Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Frauengrube im Haunsberg, Salzburg, A
In der Ferne der Haunsberg - Foto wurde etwas
oberhalb der Autobahn München-Salzburg aufgenommen, April 2008
"Forschung - das organisierte Wegarbeiten von Verborgenheit", so heißt es in einem Werk von Peter Sloterdijk. Es gibt Orte auf der Erde, da wurde schon sehr intensiv geforscht, wobei es hinterher, wenn es dort nichts "Verborgenes" mehr gibt, wieder sehr ruhig um diese Stellen wird. Was macht man dann damit? Sehr beliebt ist zur Zeit, wenn z.B. irgendwelche Geldtöpfe noch gefüllt sind, daß man einen Lehrpfad dort errichtet, um anderen von dem, was man da gefunden hat, zu berichten.
Genau dieses ist am Haunsberg, einem Berg im Norden von Salzburg, passiert. Man hat einen Geo-Lehrpfad errichtet, wohl nicht zuletzt mit EU-Geldmitteln, um, nachdem die wirtschaftliche Nutzung des Gesteins eingestellt worden ist und wissenschaftliche Arbeiten über geologische Situation erschienen sind, nun mit der touristischen Ausbeutung weiterzumachen.
Im Nummulitensandstein des Haunsberges gibt es
sogar zwei Höhlen, die Kroisberghöhle und die sehr bekannte
Frauengrube. Schon vom 16. Jahrhundert an sollen in ihr Schleif-
und Wetzsteine abgebaut worden sein. In Krisenzeiten wurde die
Höhle als Zuflucht aufgesucht. Ende des 19. Jahrhunderts wollte
die Sektion Salzburg des Österreichischen Touristenclubs die
Höhle für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Wiederholte
Felsabbrüche führten jedoch dazu, das Vorhaben wieder
aufzugeben. Heute weiß man, daß sie im Winter als
Fledermausquartier dient, weshalb die Höhle immer wieder zu
Fledermauskontrollen aufgesucht wird.
Sie ist auf allen geologischen Karten des Geo-Wanderweges
eingezeichnet. Allerdings führt kein bezeichneter Weg dorthin.
Wer sie aufsuchen will, der muß schon ein Quäntchen Glück auch
mitbringen, sonst geht es ihm so wie mir: Er wird die Höhle
nicht finden. Auch die Zugangsbeschreibung im Salzburger
Höhlenbuch I ist das wenig hilfreich: "Von Kroisbach, das
nördlich von St. Pankraz liegt, wendet man sich ostwärts durch
einen Hohlweg zum Steinbruch. Von diesem folgt man einem nach
links wegleitenden Steig und erreicht nach wenigen Minuten eine
Bruchlinie, der man bis zum Höhleneingang entlang wandert."
"Bruchlinie"?
Ich habe es zweimal Anfang April 2008 probiert. Einmal war die
Zeit zu kurz, die mir zur Verfügung stand, um von geteerten
Parkplatz in Höhe der Pankrazkirche und dem Gasthaus Schlößl
dem Geo-Pfad folgend bis zur Höhle zu gelangen. Beim zweiten
Male hatte ich mehr Zeit, hatte auch Bergschuhe diesmal an den
Füßen, aber die Höhle habe ich dann doch nicht gefunden. Auf
einer Karte war groß der Name "Frauengrube"
eingetragen, aber das bezeichnete Areal war groß. Bei einem
aufgelassenen Steinbruch, an dessen einer Flanke noch ein
prachtvolles Kalkschichtprofil steht, steht eine ausführliche
Erläuterungstafel, auf der sogar der Höhlenplan zu sehen ist
(lt. Salzburger Höhlenbuch hat es hier auch mal eine Klufthöhle
mit Sinterbildungen gegeben, die aber längst abgebaut ist).
