Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

HÖPHO 2004


"In der Avantgarde ging es immer darum, wer das letzte mögliche Kunstwerk macht - und das in allen Varianten. Die Fotographie hat das Glück, dass es immer ein nächstes Bild gibt, das nicht wie das vorherige aussieht. Es endet niemals." Jeff Wall in einem Interview mit der SZ / 24./25. Mai 2003 Nr. 119


Für unser langsam in die Jahre kommendes Höhlenfotographentreffen, das heuer sein 25tes Jubiläum feiern konnte, hatte ich mir so ein "letzes mögliches Kunstwerk" ausgedacht - das "Schwarz-Projekt", das aus 100 rein schwarzen Fotos besteht. Es geht nicht mehr zu überbieten. 200 sind nicht besser und 500 schon gar nicht. Das war ein extremer Extrempunkt. Andere hatten solche Bildideen nicht gesucht, eher in Richtung auf eine vollendete Ästethik, die wir auch zu sehen bekommen haben.

Das Jubiläumstreffen fand vom Freitag, den 5. März, bis Sonntag, den 7. März wieder einmal auf dem Spötzlhof bei Wasserburg statt. Immer wieder hörte ich während der Tage dort die Anmerkung, daß es sich um einen idealen Ort für eine solche Veranstaltung handeln würde, und das ich ziemlich wahr.

Für die Leute aus dem Münchner Raum ist der Ort beinahe ideal, liegt er doch gar nicht so weit entfernt im Osten der Landeshauptstadt. Freitag nachmittag fuhr ich mit Otto Schedel gemütlich, erst auf dem Autobahnring und dann auf der Wasserburger Strecke, bei starkem, aber nicht stauendem Verkehr, die untergehende Sonne im Rücken habend, dorthin. Warum auch? All diese komische Hektik, die uns als angeblich notwendig vorschoben und vorgegaukelt wurde und wird. Am Ende kommt dann doch nur noch nur die nächste Arbeitszeiterhöhung heraus, die angeblich schon wieder notwendig ist, weil sonst unser Land endgültig vor alle Hunde geht, so von der CSU dargestellt - und bald darauf auch offiziell "durchgesetzte" Situation, die von einem oppositionellen und damit wohl auch nicht "beförderten" Vertreter meiner Lehrer-Profession ausgezeichnet mit den Worten beschrieben worden ist: "Ihr könnt zwar unseren Arsch, aber nicht unser Herz hereinverpflichten".
An der Straße stand wieder das handgemalte farbige Hinweisschild auf das HÖPHO, auf dem nur die 0 von 2000 weggemacht worden war und durch eine 4 ersetzt war. Einiges hatte sich auf dem Gelände geändert. Aus dem Bauernhaus war ein Saunazentrum geworden, hinterm Haus gabs mehr geschotterte Parkplätze, an einem Stadeltor stand "Alois Spötzl - Fahrzeugbau". Ruhig war es immer noch. Günther Forstmeier war schon da, räumte gerade den Kühlschrank mit Weißbier voll, wir halfen ihm dabei. Was für ein Ort der Ruhe, ja Kontemplation!

Langsam trudelten noch mehr Höpho-Teilnehmer ein. Um den großen Tisch im Aufenthaltsraum wurde es allmählich geschäftiger. Kaffee gabs, Kuchen tauchte auf, abends gabs dann schmackhafte Käsespätzle mit Trockenzwiebeln. Gegen 9 Uhr gings dann endgültig los. Auf der Etage oberhalb ist ja inzwischen im Raum des ehemaligen Stadels und der Werkstatt ein richtiger Vortragsraum entstanden, den wir nun in Beschlag nahmen. Ein Holzofen spendete angenehme Wärme. Den Trubel der Welt konnten wir endgültig vergessen. Günther Forstmeier zeigte Fotos vom letztjährigen HÖPHO im Römersteinhaus bei Donnstetten auf der Schwäbischen Alb und insbesondere von der Fototour in die Schillerhöhle. Tom Fürtig schloß sich mit dem gleichen Thema daran an, dann zeigte Günther noch einmal Schuber um Schuber von Bildern von Frankreich- und Triesttouren. Vor lauten verdrehten Kalzitformen hätte einem richtig schwindlig werden können. Tropfsteine, Tropfsteine, Tropfsteine. Als Kontrast dazu hatte ich einen Vortrag über die Höhlen des Untersbergs bei Salzburg dabei, wo eine solche Erscheinungsform des Steins eher eine rare Ausnahme ist. Hier ist eher das Reich nackten Felsens. Von der neu dazu gestoßenen Truppe von der Aachquellhöhlenforschung bekamen wir mindestens 1 Bild zu sehen - ein außergewöhnliches, zugegebenermaßen. Im Salle du Pilier in der Malatiere aufgenommen - der Dampf vom Fotographen, vermischt mit zufälligem Schattenwurf an der Felswand, führte da zu einer etwas grusligen Erscheinungsform: ein Totenschädel schien sich da in der Höhle abzuzeichen mit seinen leeren Augen-, Nasen und Kieferhöhlen. Es blieb einige Zeit stehen, um sich darüber wundern zu können.

