Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Felsengarten von Sanspareil


Westlich von Bayreuth, am Nordrand der Fränkischen Schweiz, verbirgt sich in einem Wäldchen aus hohen Bäumen ein kleines Naturwunder, ein natürlicher Garten mit wildgeformten Felsen, eingebettet heute in eine vom Menschen ausgedachte Struktur, die viele Anklänge an das antike Kulturgut aufgenommen hat. Den Höhlen wurden lauter Namen aus der griechischen und römischen Mythologie gegeben, einige sind ausgebaut zu lauschigen Sitzplätzen. Höhepunkt ist dann das Theater, idyllisch hineingebaut in eine Felskulisse. Ein sehr angenehmer Ort zum Sein und zum Wandern.

Mentors Grotte

Bärenhöhle

Dianengrotte

 

 

 

"Die Lage des Ortes ist einzig. Die dort aufgeführten Bauten sind von sonderbarem Geschmack. Die Natur selbst war die Baumeisterin." Die Person, die diese Sätze schrieb, Wilhelmine von Bayreuth, machte sich mit der Schaffung des kleinen Kultur-Natur-"Wunders" Sanspareil, was auf deutsch "Ohne Beispiel" heißt, so weit das für uns Menchen geht, "unsterblich". Sie hatte das Besondere dieses Ortes erkannt und es durch ihre Ideen zum "Blühen" gebracht. Was wir heute noch sehen, das ich nur noch ein Rest. Da soll es auch noch einen "Äolstempel" gegeben haben, der wurde durch Blitzschlag zerstört. und auch noch andere Bauten, die aber wegen Baufälligkeit inzwischen längst wieder zerstört sind.
Geistiger Hintergrund für die Umgestaltungen der verschiedenen Kleinhöhlen in Refugien soll eine von Fenelon geschriebene Version der Lebensgeschichte Telemachs, des Sohns von Odysseus, gewesen sein. Das Werk war wohl von Anfang an nicht ganz "sauber", denn der Papst hat gleich mal 22 Seiten daraus streichen lassen.

Für jemand, der sich für die "klassischen" Verbindungen von Mensch und Höhle interessiert, ist Sanspareil ein Gipfelpunkt. Calypso, Pan... Alle findet man hier.

Man konnte diesen Ort auch besuchen, ohne zu bemerken, daß es da Höhlen gibt. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf gibt 1765 einen kurzen Besuchsbericht, wo man vergeblich das Wort "Höhle" suchen wird: "Der Anblick der Berge, die ihm umgeben, ein Kiefernwald auf dem Gebirgshang, der einen Teil des Parkes ausmacht, ländliche Wohnungen und kleine, verstreute Einsiedeleien in diesem Wäldchen und die Reste eines antiken Theaters bilden dennoch einige sehr angenehme Partien." (Weiss/Erdmannsdorf 82).

2008

 
   

Oktober 2021

   

 

 

Wilhelm Heinrich Wackenroder berichtet über die Pfingstreise mit Ludwig Tieck in einem Brief an seiner Eltern 1793

"Sanspareil (eigentlich heißt das Dorf Zwernitz) ist einer der drei berühmten Lustgärten des Bayreuthischen Hofes. Friedrichs II. Schwester, Markgräfin von Bayreuth, hat ihn angelegt. Man macht sich eine falsche Vorstellung davon, wenn man es für einen künstlichen Garten mit einem prächtigen Lustschlosse hält. Es ist, kurz gesagt, ein ganz offener Wald mit natürlichen Felsenstücken. Die Bäume sind die herrlichsten Rotbuchen, die ich je gesehen habe, fast alle gleich gerade, stark und hoch. Die jetzige Jahreszeit, die für das Grün des Laubes die günstigste ist, gab diesem Hain vorzügliche Schönheiten. Wie aber die Natur diesen kleinen Platz durch die interessantesten Felsengruppen zum Lustort gebildet hat, kann kaum jemand glauben, der nicht diese Art von Felsen selbst gesehen hat. Es erheben sich nicht nur große, bemooste Felsenmassen aus der Erde zwischen den Bäumen, so daß sie durch Kunst ausgehauen und aufeinander gestellt scheinen, sondern sie bilden auch mehrere große und kleine Nischen, Grotten und Höhlen, indem der Felsen oben weit herüberhängt und inwendig wie mit einem Meißel glatt und hohl ausgearbeitet ist. Audi lehnen sich an einigen Stellen zwei große Felsenstücke oben aneinander und lassen eine breite Spalte oder Kluft zum Durchgehen zwischen sich. Hinten auf einem Platz voll kleinen Gebüsches findet man einen ganz isolierten pyramida- lischen Felsen, worauf ein Lusthäuschen steht, und einen andern rötlichen Felsen, der einen flachen aber breiten Schwibbogen bildet. Hinter dem Schwibbogen ist sehr artig ein kleines Theater.

Die Einbildung hat den romantischen Hain zum Aufenthalt des Telemach, zur Insel der Kalypso umgeschaffen. Daher findet man hier die Grotte der Kalypso, der Sibylle, des Vulkans, des Amors, den Tempel des Äolus. Diese Allegorie ließ ich mir gern gefallen; denn ich ward beim Anblick dieser sonderbaren Felsenbildungen in eine ganz fremde Welt gezaubert. Allein der schönen Insel fehlt das Wasser. Man hat indes den Vorteil, daß man im Gebüsch keine Insekten im Sommer zu fürchten braucht In den heißesten Sommertagen ist dieser Ort erst recht zu schätzen; denn die Felsenhöhlen und dichten Schatten der Bäume machen ihn zu anderen Zeiten fast immer kühl. Die Grotte des Vulkans ist die größeste Aushöhlung im Felsen. Sie ist ein kleiner offener Saal. Die Sitze darin sind in Stein gehauen.

In Sanspareil führte uns ein Kastellan herum. Im Garten liegen mehrere kleine Häuserchen und vorn 4 größere Gebäude, auswendig mit bunten Steinen sehr artig grottiert. Im Dorf bestiegen wir einen alten runden Turm auf einer Anhöhe, den man weit sieht und von dem man eine gute Aussicht hat."


 

 

 

 

Literatur:

Günther, Franziska Wandern durch Felsformationen aus Kalkstein, Höhlen und Grotten, - Entspannt wandern, Beilage der Süddeutschen Zeitung, 2021, S. 44-45
Heller, Josef Muggendorf und seine Umgebungen oder die Fränkische Schweiz, Nachdruck der 1. Auflage aus dem Jahre 1829, Palm & Enke, Erlangen 1979
Seitz, Helmut Gartengeschichten - Der Felsenpark ohne Beispiel, Süddeutsche Zeitung Nr. 219, 22.9.1993, S. 46
Striebel, Thomas, Maier, B., Kaulich, Brigitte Der Felsengarten "Sanspareil" (Markt Wonsees), ein Landschaftspark im Dolomitkarst, Mitteilungsheft der Höhlenforschungsgruppe Blaustein, 15. Jahrgang, Heft 2, 2000, S. 55ff.
Weiss, Thomas, hrsg. von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff - Kunsthistorisches Journal einer fürstlichen Bildungsreise nach Italien 1765/66, Kataloge und Schriften der Kulturstiftung Dessau Wörlitz, Band 12, Deutsche Kunstverlag München Berlin 2001

 

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