Zweihundert Meter nordwestlich sollte die Höhle liegen. Ich
folgte dem Forstweg weiter, kam zur nächsten Station des
Geo-Weges, zur übernächsten, zum Wasserfall, dann ein Schild
"Ende des Geoweges" - von Höhle keine Spur. Ich begann
zu suchen. Hangauf-, hangab, vor und zurück, alleine nichts war
zu sehen. Manchmal ist das ja ein Erfolgsgeheimnis, um neue
Höhlen zu finden. Denn gar nicht so selten ist da, wo es ein
Loch gibt, noch ein weiteres und noch eines usw.. Hier war das
leider nicht der Fall. Hinter jeder hoffnungsvollen Ecke kam die
Enttäuschung. Wieder studierte ich die Karte, interpretierte sie
wieder etwas anders. Jeder Weg und jedes Steiglein wurden mir
immer vertrauter. War das vielleicht der Weg, auf dem sie die
früher die Mühlsteine ins Tal aus der Höhle gebracht hatten?
Oder der? Hoffnungsschimmer und Frustgefühle wechselten sich
dauernd ab. Am Ende die Einsicht. Ich finde es nicht, das Loch,
heute zumindest. Ich muß wohl wiederkommen, an einer ganz
bestimmten Stelle weitersuchen, wo ich umgekehrt bin, weil es mir
nicht mehr richtig erschienen war. Vielleicht bin ich 10 m vor
dem Eingang umgekehrt. So ist das halt bei der Höhlensuche.
Einfach ist sie manchmal nicht, aber das macht das Ganze ja so
spannend! Die Höhle blieb, zumindest für mich, verborgen.
Bei der Kaiserbuche am Haunsberg | ||
Roter Pfeil zeigt auf "Frauengrube" | ||
Auf dem Geo-Pfad | ||
29. Juni 2008 - "Face the challenge".
Manche müssen dazu sich die todesträchtigsten Eiswände am
Annapurna in Nepal aussuchen, mir genügte gerade schon der
Felsmugl nördlich von Salzburg, der Haunsberg. Eine Höhle zu
suchen, intensivst, und sie einfach nicht zu finden, das kann man
psychologisch verschieden verarbeiten. Die "loser"
denken sich, daß doch dauernd was in ihrem schief läuft und sie
lassen es eher oder später ganz sein. Die Gleichgültigen, die
lassen auch ihre Finger weiter davon und warten vielleicht auf
den Tag, wo sie jemand, bildlich gesprochen, hinträgt. Die
"challenger", die kommen wieder. Ich bin so einer und
kam mit Alfred Schlagbauer wieder, schon bald nach meinen
frustigen Tagen dort. Alfred ist noch in Rekonvaleszenz und darf
sich nicht zu viel zumuten, aber vielleicht auch nicht zu wenig.
Ein bißchen was, damit der Körper und der Geist wieder mehr in
Bewegung kommen. Und eine Höhle zu suchen, von der wir kaum eine
Ahnung hatten, wo sie denn wirklich war, das war schon so ein
mentales Hühnerfutter für uns.
Wenn man einmal weiß, was los ist, wirklich, dann sieht alles
easy aus, aber vorher! Da steht wirklich keine 100 m vom
Höhleneingang eine große Tafel am Rand des Geopfades und
erklärt einem in Wort und Bild die Besonderheiten der Gegend.
Und da gibt es auch einen kleine Karte, wo Örtlichkeit und
Höhle drinne ist. Nun gilt es nur noch, das alles den wirklichen
Verhältnissen gemäß zu interpretieren.
Um ein Haar hätten wir es diesmal wieder nicht geschafft. Alfred
hat es am Schluß schon richtig formuliert: "Du scheinst
schon einen Riecher für die Löcher zu haben." Ja, manchmal
braucht man wirklich so etwas wie einen siebten Sinn. Die
Naturlandschaft mit den Abbildung davon in Übereinstimmung zu
bringen - das gelingt manchmal nicht, weil die Abbildung davon
einfach nicht stimmt, manchmal stimmt einfach auch unser inneres
Bild nicht mit dem um uns zusammen.
