Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhle - Religion - Psyche '99
HÖREPSY '99 ist vorüber, und das erfolgreich. 15 Menschen haben sich im Norden Thüringens in Sondershausen getroffen, gelernt, gefeiert, gelebt und gelacht.
Die Idee dazu, unser Jubiläumstreffen in der Mitte Deutschlands zu veranstalten, kam von Peter Hofmann, als er in der Reisebeilage der Süddeutschen Zeitung von einem bislang in Deutschland einmaligen Angebot gelesen hatte. Wo kann man denn sonst noch tief im Innern der Erde in einer Art Restaurant sitzen, essen und feiern. 700 Meter unter der Erdoberfläche? In Sondershausen im nördlichen Thüringen geht das. Peter und seine Frau Gabi organisierten alles ganz prima, wir brauchten alle eigentlich nur noch hinzufahren, uns einzuchecken, mitzulaufen und am Ende zu bezahlen.
In der Theorie. In der Praxis kam dann in der Hauptsache genau dieses heraus, aber an den Rändern gab es dann doch "Schwund". 2 unserer gemeldeten und gebuchten Teilnehmer kamen zum Beispiel ganz oder teilweise nicht, weil es halt doch immer irgendwo ganz entscheidend hakt, und das oft nicht in Kernbereichen, sondern an, auf den ersten Blick eigentlich ziemlich unwichtigen, Details.
So kam Horst-Dieter Scheufelen, ein Referent, auf den ich mich besonders gefreut hätte, nicht mit, weil er, auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit, in einem Telefongespräch mit den Läntzschs offenbar den Zielbahnhof, wo er hinfahren und sie ihn eigentlich mitnehmen wollten, nicht ganz verstanden hatte. Er stand dann eine halbe Stunde in "Lochham" und die anderen in "Lochhausen". Auf einmal bekam ich nachmittags von Michael einen Anruf, daß er jetzt losfahre, weil der "Scheufelen" einfach nicht aufgetaucht sei, und er und Carmina jetzt den Walter in Dachau abholen wollten und dann weiterfahren würden. Ich hatte mich mit Willi Adelung an der Raststätte Lonetal auf der Schwäbischen Alb gegen 3 Uhr verabredet, weshalb ich noch einen kleinen Zeitpuffer hatte. Ich versuchte die Adresse von Herr Scheufelen über Gabi Hofmann zu ermitteln, die eigentlich ja auch schon weg Richtung Thüringen sein wollte, aber nun plötzlich doch zuhause geblieben war, Gesundheitsprobleme. So half mir ihr Problem, ein bißchen mein Problem etwas zu erleichtern. Ich fuhr direkt noch nach Pasing zur Wohnung von Herrn Scheufelen, aber da rührte nix mehr. Er wartete nämlich am Bahnhof in Pasing noch ein bißchen. Aber woher hätte ich davon wissen sollen? Derweil gab es im Hintergrund ein großes Hin- und Hertelefonieren, wovon ich aber nichts mehr mitbekam. Am Ende blieb Horst-Dieter Scheufelen zurück in München - "Shit happens".
Eine andere kuriose Geschichte passierte mit Reinald Grüning, Urhörepsyler. Er war von Hardegsen nach Sondershausen gefahren, hatte in der Frühe die Einladung mit dem Tagungsort noch einmal gelesen, als er aber da war, wußte er den Namen nicht mehr. Er irrte ein wenig herum, fand nichts, was ihn zum Ziel geleitet hätte, und fuhr wieder heim - 200 km. Am nächsten Morgen war er wieder zum Frühstück da - im Thüringer Hof, wo er abends zuvor schon einmal gestanden hatte.
Solche kleine Vorkommnisse werfen aber halt das ganze geplante Vortragsprogramm über den Haufen - aber wir sind ja flexibel - was heuer nicht ist, das können wir ja auf nächstes Jahr verschieben!
Auf meinem Weg staute sich vor Augsburg in einer 12 km langen Autoschlange eine ganze Stunde lang der Verkehr. Was soll eigentlich das ganze Beschleunigungsprogramm, dem man unsere Welt heute unterwirft, wenn dann so aus dem Nichts heraus einfach alles zum Stillstand kommt? Ich hatte damit aber die gute Gelegenheit meine alte "DOORS"-Musik wieder zu hören - "COME ON BABY - LIGHT MY FIRE"....
Eine ganze Stunde später als verabredet traf ich dann tatsächlich auf Willi. Schnell war der Rest organisiert, ich ließ mein Auto irgendwo in der Südstadt Giengens zurück, Willi fuhr den Rest nach Thüringen hoch, ich korrigierte derweil 2 Englischschulaufgaben, gegen 9.30 Uhr trafen wir endlich im Thüringer Hof in Sondershausen ein.
