Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Jubiläumstour in die Eisriesenwelt, A
100 Jahre Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg


Walter Klappacher hat in der Nummer 1 von ATLANTIS, erschienen 1978, einmal sehr gut dargestellt, was Höhlenforschung für viele ist:

"Höhlenforschung bedeutet Beziehung. Beziehung des Menschen zur Natur, zur Umwelt, zum Mitmenschen und zu sich selbst.

Höhlenforschung, das ist die Sehnsucht nach Abenteuer, Faszination des Unbekannten, Suche nach versunkenen und neuen Welten.

Höhlenforschung ist geprägt vom Wunsch nach gemeinsamem Erleben, nach Freundschaft, nach Anerkennung und Selbstbestätigung. Sie ist der Versuch schöpferischer Selbstverwirklichung und der Traum vom Leben und Wirken in einer Gemeinschaft, die nicht geprägt ist von Herrschaft und Profit, von Unterdrückung und Entfremdund."

Langfristig erfolgreich ist man da nur, wenn man sich zusammentut. Und das gilt nicht nur für uns momentan Hierseiende. Der englische Philosph Edmund Burke hat einmal vom "pact between the dead, the living and the unborn" gesprochen. Dieser "pact" braucht auch Organisationsformen. Einen "Verein" zum Beispiel. Und wenn er ein guter Verein ist, dann gibt es ihn länger. Der Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg existiert 2011 schon 100 Jahre - ein Beweis dafür, daß hier erfolgreich seit vielen Generationen gewirkt wurde und weiter wird.

Ein Ereignis in der Kette der Veranstaltungen, die diesem Jubiläum eine handfeste Form gegeben haben, war ein gemeinsamer Vereinsausflug in die Eisriesenwelt bei Werfen. Es gibt keinen würdigeren Ort, um an die Gründungssituation vor 100 Jahren zu erinnern, gibt es nicht. Dort gelang der Vorstoß in einer Höhle, die damals weltweit ihresgleichen suchte. Der Vorstoß von Alexander von Mörk in einem selbstgebastelten Taucheranzug durch den Sturmsee und die sich dahinter öffenden riesigen Höhlengänge waren die Initialzündung für die erfolgreiche Erkundung der Salzburger Unterwelt in den rundum liegenden Gebirgsmassiven.

Lange Zeit war es um die Eisriesenwelt sehr ruhig geworden in höhlenforscherischer Hinsicht. Aber ein Generationswechsel hat sich nun vollzogen und mit Fritz Oedl zieht nun glücklicherweise wieder ein neuer Wind da ein. Seit ein paar Jahren finden Vermessungüberprüfungs- und Forschungstouren durch den Salzburger Höhlenverein in der Höhle nun statt. Die überall in den Publikationen aufscheinende Länge von 42 km ist erst noch zu überprüfen. So manches wurde früher wohl nur geschätzt und nicht wirklich vermessen. Aber vieles ist längst schon mustergültig erfaßt. Um die 33 km sind bestätigt, am "Rest" wird gearbeitet. Das genaue Hinschauen hat sich auch hier als fruchtbar gezeigt. Ein ganz neuer großer Gang wurde nach Grabarbeiten gefunden und führte weit hinaus über die bekannnten Teile fast hinaus ins Freie. Spannend scheinen auch die gewaltigen Schlote nach oben. Einer zieht genau unterhalb eines Oberflächenschachtes, dessen Eingang man schon kennt, nach oben. Es fehlen nur noch 400 m Höhenunterschied!

11 Uhr am Parkplatz am Aufgang zur Eisriesenwelt am Samstag, den 30. April 2011, das war der offizielle Treffpunkt. Inzwischen gibt es da ja schon ein hochmodernes, stylisches Empfangsgebäude. Gemütlich ging es schon los. Nicht preussisches Pünktlichsein herrschte hier, sondern erfreulich menschliches Bewußtsein, daß man mit der Zeit auch viel Schwärmerischer umgehen kann. Langsam kristallisierte sich heraus, wer für die Höhlenexkursion da war oder wer normaler Schauhöhlentourist war. Ein 4wheeler stand zur Verfügung, worin ein Menge der vollen Rucksäcke bis zur Talstation der Seilbahn hochgefahren werden konnte. Ein paar Leute, für die es schon Gründe gab, daß sie besser mitfahren, mußten auch gar nicht mehr zu Fuß hochgehen. Das "Fußvolk" durfte bei "Kaiserwetter" der Fahrstraße, die erst noch geteert und dann halt nur noch in den Fels geschlagen, folgen. An der Bahnstation sammelten wir uns alle, aber es waren zu viele, um alle mit einer einzigen Gondel hinaufzukommen zum Oedlhaus. Keiner von uns mußte etwas bezahlen, danke Fritz.

