Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

HÖREPSY 2001


Nun ist es gelaufen, unser 2001er HÖREPSY-Treffen. Erfolgreich wars, weil die Mischung gestimmt hat. Gute Themen, starke Leute, eine schöne Höhle, neue Anstöße. Wenn wir so weitermachen, dann braucht es einem nicht Angst zu sein um die Zukunft von HÖREPSY.

Verdrehte Karrieren, verspätete S-Bahnen, vermutete "Esoteriker", bestimmt gibt es 1000 und 2 Gründe, warum Menschen NICHT zu unserem 2. Treffen bei den Franziskusschwestern in Gößweinstein in der Fränkischen Schweiz gekommen sind. 20 Teilnehmer hatte diesmal unsere Wochenendbegegnung, gerade soviel, daß noch ein Zusammenhalt da war, ohne daß sich automatisch schon Untergruppen gebildet hätten, aber auch genug, damit ein lebhafter Kommunikationsprozeß entstand.

Unsere Münchner Fraktion war diesmal ziemlich klein. Nur Walter Kick kam mit mir. Wir waren die letzten, die ankamen, und die fröhliche Klosterschwester an der Pforte, die uns den Schlüssel zum sauberen Zimmer gab, tat dies mit den Worten: "Jetzt sind alle da". Wir gingen gleich in den Speiseraum, um noch eine Kleinigkeit zu Abend zu essen. Man hätte sich bis zum Rand voll essen können, soviel war noch da, aber die lange und, wegen des vielen Verkehrs, ziemlich strapaziöse Anreise bis in die Ruhe der Fränkischen Schweiz, forderte noch ihren Tribut. Hänsel und Eva waren auch erst gekommen, so daß wir nicht alleine im Speisesaal uns die etwas kalt gewordenen Krautnudeln und das fränkisches Pils schmecken ließen. Alle übrigen saßen längst im uns noch vom letzten Jahr recht vertrauten Tagungsraum unter dem Dach des Klosters und machten eine Vorstellungsrunde, in die wir 4 dann hineinplatzten. Sophie Hochrein war gerade dabei, ihre Gemälde und ihr Kunstkonzept vorzustellen, was besonders spannend war. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit "Höhlenbodenriffelmarken" in der Altensteiner Höhle in Thüringen. Sie reibt sie ab und verändert sie dann in verschiedenen Prozessen. Die Wände rundum waren vollgestellt mit ihren eigentümlichen künstlerischen Erzeugnissen, die der Tagung ein besonderes Flair gaben. Nach dem auch wir uns noch kurz eingebracht haben, gab es erst einmal wieder eine Pause. Diese Pausen sind keine Zeitverschwendung, sondern ein ganz wichtiges Element. Da kann man Luft holen, Kontakte pflegen und sich z.B. an den Büchertischen, die inzwischen auch schon Tradition geworden sind, sich an der mitgebrachten Literatur delektieren. Immer sind ja neue Leute dabei, die vieles noch nicht kennen und dankbar dafür sind, daß sie hier Anregungen bekommen.

Dann begannen die Vorträge. 3 sollten es am Abend noch sein. Reinald Grüning, HÖREPSY-Urgestein, erzählte von der "Schatzhöhle" aus den Apokryphen. Das war ein gelungener Einstieg, weil sie viele Gedanken einbrachten, die lebendig werden, wenn man an "Höhle" denkt. Peter Hofmann machte weiter mit einer vertonten Diaschau über die Landschaft und Höhlen der Slowakei, auch geschickt und perfekt gemacht, aber für mein Gefühl mit einer zu pompösen Musik untermalt. Pauken und Chöre drängten an unser Ohr, während kleine von der Decke hängende Sinterzäpfchen zu sehen waren. Ich mußte an ein künftiges Vortragsthema von mir denken: "Stille und Höhle" und wurde dran erinnert, daß nicht alles, was technisch machbar ist, deswegen schon gut ist. Der abendliche Vortragsreigen wurde von mir beschlossen, in dem ich noch ein paar Bilder aus unserer morgigen Exkursionshöhle zeigte, dem Geisloch. Ich hatte keine Musikuntermalung, sondern sprach frei dazu, machte ein paar verbale Anmerkungen, schlug, bildlich gesprochen, links und rechts ein bißchen boshaft aus und war dann nach 25 Bildern schon fertig. Weniger ist öfters viel mehr. Viele gingen nun gleich ins Bett, allein ein harter Kern hielts bei 2 Flaschen Rotwein noch ganz schön lange in der vollmonderhellten Nacht bei intensiven Gesprächen über Höhlen und was es sonst gibt, aus.

