Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen um Neuessing, Altmühltal


Auf dem Steg über die Altmühl, 2015 / Im Gelände oberhalb von Essing


Die Klausenhöhlen bei Neuessing, Bayern, D


Neuessing gehört sicherlich zu den schönstgelegenen Orten Bayerns. Nördlich der Altmühl steigen steil die schroffen Kalkfelsen bis hinauf zur Burg Randeck, auf der anderen Seite liegen die stark bewaldeten Südhänge des Almühltals. Früher war als noch viel idyllischer. Da zog einfach die Altmühl am Ort vorbei. Ein Torturm sperrte die Ortschaft ab gegen die Außenwelt, die hauptsächlich aus dem Fluß bestand. Mit dem Bau des Main-Donau-Kanals und unendlich tiefen Einschritte in die Landschaft hat sich alles massiv verändert. 

Wer es nicht von früher her kennt, den werden solche nostalgischen Gedanken kaum berühren, er sieht halt das Heute, und das ist nicht übel geraten. Der "Fortschritt" und das "Wirtschaftswachstum" hat nicht alles platt gemacht. Die Häuser sind nicht verfallen oder abgeblättert. Eher ist das Gegenteil der Fall. Frisch heruntergeweißelt ist alles, Kopfsteinpflaster überall, schmuck herausgeputzt ist alles. Und ein architektonisches Meisterwerk hat man sich geleistet. Die große Holzbrücke über die Altmühl, ein Schmuckstück.

In den Hängen links und rechts der Altmühl verbergen sich mehr als ein Dutzend Höhlen. "Verbergen" paßt gut, weil man sich schon gut auskennen muß, um sie aufzuspüren. Der Ortsbevölkerung waren sie wohl immer schon bekannt, waren sie doch Orte, wo man sich im Kriegsfalle vielleicht zurückgezogen hat, wo man vielleicht auch mal ein privates Festerl gefeiert hat (belegt durch die zurückgelassenen Biertragerln und leeren Flaschen in ein paar Höhlen). Die Felsnischen im Ort waren schon immer Aufenthaltsorte der Menschen, die Sesselfelsgrotte ist ein starker Hinweis darauf.

Menschliche Spuren
Tierische Spuren:

- Spinnennetz und Igelkadaver

Inschrift von Besuchern:

 

Mitten in Neuessing geht es hinauf zur Sesselfelsgrotte am nördlichen Altmühlhang unter den Felsen, im Fränkischen Höhlenkataster mit der Bezeichnung H68 erfaßt. Dort ist einer der "wichtigsten Palöolithstationen in Europa" (Uthmeier 2021, S. 54). Den Ausgräbern, 1964 unter den Leitung von Zotz begonnen, und dann von Gisela Freund in  über 15 Grabungskampagnen fortgesetzt, gelang es 20 Schichten mit Fundeinschlüssen von den Anfängen der Würmeiszeit bis zur deren Abklingen auszugraben. Zwischen 108.000 und 78.000 v. Chr. wurde sie nur temporär aufgesucht, zwischen 53.000 und 43.000 v. Chr. war sie dann besonders intensiv besiedelt. Weit über 100.000 Steinwerkzeuge wurden ausgegraben, die eine immer raffiniertere Steinschlagtechnologie und der Versorgung mit Rohstoff belegen (Schmid 14). Eines der wenigen mittelpaläolithischen Gräber überhaupt in Europa fanden die Archäologen auch an dieser Stelle, das Grab eines 8 Monate alten Fetus.

Dokumente eines Verfalls

> 2022

Am Weg zur Grotte

 

Sesselfels

> 2022

Weitere Kleinhöhlen
Am Kreuzfelsen

Geht man von Essing altmühltalaufwärts durch den Ort und folgt der Straße aus dem Ort in Richtung Riedenburg, dann passiert man erste einmal die Abzweigung über die Brücke in Richtung auf die Klausenhöhlen. Folgt man der Straße weiter, dann kommt bald darauf rechts eine Gastwirtschaft. Schaut man genau hin, dann sieht man rechts auch eine Kapelle (erinnert an die Trockenheit 1692, wo der Bach ganz verschwand) und einen Bach. Im Sommer 2018 war das Gelände nicht mehr zu erkennen. Die Wirtschaft war verschwunden, stattdessen wurde ein neues, grösseres Haus an dieser Stelle errichtet. Offenbar lohnt es sich, hier zu investieren. 