Vor Mitternacht war dann Schluß mit Buildn, die Helden krochen in die Schlafsäcke oder arbeiteten noch an ihrem Durst im Aufenthaltsraum. Alle fanden irgendwo ihr Plätzchen im Haus, in ihren VW-Bussen draußen, in der Sauna oder im Vorraum von der Toilette. Zwei Frischluftfanatiker legten sich gleich ins Freie neben den Schnee.

Der nächste Morgen begann mit einem Vier-Sterne-Frühstück. Daran gabs nun gar nichts zum Aussetzen. Frische Semmeln lagen zuhauf auf dem Tisch. Und am Belag wurde nun überhaupt nicht auch gespart. Das dauerte, war aber halt typisch für die gute Atmosphäre, die herrschte. Vormittags fuhren wir in 4 Autos Richtung Elkofen, um dort den Wassergang zu machen. Vor etwa 150 Jahren war er geschaffen worden, um einen See zu entwässern, und dazu hatte man das Konglomeratgestein bergmännisch bearbeitet. Ein Bach verschwindet auf der einen Seite in einem anfangs nur gebückt begehbaren Stollen und kommt auf der anderen Seite des Hügels wieder zutage. Gummistiefel waren absolut anzuraten, weils sonst nur nasse Füße gegeben hätte. Am Ambiente im Stollen hatten echten Höhlencharakter, es war stockdunkel drinnen, so daß man richtig Licht brauchte, niedrig wars, so daß manchmal vielleicht schon Kreuzweh vom Durchgehen kriegte, und feuchtkalt wars wegen des Baches auch. Am Ausgang schmückten Eiszapfen die Decke, die wegen der dort herrschenden Kälte sich gebildet hatten. Eine halbe Stunde dauerte das ganze Unternehmen, dann waren die Matadore hungrig und es ging in die Schloßwirtschaft von Unterelkoven, in der wir hervorragend aufgehoben waren. Ein Alarmruf ging herum, doch daran zu denken, daß es abends doch gleich wieder ein großes Essen gäbe, nämlich Gitti Spötzls Schweinebraten mit Knödel, aber das hielt viele nicht davon ab, auch hier kräftig zuzulangen.

Anschließend gings wieder zurück durch die spätwinterliche Voralpenlandschaft zum Spötzlhof. Eine Nachmittagskaffee gabs erstmal, Bleche voller Kuchenstücke tauchten schon wieder auf, schlechts gings uns wirklich nicht kulinarisch. Immer mehr Leute tauchten auf, so daß zu besten Zeiten mehr als 30 Personen da waren.

Als es langsam zu dunkeln anfing, gingen wir wieder hoch und begannen wieder mit dem Anschauen von Fotos. Südfrankreich war wieder so ein Schwerpunkt, Günther zeigte noch mehr seiner Fotos, Jens Römer hatte auch seine dabei, die Motive ähnelten sich, da sie auch gemeinsam weggefahren waren, aber jeder hatte seinen persönlichen Stile drauf, und wegen solcher Vergleichsmöglichkeiten waren wir ja auch gekommen. Diesmal gabs auch Fotos aus wunderbaren rumänischen Höhlen zu sehen, insbesondere der Altaralui, die vom Kristallschmuck her eigentlich nicht mehr zu überbieten sind. Als Grundthema sollten diesmal wieder "Vergleiche" im Vordergrund stehen und dazu hatte Tom Fürtig einen schon einmal gezeigten Vortrag noch einmal mitgebracht. Eine sehr gute Idee. Das ist immer sehr gut, wenn die Bilder nicht einfach nur so präsentiert werden, sondern mit einer Idee verbunden werden und man sie damit in geistige Zusammenhänge bringt. Tom hat alte Postkartenansichten mit aktuellen Fotos desselben Standpunkts nebeneinander projeziert. Die Darstellung der Veränderungen sind absolut umwerfend in vielen Fällen. Wie der Fluß in ein völlig neues Bett gezwängt wurde, wie die kahlen Hänge inzwischen wieder mit hohen Wald bewachsen sind und die Wiesenflächen verschwinden, Häuser mal da, mal weg oder heute ganz anders aussehen - ein Erlebnis das zu sehen. Der Höhepunkt waren dann die Vergleichsaufnahmen aus der Binghöhle. Da gabs gar nicht so wenige Tropfsteine, die auf einmal weg waren, und viele, die plötzlich dazu gekommen waren. Irgendwie unglaublich, wenn es nicht wahr wäre.