Am nächsten Tag gab es erst das üppige Klosterfrühstück, dann den ersten üppigen Vortrag über "Höhle und Wahrheit" von Walter Kick. Vollgespickt mit einer langen Vorrede, vielen Zusatzkommentaren, nach Vollständigkeit strebend und ja nichts auslassend, bewegte er sich langsam auf den Kern vor. Von überall her hatte er "Beweise", Zitate und eigene Gedanken zusammengetragen, um sich auf eine ganz persönliche Art der "Wahrheit" zu nähern. Als er zu uns sagte, daß doch alle hier im Raum "wüßten", was "wahr" sei, mußte ich ihn unterbrechen. Ich gab zu, daß ich nicht so vermessen sei, das zu behaupten, was ihn wiederum ganz leicht aus der Bahn brachte, aber er griff dann gleich wieder auf sein Vortragsmanuskript zurück. Irgendwann war er dann mit seinem ersten Teil fertig, ohne daß sich bei vielen von uns schon die Erkenntnispforten geöffnet hatten. Lange Pause.

Reinald machte weiter mit einem Vortrag über "Höhle und Suizid". Geschickt hatte er einen von einem Sprecher gesprochenen Text (Klein und Wagner) mit langen Pausen gekoppelt, die er dazu benützte, seinen Text hineinzusprechen. So kam viel Abwechslung hinein. Kernfrage war, ob "gewagte Höhlentouren" eine Art Suizidversuch seien, eine Frage, die einmal durchaus gestellt werden darf. Das Thema erinnerte mich sofort an Reinhard Meier aus Farchant, der sich ja wirklich selber umgebracht hat, in dem er sich in München auf die Gleise der S-Bahn gelegt hat und damit seinem Leben ein Ende setzte, ein unvergeßlicher Höhlenkamerad in den 60er und 70er Jahren.

Gutes Mittagessen. Um 13.15 Uhr Aufbruch zur Exkursion. Einem Autokorso glich unsere Karawane, die von Gößweinstein auf der steilen Straße hinunter ins Wiesenttal zog, weiter nach Streitberg und hinauf nach Oberfellendorf. Große Umziehorgie, der Besitzer und Betreuer des Geislochs kam um 2 Uhr, außerdem noch die Creme der fränkischen Höhlenfotographen, Stefan und Angela Lang und Hardy Schabdach mit Freundin. Der angerostete schwere Verschlußdeckel wurde für uns geöffnet, über eine massive Eisenleiter geht ein paar Meter hinunter und dann hinein in niedrigere Gänge. Das gipfelt dann in einem Selektionsschluf, an dem dann tatsächlich Peter Hofmann umdrehen mußte, weil er halt auf Grund seines Körperbaus da nicht durchgeht. Dann kam die große Halle und das starke Staunen über die unterirdische Schönheit. Wir bewegten uns nur ganz langsam durch den Raum und hatten so Gelegenheit, auch auf die kleinsten Kleinigkeiten zu achten. Das war auch eine schöne Gemeinschaftserfahrung. Besonders auffallend war die massive Zerstörung der Tropfsteine. Selbst mächtige Säulen sind dort da umgestürzt, zerbrochen in viele kleine Teile, kreuz und quer liegen die Röhrchen und Stalaktiten, und das völlig ohne menschliche Einwirkung, vielleicht mal durch ein Erdbeben verursacht. Die "Natur" geht nicht zimperlich mit ihren Formen um! Wir kehrten um, zählten nach, ob auch wirklich alle wieder draußen waren und wir keinen zurückgelassen hatten. Dann wurde die gute Höhle wieder massiv verschlossen wie ein Banksafe, und wir strebten beflügelt wieder zurück ins Franziskanerinnenheim.