Natürlich waren die meisten schon im rustikalen Tagungsraum im 4. Stock des Hotels versammelt, als wir anklopften und eintraten. Hufeisenförmig saß die Gruppe da, wobei mir gleich auffiel, daß da einige Gesichter waren, die ich noch nie gesehen hatte. Die "Neuen" sind oft das "Salz" in der Suppe, was auf unseren Fall wirklich zutraf.
Den ersten Vortrag auf unserer Jubiläumstagung hielt Monika Löffelmann. Sie hat ja Religionswissenschaften studiert und war deshalb prädestiniert, über die Höhle in einigen Religionen Asiens zu referieren, schließlich war das Motto unserer Jubiläumstagung "Die Höhle in den Weltreligionen". Sie begann mit dem Shintoismus und, nach einem Vortrag von Michael Läntzsch über die Höhlenbilder der Cumashindianer und einem anderen Highlight, stellte sie auch noch die Höhle im Taoismus vor. Viel, viel Arbeit hat sie sich dafür gemacht, gründlichstes Literaturstudium war dafür notwendig, die Arbeit müssen wir uns wohl nicht mehr machen, im Tagungsband können wir alles später auch wieder nachlesen. Das ist Knochenarbeit in meinen Augen gewesen, wo man weitergraben muß.
Das Überraschungshighlight dieses Abends war der Vortrag von Heinrich Kusch aus Graz über die" "Höhlen im Mittleren Murtals". Heinrich ist ein "cornerstone" auf dem Gebiet von "Höhle-Religion-Psyche", ausgewiesen durch sein Buch "Vom Zufluchtsort zur Kultstätte". (Gemäß des englischen Idioms, "the best is yet to come", würde ich dann weitermachen....zur "Luststätte"). Hier erzählte uns jemand von Höhlen und dem, wozu sie die Menschen benutzt haben, der mehr als sein halbes Leben dafür benutzt hat, diesen Zusammenhängen nachzugehen, schließlich ist er hauptberuflich Archäologe. Hier war endlich wieder einer und eine, seine Frau, die in mehr als Papier(korb)höhlen"....." waren.
Um die Mitternacht war Schluß mit Vortrag. Kleine Grüppchen machten weiter, begleitet vom "ZweiGeld". Andere krochen gleich in die Kojen.
Nacht. Träume. Schlaf. Ruhe. Glockengeläut. Eigentlich kein Lärm. 1999 in Sondershausen bei Nacht - Ruhe. Kein Autolärm, keine verzweifelte Seele, die durch Aufheulen ihres Automotors auf sich aufmerksam machen will.
Frühstück - üppig, alles da. Von den frischen Brötchen bis zum Joghurt (ein Gedanke zurück an die deutschen Wandervereine und das Frühstück, das die heute bieten, für tatsächlich 7 DM...) , den warmen Eiern unter der Haube und dem Hoteljungmann, der für den Nachschub sorgte, wenn z.B. die Semmeln knapp wurden.
10 Uhr Treffpunkt - Abfahrt zum Bergwerk. Wir fuhren dahin, andere fuhren dorthin, einige waren gleich da, andere später. Wir fuhren zu dem Bergwerk, das wir am Vortrag beim Hereinfahren nach Sondershausen gleich hinter dem Bahnhof gesehen hatten. Allein es war das Falsche. Es gab nämlich noch mehrere. Nach einer kleinen Fußexkursion wußten wir, daß dort nur noch die Abteilung ihren Sitz hatte, die die Bergwerke wieder vollfüllt, nicht mehr nur Touristen durchführt, geschweige denn neue aufmacht. Das war so ein bleibender Eindruck von unserer Reise dorthin bei mir: Was man von "da unten" herausnimmt, das bleibt nicht folgenlos! Auf den ersten Blick tut sich scheinbar nichts, "da kannst ruhig weitermachen", aber langfristig.... Anfangs waren mir die Risse in unserem Hotel gar nicht so richtig aufgefallen, Willi hatte sie aber gleich bemerkt! Auch die Stadt Sondershausen, wo wir 2 Nächte verbracht haben, ist davon betroffen. Zentimeterweise senkt sie sich in die Tiefe. Die künstlich geschaffenen Hohlräume schließen sich wieder.... Was man "dagegen" tut? Die alten Löcher werden wieder vollstopft... auch mit den Resten unseren Zivilisation, die wir lieber wieder endgültig wieder los wären... mindestens solange wir am Leben und in der Rente sind... Den "pact between the dead, the living and unborn" haben wir ja längst aufgekündigt.