Wieder war ausreichendst Zeit, sich beim Oedlhaus zu sammeln. Einige belegten bereits ihre Schlafstätten für die Nacht, andere stillten ihre momentanen um die Mittagszeit einfach auftretenden Magengelüste, viele befriedigten halt einfach ihre sozialen Kontaktmöglichkeiten. Jeder konnte alte und

Irgendwann drang das Signal irgendwie durch, wir gehen jetzt in die Höhle! Wie viele waren es? Man müßte wohl die Köpfe auf dem "Gruppenfoto" nachzählen, das x-mal vor dem Eingang gemacht worden ist. Am vollstänigsten ist wohl das, das die Rundfunkjournalistin gemacht hat, die das Ereignis aufgezeichnet hat, insbesondere mittels Interviews von Albert Morokutti, der ihr aus erster Hand Informationen von früher geben konnte.

Wir wurden von Fritz durch die Höhle geführt. Erst hat er gefragt, ob wir ein paar Erläuterungen denn wünschen würden, aber die Antwort war natürlich ein klares "Ja". Denn erst mit unseren Worten wird erst die Vergangenheit und unser Bewußtsein von der Gegenwart lebendig. Besonders deutlich blieben bei mir die Geschichte hängen, was einmal einem neuen Höhlenführer passiert ist. Die durchlaufen alle eine Art Eingangsprüfung. Einem passierte es, daß er auf seinem Abschlußgang durch die Höhle, wo geschaut wird, ob alles in Ordnung ist, sein Blick auf einmal auf ein paar Finger fiel, die auf einem Felsblock lagen. Lag "dahinter" ein ganzer Mensch? Das Ganze war ein Streich - ein recht wirkungsvoller.

Das Besondere an unserer Tour war natürlich, daß wir irgendwann vom Schauhöhlenteil abweichen durften und die großen Teile jenseits davon sehen konnten. Noch in der Nachkriegszeit gab es geführte Touren dorthin, aber irgendwann wurden sie abgeschafft. Niemand kam mehr dahin.

Da standen wir dann auf dem spiegelglatten Eis und rutschten vorsichtig vorwärts. Interessant, wozu diese Eisfläche früher schon gedient hat! Jetzt hängt da ein Pendel von der Decke und markiert der momentan Zustand. In 10 Jahren wollen die Universitätsforscher wieder vorbeikommen und festhalten, was sich inzwischen verändert hat. Senkt sich die Decke? Hebt sich der Boden? An den Rändern der Eisfläche wurde deutlich, daß da inzwischen auch schon was verändert wird. Plastikwände erhöhen den Eisstand. Ein großes Plastikwasserbecken liegt da, luftleer am Boden. Schläuche führen hinein. Was wir heute als "Natur" erleben, vielleicht gar als sog. "Heile Natur", ist oft nur das Ergebnis harter Arbeit! Hier heißt es: Das Eis waschen. Und dazu braucht man Wasser, das aus tieferen Höhlenteilen herbeigebracht wird.

Steil ging es nach unten über vereiste, glitschige Felsen und dann wieder hinauf und wieder hinunter. Mal ist es groß, mal klein. Der Fuchsbau wird durchquert. Der Umkehrpunkt ist der Steinerne Wald, eine Stelle wo einige alte Stalagmiten von Zeiten künden, wo sich auch bei uns so etwas bilden konnte. Ein Gruppenphoto wurde von Stephan Vegh organisiert und gemacht. So etwas ist in der Praxis nicht so einfach, aber wir haben mitgespielt. Dann der Rückweg. Auch erfolgreich. Keiner blieb zurück, jedenfalls haben wir das am Ende vermutet. Wieviele wir wirklich unterwegs gewesen sind, das wußte keiner wirklich. Es gab aber bis jetzt noch keine Beschwerden.

Ein großes Erlebnis: den Eingang zu erreichen, hinauszutreten ins Sonnenlicht, das uns noch reichlich für ein paar Stunden erwärmte. Besonders schön war es auf der Terrasse vor dem Oedlhaus. Die gesamte Truppe spaltete sich auf Biertischgröße auf, wurde gesättigt und gefüllt mit STIEGL-Bier, köstlichen Speisen und viel Palaver. Alle Touristen war längst wieder im Tale, wir hatten am Million-Dollar-Panorama mit den splendigen Blicken auf Hochkönig, Steinernes Meer und Hagengebirge - die sind ja aus Höhlenforschersicht die wichtigsten - für uns alleine. Sobald die Sonne nicht mehr uns erwärmte, da wurde es schnell kalt und wir zogen uns gerne ins Oedlhaus zurück. Ein warmer Kachelofen spendete die Lebensgeister wieder weckenden Grade.