Hänsel hatte inzwischen mit Eva unseren Aufenthaltsraum raffiniert umgebaut zu einer Galerie, in der die Werke von Sophie Hochrein erst richtig zur Geltung kamen. Einen Bückdurchgang hatte er geschaffen, durch den der Raum geteilt wurde in mehrere Zonen. In den anderen Bereiche waren Fotos von Peter Hofmann und einige Exponate von der letztjährigen Maskenaktion in der Sophienhöhle zu sehen. Das Licht wurde gedämpft, Akzente mit Höhlenlampen gesetzt, und untermalt wurde dann alles von sanfter Hintergrundmusik von Steve Roach (Quiet Music). Um 7 Uhr kamen dann alle zur "Vernissage" der "Höhlenbodenrippelmarkenbilder", eine sehr gelungene Aktion.

Hinterher war in 10 Minuten alles wieder aufgeräumt und die Stühle standen wieder im Oval. In der Mitte spielte sich eine witzige Aktion ab. Es hatte angefangen mit ein paar auslegten, farbig verfremdeten Fotos von Rippelmarken. Dann gesellten sich die 21 Höhlensteine dazu, die ich mitgebracht hatte, um zu zeigen, wie unterschiedlich und einmalig im Grunde jeder Stein ist. Walter war das noch nicht genug und so fuhr ich mit ihm auf dem Rückweg noch zum Eingang der Moggasterhöhle, wo er noch 4 weitere Steine aufklaubte und mitnahm (+ 1 Ersatzstein, falls einer "verloren" ginge. Unser Walter ist schon ein vorsichtiger und umsichtiger Mensch). Am Ende war dann am Boden ein neues Kunstwerk entstanden, mandalaartig, ein neues Ganzes für kurze Zeit.

Die Abendvorträge begannen mit dem zweiten Teil von Walters "Wahrheitsvortrag". Mit großem Ernst führte er uns in die Welt der Löcher, des Hohlen, der Lochsteine und der Mathematik. Da wurde es ganz schwierig. Formeln malte er auf die Flipcharttafeln, daß uns nur die Köpfe so rauchten. Die Zahl pi führte ihn zu wahren mentalen Höhenflügen, er umkreiste und durchschritt das Mandala, holte die platonischen Körper aus seiner Requisitenschachtel, zog sich eine Strumpfmaske über das Gesicht, um uns den "Persona"-Begriff deutlich zu machen, kurzum, er scheute keine Mühe, um uns auf dem Weg von "Wahrheit und Höhle" ein Stück weiterzubringen. Ein Teil des Publikums verweigerte sich ein bißchen, kleine Nebenbemerkungen aus dem Publikum häuften sich, viel wurde gelacht, ein Stück einmaliger _______________ wurde am Ende daraus. Mittendrin trug Monika Löffelmann Tucholskys Gedanken über die Löcher schön vor, was sehr gut paßte und richtige Lachsalven auslöste. Endlich dann Pause. Fenster auf. Im Anschluß daran entführte uns Heinrich Kusch aus Graz mit guten Bildern in den Karst um Peggau, einem künftigen Ort, wo wir HÖREPSY abhalten könnten. Die Anknüpfungspunkte zu unserm Themenkreis sind überwältigend. Pause. Dann kam ich noch mit meinen Gedanken zu "Angst und Höhle". Die Teilnehmer sollten zuerst einmal mit ihrem Nachbarn ein bißchen über das Thema sprechen, dann machten wir eine kleine Runde und dabei kamen höchst zuhörenswerte Beiträge zu Tage.