Feine Düfte kamen von unten. Der Schweinebraten war fertig und Knödel mit Kraut. Keiner ließ so eine Gelegenheit aus und brav wurde das köstliche Essen weggeputzt. Stefan Lang war eigens für den Abend aus der fernen Fränkischen Schweiz angereist und das war für uns alle alleine schon die Reise wert. Gesättigt begaben wir uns später wieder nach oben - nun sollte der Showdown kommen. Ein hervorragender Vergleichsvortrag zeigte uns einmal den Unterschied zwischen 6x6 und Kleinbildaufnahmen von Höhlen, aufgenommen mit Kodak und Agfafilm, nebeneinander projeziert. Die überwältigende Schärfe der 6x6-Aufnahmen war schon umwerfend, allerdings war die blaue Kühle des Kodakfilms nicht immer das gelbe vom Ei. Manfred Kornherr zeigt auch noch Tropfsteine von der Ardeche, Klaus-Jürgen Fritz drei vertonte 6x6-Diaschauen über Salzbergwerke, mystisches Licht und eine Schau, in der Formen in der Höhle mit solchen an der Erdoberfläche kontrastiert wurden - alles highlights des Abends. Stefan brachte anschließend noch ein echtes Schmankerl, eine 6x6-Überblendungsschau, in der kontrastierend miteinander Höhleneis- und Tropfsteinformen ineinander übergingen und wechselten. Das war wirklich vom Feinsten, richtig schon Kunst, die Dinge zeigte, die man in der Wirklichkeit gar nicht sehen kann, aber halt in diesem Spiel der Formen ganz Neues zum Vorschein bringt. Zum Abschluß machte ich noch einen Versuch, der wohl auch recht gelungen ist. Vor 20 Jahren, beim HÖPHO-Treffen am Walchensee, hatte ich es schon einmal gemacht, aber dann erschien immer der Aufwand zu groß: 3 6x6-Dias nebeneinander zu zeigen. Das Grundthema war das Wasser in der Höhle, wie es verschwindet, seinen Weg durch die Unterwelt findet und am Ende wieder zu Tage tritt. Drei Projektoren bester Qualität standen zur Verfügung, eine Riesenprojektionsfläche, Raum zum Aufbauen - Ergebnis: recht gelungen. 1 Uhr früh wars dann schon, längst Zeit, um in den Schlafsack zu kriechen. Für einige Nachteulen dauerte der Abend aber noch bis 3 Uhr, wobei zuletzt auch noch eine Flasche Prosecco geöffnet wurde, damit wir auf 25-Jahr-HÖPHO anstoßen konnten.

Auch am nächsten Morgen dauerte das Frühstück viel länger, als üblich, weils einfach zu gemütlich war und soviel nette Leute da waren. Manche Diaschauen sind so gut, daß man sie ja auch zweimal durchaus anschauen kann, und dieser Idee folgend haben wir uns zum Abschluß dann nochmals den Vortrag über die Salzbergwerke und die wunderbaren Salztropfsteine von Klaus-Jürgen angeschaut, untermalt von psychedelischer Musik, ....."Shanti, Shanti". Als es ans Zahlen ging, staunten wir. Das war wirklich ein sehr kostengünstiges und erlebnisreiches Wochenende für uns geworden.

Wir kommen wieder im nächsten Jahr.

Der Zugang von der Straße
Im Aufenthaltsraum
Freischläfer
Der Spötzlhof mit der Sauna rechts
 
Bei Elkofen
Der Eingang in den Wasserstollen
Im Wasserstollen
 
Das Festmenü
 
Im Projektionsraum
Beim Frühstück
Das obligatorische Gruppenfoto
am Ende des Treffens

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