Höhlen"....(forscher).." müssen Spezialisten im Umgang mit aus dem Alltag herausragenden und oft schwierigen bis unlösbaren Situationen sein, sind sie es nicht, dann gehen sie unter. Manchmal ist die Aufgabe größer als man selbst, machts was? Man(n)weib vergeht, kommt man wieder?
Wir 15 trafen uns jedenfalls aller wieder in einem Gebäude oberhalb der Salzschachtanlage und warteten ausgiebig. Irgendwann waren auch wir dann, wechselten die Kleidung, zogen blaue Jacken an, setzten gelbe Bauhelme auf, bekamen schwere Grubenlampen angehängt und standen schließlich am Rande des tiefen Lochs - menschengebohrt, aufzugbewehrt, 700 Meter tief.
Die Abfahrt war ein eigenes Erlebnis. Schwarz war es, einfach schwarz. Kein Licht zur Beruhigung. Schwarz. Runter. Runter. Tief durchatmen. Der Aufzug kam zum Stehen. Die Türen gingen auf. Wir blickten in einen horizontalen Tunnel mit Autos und weißen Säcken. Die Luft war irgendwie anders zum Atmen. Im Bauch der Erde. Erster Kontakt mit dem Festsaal. Dann Aufsitzen auf den Lkws. Ab in die Geisterbahn. Oktoberfest hoch drei. Allsinnenerlebnis. James Bond Teil 100. Drachenlichter, Dröhnen, Abkratzen den bröckelnden Decke, Undergroundmountainbiking und Salztropfsteine.
Nach 1 Uhr trafen wir wieder beim Festsaal ein. Das ist nun wirklich ein besonderer Raum. Die Wände und Decke bestehen aus Salz, gehen igluförmig ineinander über. Ein schwerer Leuchter hängt von der Decke. Die Möblierung besteht aus Massivholztischen und -stühlen. Ein Festessen war für uns vorbereitet, wir brauchten nur noch zuzugreifen, Kasseler mit Kraut, Thüringische Wurst- und Schinkenspezialitäten, auch den Harzer Roller gab es natürlich.
Alle Arten von Getränken standen zur Verfügung. Was wollten wir noch mehr? Als die andere Besuchergruppe abgezogen war, hatten wir für 3 Stunden allein für uns. Ein Vortragsreigen begann, Monika Löffelmann über die Höhle im Taoismus, Walter Kick über die Höhle in der Bibel, Peter Hofmann über die Höhle im Koran. Den krönenden Abschluß bildete eine vertonte Diaschau unseres unermüdlichen Peter Hofmann über einen Bibelvers. Dann hieß es wieder zurück an die Oberfläche und zurück zum Hotel.
Später als "17.30 Uhr" ging es weiter im Vortragssaal im Hotel noch einmal mit Monika Löffelmann und ihren Betrachtungen zu "Höhle im Hinduismus". Dann eilten wir hinunter ins hoteleigene Restaurant zum ganz gediegenen Abendessen, meist italienische Küche, das ausgiebig Gelegenheit bot, sich kennenzulernen und sich auszutauschen. Hier zeigte sich wieder eine der Stärken von HÖREPSY. "Flow durch soziale Kontakte", so der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi, Freundschaften können entstehen. Irgendwann, aber bei Gott nicht "auf die Minute genau", wie im Programm vorgeschrieben, begann dann das Abendprogramm.
Reinald Grüning, auch "Mann der ersten Stunde", weil auch er bei jedem HÖREPSY-Treffen bislang dabei gewesen war, begann. Er hatte ein Musikstück von Wolf Biermann mitgebracht, wo es um das Leben in der Großstadt ging, und wo, auf einmal, ganz unüberhörbar, von der "Höhle" die Rede war. Überraschend. Fein.
Dann war ich gefordert. Ich berichtete über
"10 Jahre Höhle-Religion-Psyche", die Entstehung und
Entwicklung, ein Thema, das eigentlich auch nur ich richtig
halten kann, weil das Ganze ja eine Ausgeburt von Heinz J. Hövel
und mir ist. 2 Tondokumente hatte ich auch dabei, die Vorträge
der ersten beiden Treffen am Scheuelberg und in Bad Schandau. Es
ist irgendwie unheimlich - der Sprung über 9 bzw. 10 Jahre
zurück, aber dann genau jede Stimme, jedes Lachen unmittelbar zu
hören, als wäre es gerade passiert.
Weiter machte dann Regine Glatthaar, die über Mithras referierte
und uns eine zusammenfassende Darstellung des neuen Buchs von
Ulansey über diesen Gott lieferte. Für mich lieferte sie ideale
Stichworte, da ich anschließend ein Remake meines Vortrags über
Mithras hielt. Das auch für mich erstaunlich, wie verschieden
man Bücher lesen kann, der eine hält das für wichtig und der
andere etwas ganz anderes. Trotzdem, ich glaube, daß die
Auseinandersetzung mit diesem "Gott, der aus dem Felsen
kam", ein "cornerstone" unseres Treffens unter dem
Motto "Die Höhle in den Weltreligionen" war.