So erzählte uns Heinrich von seinem ersten Höhlenerlebnis. Zwei kleine Buben gingen mit einer Taschenlampe in eine Höhle, die dann, als sie 300 m tief im Berg waren, tatsächlich kaputt ging. Da standen sie nun in der Dunkelheit und was dann tun? Man sollte so eine echte Geschichte schon mit eigenen Ohren von dem Beteiligten erzählt hören. Das packt. Da es schon spät geworden war, versuchte ich mich kurz und kürzer zu fassen, aber es blieb noch genug zu erzählen. Das Thema "Angst" und wie man mit ihr umgeht, das ist einfach ein Kerngebiet von HÖREPSY. Im Tagungsband ist die Arbeit abgedruckt. Da können auch andere etwas darüber lesen und vielleicht nachvollziehen. Wer will, kann mit mir in Kontakt treten und wir können uns austauschen. Ich bin auch weiterhin daran interessiert, solche Erlebnisse und Gedanken zu sammeln und aufzuarbeiten. Es ist einfach spannend und auch persönlichkeitsformend.

Wieder blieb eine kleine Gruppe Nachteulen übrig, die am Ende noch bis in den frühen Morgen weiterdiskutierte.

Am Sonntagmorgen schloß Walter seine Trilogie über die Wahrheit ab und es wurde am Schluß richtig lustig. Den einzigen Weg, um seine "verdrehten" Gedanken noch an uns weitergeben zu können, sah er in einem bayerischen Mundartgedicht, das, so seine Nebenbemerkung, wohl unsere österreichischen Gäste verstehen könnten, die "Preußen" unter uns aber eher ausschließe. Pause. Dann kam ich wieder mit "Sehsinn und Höhle". Dazu lud ich die Mannschaft zu einer Exkursion in den Fernsehraum ein, wo ich 4 Videos vorführte: ein Statement von David Steindl-Rast zum Sehen, eine paar Szenen aus der Altaraluihöhle in Rumänien, aus der Blauen Grotte und zum Schluß den polnischen Lamprechtsofenvideo. Da waren so richtige Hardcaverszenen zuhauf, grad richtig für uns couch potatoes. Dann kam mein kurz gehaltener Vortrag, eine kleine Schlußrunde mit der Entscheidung, uns nächstes Jahr voraussichtlich in Schweina zu treffen, und am Ende noch Literaturzitate über Höhlen, getragen vorgetragen von Manfred Moser. Dann konnten wir den Vorhang fallenlassen und zum Mittagessen schreiten, richtig bayerisch, Schweinebraten mit Kartoffelknödel.

Ein Gruppenfoto im Freien am Ende, wo sich alle noch einmal um den Gartenteich versammelten. Unsere jüngste Teilnehmerin ist auch drauf, die Julia, noch nicht mal ein Jahr alt, die Tochter von den Hofmanns. Die sorgte öfters für schräge Hintergrundgeräusche, die aber nicht störten, eher zur lockeren Atmosphäre des Treffens beitrugen.

Ich freue mich aufs nächste Jahr.


Aufgrund der verdeckten Intervention eines Teilnehmers unserer Tagung habe ich ein Wort aus meinem Internetbericht darüber gestrichen. Der Wort war "Realsatire". Es steht jetzt dort nicht mehr, sondern hier. Satire ist für mich etwas Wunderbares, wer es schafft "Satirisch" zu sein, der hat eine Gabe, die das Normalmaß weit überschreitet. Karl Valentin ist so ein genialer Mensch gewesen, Gerhard Polt zeigte uns noch vor kurzem und hoffentlich auch noch heute und später, wie es eigentlich bei uns zugeht. Die Maßrate für "Satire" ist für mich das "Lachen", und das haben wir auf tiefste Weise wirklich bei Walters Vortrag über "Höhle und Weisheit" bis aufs Äußerste erlebt. Das ist ein idealer Übergang zu einem Thema, das ich "jenseits" des "Todes" sehe: Humor und Höhle. Warum in der Vergangenheit solange herumkramen? Lachen wir darüber! Aber, manchmal, da bleibt einem das "Lachen" im Halse stecken. Stichwort Krieg, Brutalität....

Was wir bei HÖREPSY nicht für ein Stück aufführen! Unglaublich! Analog zu Shakespeares Stück....

A caver's dream


Literatur:

Links:

Arbeitskreis Höhle-Religion-Psyche


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