. Am
Ende konnten dann noch die Erdställe in Kellberg besucht werden.
Wegen des weiten Wegs war für uns in Kleinwiesen vorzeitig Schluß und ich verabschiedete mich mit einer etwas bissigen Bemerkung: Mir würde es jetzt einfach reichen, denn die ganzen Erdställe seien im Grund doch alle ziemlich gleich. Da müsse man gar nicht alle anschauen. "If you have seen one, you have seen them all." - oder etwas nicht, nicht ganz, aber fast. Und klüger, warum es diese in die Erde gebauten Rätsel gibt, bin ich auch nicht geworden. Vielleicht beim nächsten Mal. Sie haben einfach eine magische Anziehungskraft.
Nächstes Jahr wird das Erdstalltreffen natürlich wieder stattfinden, aber mal wieder woanders als immer in Strahlfeld. Edith Bednarik organisiert es im Waldviertel und darauf dürfen wir uns heute schon freuen.
Bilder von der Exkursion
Kleinwiesen | ||
Klessinger | ||
Saldenburg | ||
Text vor der Veranstaltung:
Es wird wieder im Kloster Strahlfeld stattfinden.
Wo sonst denn, frägt sich der langjährige Besucher? Es ist sehr
bequem, dort immer wieder hinzugehen. Früher haben die
Veranstaltungsort immer wieder gewechselt, was aufregender war,
aber halt für den/die Organisatoren auch riskanter und
mühsamer. Aber es gibt ja Pläne, auch wieder mal wo anders
hinzugehen, in die Steiermark zum Beispiel. Dann wird es
sicherlich ganz schnell wieder viel neuen "Zündstoff"
fürs Nachdenken über diese absolut rätselhaften Hohlräume in
unserem Heimatplaneten geben.
"Vernünftig" im Sinne der Maximierung des Nutzens
jedes einzelnen Menschens, das Kernziel eines jeden echten
Kapitalisten und damit der Führungsfigur unseres derzeitigen
Wirtschafts- und damit des sich darunter einordnenden
Politiksystems, war das, was die uns noch vollkommen unbekannt
gebliebenen Menschen uns nachgelassen haben, wohl überhaupt
nicht. Jedenfalls, solange man den "von den herrschenden
Kräften" hochgehaltenen Vernunftbegriff nimmt.
Wer spricht da schon von "Liebe", "Vertrauen", "Verläßlichkeit". Von einem "pact between the dead, the living and the unborn"? Edmund Burke hat das mal getan. Ich kenne keinen entsprechenden Ausdruck in unserer deutschen Sprache, der eine ähnliche Dimension auch nur angedeutet hätte. Wir haben da nur ein paar seltsam strukturierte Hohlräume in der Erde vor uns, meist vollkommen leer.. Was soll das? Selbst gründlichste Recherche hat kaum was ergeben. Wie wunderbar!
Gäbe es etwas Langweiligeres, als wenn jemand wirklich, "das Rätsel der Erdställe" gelöst hätte? Versuche dazu hat es ja schon zahlreich gegeben, aber dank der unverständlichen Handlungsweisen unserer Vorfahren ist es uns immer noch nicht wirklich gelungen, uns deren Handeln zu erklären. Danke, wir suchen weiter....
Einladung zur Tagung, Der Erdstall Heft 34, 2008 | |
Karner, Lambert | Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903 |
https://www.lochstein.de/erdstall.htm
http://www.kloster-strahlfeld.de/
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