Es war spät geworden, die Weinflaschen leer, als ich schloß, leerte sich der Saal schnell. Nur ein paar Unentwegte "tagten" weiter und lachten z.B. über folgenden Witz: Ein paar Höhlenforscher gehen über ein Karstplateau. Einer von ihnen ist unvorsichtig und stürzt in einen Schacht. Der Kamerad ruft von oben hinunter: "Hast dir weh getan?". Antwort: "Na, i fliag no."
Nachtruhe. Dort ist wirklich noch Ruhe. Der Verkehr ist bescheiden und die Altstadt ist ohnehin Fußgängerzone. Am Morgen gönnte ich mir erst einmal das Konzert der Kirchenglocken, die ihr Konzert jede Stunde geben.
Schönes ausgiebiges Frühstück.
Walter Kick begann am Sonntagmorgen die
Vortragsserie mit einem fast schon typischen
"Kickschen" Gag, nämlich dem 28. Kapitel für den
"Kleinen Prinzen", Titel "Über die Hydrologie
eines Planeten aus der Sicht des Kleinen Prinzen". Wir
hatten alle Farbkopien vor mit einem Bild vor uns, das zeigte,
wie auf der einen Seite das Wasser in die Erde und auf der
anderen Seite ...wieder aus der Erde?? herauslief. Daß das bei
unseren "Antipoden" in Australien nicht passiert, daran
ist ja die Schwerkraft schuld, und der widmete Walter viel
Hirnschmalz. Ein Leckerbissen.
Zum Abschluß kam dann noch einmal ich. "Baum und
Höhle", ein Thema, dem meines Wissens sich bisher noch
niemand gewidmet hatte. Mehrere Jahre hatte ich schon Material
besammelt und jetzt abschließend präsentiert. Ich glaube, der
Vortrag hat unsere Sinne geöffnet, auch meine.
Alles hatte länger gedauert, als eigentlich geplant, aber wir haben das alles gut hinbekommen. Irgendwie wollten wir alle noch nicht so recht auseinander. Eine kleine Exkursion sollte doch noch sein. So ging es zum Kyffhäuser. Details über dieses Gebiet gibt es auf einer eigenen Seite. Wir besuchten zuerst die "Kannibalenhöhlen", natürlich sehr passend zu unserem Themenkreis,
Am Eingang der "Kannibalenhöhlen"
fuhren dann weiter zur Barbarossahöhle, wo wir noch ein Mittagessen, eher Nachmittagsessen, bekamen (manche aßen "Höhlenpilzpfanne"), und besuchten am Ende noch das berühmte Denkmal mit Blick auf Berlin und einen ziemlich miesgrämig blickenden Kaiser Barbarossa. in seiner Felsenkammer.
Alles strebte nach verschiedenen Richtungen auseinander, hauptsächlich Richtung Süden, wobei es eine südostbayrische Variante mit Stationen in Schwandorf und Regensburg gab, und eine südwestbayerische Variante, die sich in Giengen in einen Kemptener und einer Münchner Zweig trennte.
Soweit ich weiß, sind alle gut wieder angekommen und verdauen nun wohl, was sie erlebt haben. Nächstes Jahr wird es wieder ein Treffen geben, wieder etwas näher bei uns, irgendwo im Fränkischen. HÖREPSY 2000 wird wohl das Motto haben: "Höhle und Handlung". Bestimmt auch ein viel versprechendes Motto.... es gibt schon erste gute Ideen....
Und übernächstes Jahr vielleicht zum ersten Male im Ausland - vielleicht in Graz.
Die Ergebnisse der "Baum"-Malaktion, von einigen Teilnehmern zu "Baum und Höhle", einem der Hauptthemen dieses Treffens. Wer jeweils die Künstler waren, wird hier nicht preisgegeben. Wie "tief" so ein "Baummalkurs" geht, das habe ich erfahren, als ich vor der Barbarossahöhle stand. Da vertraute sie mir an, daß sie zwar keinen Baum gemalt habe, aber sehr intensiv darüber nachgedacht habe, wie ein solcher gemalter Baum denn aussehen könnte. Zuhause werden sie auch mal "einen Baum, ihren Baum, malen". Toll, wunderbar. Malt Bäume!
Das Schlußbild (aufgenommen am Ausgang des Salzbergwerks, unsere schönen Schuhe zeigend, mit denen wir auf unsere schöne Erde dauernd treten):
Ein Blick zurück auf die Anfänge.von Höhle-Religion-Psyche
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