Ein kleines Beispiel für dieses Immer-wieder-Auseinanderklaffen
von Vorstellung und Wirklichkeit erlebten wir diesmal wieder. Das
gibt es den Plan mit der Einzeichnung der Kurve eines Wegs über
der Höhle, aber wo war bloß die "Kurve", welches war
der "Weg". Ich hatte da so eine vage Vorstellung, aber
als ich dann tatsächlich dort war, da tatsächlich wieder alles
anders. Dort, wo ich gehofft hatte, daß sich eine Spalte in den
Berg öffnen würde, das war nichts. Der Weg führte einfach
weiter, machte die nächste Kurver nach oben, dann noch eine und
führte am Ende hinaus aus dem Wald und hinauf über eine Wiese
zum nächsten Hof und zur Straße auf den Haunsberg. Wieder
daneben gelangt. Alfred prüfte sein Foto auf der Digitalkamera
mit Zoomfunktion und hatte alles direkt vor sich im Bild. Seine
Interpretation: Sie Höhle liegt unterhalb des Hauptwanderwegs,
den wir heraufgekommen waren. Ich hatte nichts dagegenzuhalten.
Vielleicht hatte er recht. Nirgend zeigte sich auch nur ein
handbreiter Spalt. Er letzter, fast schon verzweifelter Versuch.
Abwärts wurde es immer steiler, manchmal fiel der Hang schon mit
lotrechten Felswänden ab. Ein kleines Tälchen schien den Zugang
nach unten zu ermöglichen, was sie dann auch als möglich
herausstellte.
Kleine Überhänge waren da, ein Felsloch, das mindestens das Anschalten der Taschenlampe erforderte, um es als aussichtslos zu kategorisieren. Immerhin, da schienen kleine Spalten nach unten zu führen, aber die waren alle verfüllt mit Felsen. Aber da war ich nicht der Mensch. Da war ein kleines Steiglein und tatsächlich, da war es auf einmal, das Loch. Vollkommen uneinsehbar vorher, Ein Blick hinunter - das Aluplättchen mit der Höhlenregistriernummer versprühte seinen unerträglichen bürokratischen Charme. Da war die lange gesuchte Höhle - auf einmal. Hineingehen? War nicht möglich, denn es ging lotrecht hinunter. War klettern möglich? Das weiß man erst hinterher - immer. Ich war nicht alleine, Alfred suchte irgendwo anders in der Gegend herum, wahrscheinlich schon unterhalb der Straße, wo er den Eingang vermutet hatte. Auch wenn ich hinunterfliegen würde, dann würde man mich wohl bald finden, aber mußte ich mir das wirklich gleich antun? Ich machte zwei Fotos am Eingang und verschob schon in Gedanken die wirkliche Tour in die Höhle aufs nächste Mal. In Stufen nach oben bzw. unten steigen - das hat schon was. Es ist der sorgsame Umgang mit der knappen Resource "Freude", und die Vorfreude, ist sie nicht die noch größere Freude als der Moment, wo man hat/macht/bekommt, was sich so erträumt/erhofft/gekapert/geraubt hat? Denn gar nicht so selten ist dieser magische Moment, wo sich Objekt der "Begierde" und "Begehrender" wirklich treffen, massivst ernüchternd. Gar nicht so seltene Reaktion ist dann, daß man sich aufmacht, um die nächste Höhle/Ort der Begierde/nächsten Event usw. schon wieder im Kopf zu haben.. ich kenn das. Man kann das Karussel, sofern man es in der Hand hat, dann halt ein bißchen langsamer laufen lassen. Wiederkommen, noch einmal sehen, vielleicht gar ganz Neues sehen...
Wir werden wiederkommen, mit Seil und Schlaz. Aber ich weiß jetzt, wo der Eingang ist. Das hilft.
Literatur:
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg | Salzburger Höhlenbuch Band 1, Salzburg 1975 |
Sloterdijk, Peter | Im Weltinnenraum des Kapitals, Suhrkamp-Verlang, Frankfurt am Main 2005 |
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