Drei Programmpunkte galt es zuerst einmal noch zu erleben. Wir hatten jemanden in der Runde, der seinen 85sten Geburtstag feierte, Walter Hubka. Er trug uns etwas über Hermann Gruber vor. Selbst ein Speläourgestein, so Führer in der Eisriesenwelt während der Zeit des 2. Weltkriegs, erzählte er uns von diesem wirklich außergewöhnlichen Mann. Die Mutter, eine Bordellwirtin, da bleibt der normale bürgerliche Verstand erst einmal stehen. Dann das Erlebnis des 1. Weltkriegs, Zerstörung des Hörvermögens, Einzelgängertum, kein Wunder. Sein Name ist an vielen Stellen in Salzburger Höhlen zu finden. Diesmal war es auf einem Felsen in der Eisriesenwelt. Er muß monatelang hier gewesen sein und mit den Händen an einer Eisenbahntrasse in der Höhle gearbeitet haben.

Albert Morokutti berichtete von seinen Anfängen mit der Höhlenforschung. Vieles wurde vom Blatt vorgelesen. Das Alter greift immer mehr auch nach ihm. Aber das Leben ist noch sehr lebendig in ihm und so konnte er uns noch sehr anschaulich etwa von dem Abenteuer des Pumpversuchs im Schwarzbachloch am Fuß der Reiteralpe erzählen. Die Ungeduld des "von" hatte tragischte Folgen gehabt, gerade noch waren sie noch am Leben und mußten halt nur Brechen. Sie hätten auch draufgehen können an den Abgasen, die man nicht ableiten konnte. Und er wies uns alle auf ein wichtiges Kapitel der Höhlenforschung hin, dem bislang nicht viel Beachtung geschenkt wurde: die Rolle der Frauen. Deren Bedeutung als treibende Kraft, insbesondere von 4 Damen, von denen wir meist nur sehr wenig wissen, stellte er besonders heraus. An Poldi Fuhrich erinnert zumindest schon beim Aufgang zur Eisriesenwelt eine Gedenktafel.

In die Jetztzeit führte uns Peter Pointer, der uns mit einer Powerpointpräsentation in den momentanen Stand der Eisriesenweltforschung einführte. Schön ist, daß da wieder Bewegung in einen leider so lange forschungsmäßig vollkommen eingefrorenen Teil des Tennengebirges kommt.

Dann erging ein Aufruf, daß alle, die wieder heimwollten, sich fertig machen sollten, damit sie die letzte Gondel ins Tal noch bekämen. Der Saal leerte sich erheblich, später gingen noch mehr, die sich auf dem Fußweg noch ins Tal begaben.

Ich hatte meinen alten 6x6-Projektor mitheraufgebracht und zeigt am Schluß noch Dias aus der Zeit von 1971-73. Damals hatten Klaus Vater die Forschungen im Frauenofen im Kopf und wir folgten ihm gerne. Eine einmalige Zeit war das und es gibt noch ein paar photographische Dokumente davon. Bevor sie von den Pilzen und der Zeit aufgefressen werden, zeigte ich sie noch einmal. An einem wirklich würdigen Platz dafür. Der Frauenofen ist ja so etwas wie die kleine Schwester der Eisriesenwelt und vielen Tunnels und Raumformen sehen genauso aus wie dort.

Es war nur noch der "Harte Kern" irgendwann übrig. Fritz zeigte sich als großzügiger Gastgeber und versorgte uns mit Rotwein einer feinen österreichischen Sorte, kostenfrei und bis zur Neige. Danke. Die Gespräche begannen zu fließen. Besonders verherstechend war die Geschichte von der gefundenen toten Fledermaus auf einer österreichischen Alm. Kinder legten sich in eine Schachtel und legten einen Zettel dazu: "Spende für eine tote Fledermaus". Des sollen da richtig ansehnliche Beträge hergeben worden sein. Was sagt das aus über unsere Zeit? Das wurde dann recht furios diskutiert.

Gegen Mitternacht löste sich der Haufen langsam auf, kroch in seine Schlafsackhöhlen unter dem Dach auf dem Matratzenlager.

Um 8 Uhr sollte es Frühstück geben und dazu standen dann auch alle auf. Es lohnte sich. Wurst- und Käseplatte, vielleicht gar noch mit Spiegelei. Guter Kaffee. Was will man mehr?

Um 9 Uhr ging eine Seilbahn ins Tal. Wir warteten drauf , sie kam zuverlässig, der kleine Kreis, der sie nahm, verabschiedete sich mit Handschlag von Fritz, und los ging es ins Tal. Faszinierend - der "Profiblick" auf die Kalkfelswände aus der Gondel fiel sofort auf ein großes schwarzes Höhlenportal in der Nähe! Den Sulzenofen! Auch in ihm ist noch nicht alles erforscht!

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Literatur:

Klappacher, Walter ATLANTIS, Atlantis 1/78, Salzburg S. 3

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