Seitlich am Bach war möglich, auf schmalen Pfadspuren bis zur Quelle hinaufzugehen. Hier ist kräftig verändert worden und alles gut betoniert worden. Ein wenig Natur ist noch übrig. Aber keiner weiß wirklich, was nicht das nächste grosse Hochwasser hier wieder verändern wird. Dann könnte schon bald alles wieder ganz anders aussehen. Was auch immer mit dem Wort "Natur" bezeichnet wird, es ist machtvoll, oft viel viel more powerful als sich der angebliche Herrscher über sie, lt. Bibel, aussinnt. Leider leidet die Ästethik schon vorher, in diesem Fall auch wieder. Vergleicht man die Bilder von früher mit denen von jetzt, dann ist leider auch da wirklich vom Hegelschen "Fortschritt" nichts zu bemerken. 

Wer mehr über die Quelle lesen will, der sollte den Artikel von Häck lesen.

< Jetzt 2018

> Früher

Oktober 2019
Das Wirtshaus ist aufgegeben, eine Wohnsiedlung entstand an dieser Stelle.

Nun geht es nur noch in geordneter Weise hinauf zur schönen Quelle.

An der Altmlühl sieht das Altmühltal heute, 2018, so aus. Wo sind all die Frachtschiffe, die ja wohl einstmals als "Begründung" herhalten mußten, um die große Umwandlung einer großartigen Naturlandschaft in eine Reiseindustriebrache zu rechtfertigen? Alle heiligen Zeiten kommt da ein Touristenschiff vorbei, voller vollbauchiger Passagiere und anderen.

Ein paar Schritte vom Kanal weg....da gibt es sie noch, glücklicherweise, die alte Idylle...nur ein wenig lärmgestört von den vorbeifahrenden Fahrzeugen im Hintergrund

Oktober 2019

 


Panoramaaufnahme von der Altmühlbrücke 2022

 

 


 

Literatur:

Böhner, U. Sesselfelsgrotte IV: die Schicht E3 der Sesselfelsgrotte und die Funde aus dem Abri  1 aus dem Schulerloch, Forschungsprojekt: Das Paläolithikum und Mesolithikum des Unteren Altmühltals II/4, 2008
Freund, G. Sesselfelsgrotte I - Grabungsverlauf und Stratigraphie - (Forschungsprojekt "Das Paläolithikum und Mesolithikum des Unteren Altmühltals II" Teil I). Quartär-Bibliothek, Band 8 (Saarbrücken 1998)
Freund, G. u. J. Richter (Hrsg.) Sesselfelsgrotte VII. N Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Wirbeltierfauna 2 - Mollusken - Vegetation, Stuttgart 2017
Häck, Bernhard Der Blautopf (X514) bei Essing im Altmühltal, in: Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher, Karst und Höhle 2008-2010 Südliche Frankenalb - Region Altmühl- und Donautal, München 2010, S. 155-160
Rathgeber, Thomas Fossile Menschenreste aus der Sesselfelsgrotte im unteren Altmühltal (Bayern, Bundesrepublik Deutschland). Quartär, Jahruch für Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit, Band 53/54, S. 33-59, Saarwellingen 2006.
Schmid, Alois (Hg.) Das Alte Bayern - Von der Vorgeschichte bis zum Hochmittelalter, C.H.Beck, 
Uthmeier, Thorsten Ein Forscherleben für das bayerische Paläolithikum - Gisela Freund zum 100. Geburtstag, Bayerische Archäologie 1/2021, S. 54ff.

  Links

http://www.marktessing.de/

http:    //www.antenne.de/programm/aktionen/bayern-von-oben/essing

https://www.uf.phil.fau.de/abteilungen/aeltere-urgeschichte/projekte-der-aelteren-urgeschichte/die-sesselfelsgrotte-in-neuessing/

Die Sesselfelsgrotte (Projektseite an der Universität Erlangen)

Landschaft und Höhlen im Unteren Altmühltal


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