Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das Heidenloch bei Weißenbrunn


"..der "Natur", dem "Klima", den "Weltmeeren" ist ja völlig gleichgültig, ob sie sich verändern oder nicht. Das bewusste Registrieren von Umweltveränderungen bleibt dem Menschen vorbehalten; es bedarf eines Subjektes, und zwar eines, das sich darüber klar ist, dass ein Leben endlich ist....Die Erde plant so wenig wie das Meer, und auch wenn die Menschen verschwunden sind, wird die Biosphäre weiterexistieren. Deshalb sind alle ökologischen Fragen nie etwas anderes als soziale und kulturelle Fragen: Sie betreffen immer die Existenzbedingungen menschlicher Überlebensgemeinschaften." Welzer, SELBER DENKEN 116


Das "Heidenloch" ist ein von mehreren vom Menschen geschaffenen unterirdischen Objekten im mittelfränkischen Hügelland, das einstmals bei der Gewinnung von Sand entstanden ist. In guten Karten ist die "Höhle" lagerichtig eingezeichnet, auch im MAPS.ME ist sie punktgenau angegeben. Sie zu finden ist daher kein Kunststück mehr. Von der Straße von Weißenbrunn in Richtung Winn her ist sie in einer guten Viertelstunde Fußmarsch erst auf einem bezeichneten Weg und dann über einen heute nicht ausgeschilderten Trampelpfad gut zu erreichen.  Dann steht man vor einem massiven Eisentor. Zwischen den rostigen Stangen kann man in eine Halle blicken, von der seitlich noch einige Räume abgehen. Wenn man genau hinschaut, dann sieht man Mauerwerk, das aufgerichtet wurde, um als Stütze für eine Betondecke zu dienen, mit der eine große Öffnung nach draußen wieder verschlossen wurde. Im Laufe der Jahre war dort die Erdoberfläche eingebrochen und man wollte das Objekt schon aufgeben. In den Blick gefaßt hatte man die Streichung aus der Liste der Naturdenkmäler und die Sprengung oder Verfüllung der Höhle durch den Besitzer. Und es heißt: "Daß die Höhle auch als archäologisches Bodendenkmal ausgewiesen ist, wurde dabei übersehen."!

Es kam aber anders. Mitglieder der Abteilung für Karst- und Höhlenkunde der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg engagierten sich und wollten der Zerstörung dieses Denkmals nicht einfach zusehen. In vielen freiwilligen Arbeitsstunden wurde eine neue Decke eingezogen. Das Geld für die Baumaterialien kam von der Unteren Naturschutzbehörde. Man hoffte, daß das Objekt auch als Fledermausquartier in Frage kommen könnte.

Nun existiert also die "Höhle" im unklassichen Sinne noch immer, allein man kann sie normalerweise nicht betreten, weil eben ein Gitter das unmöglich macht. Ein Schild ist drinnen aufgehängt, das einen als Naturfreund anspricht und auf dem begründet werden soll, warum man nicht hinein dürfe. Leider steht auch da, genauso wie an so manch andere von den Naturschutzbehörden verfügten Sperrung, das geschehe aus "Sicherheitsgründen". Diese Begründung taugt bloß nichts, denn, was heißt schon "Sicherheit"? Wer soll hier vor was "geschützt" werden? Wenn wir die ganze Welt so sehen, dann ist sofort alles menschliche Zusammenleben auf diesem Planeten einzustellen. Überall gibt es Unsicherheit, man denke nur an den Umgang von uns Menschen untereinander oder z.B. an den Verkehr! Da kommt mir ein Auto entgegen auf der Straße. Es könnte doch sein, daß da ein Fahrer drin sitzt, der gleich einen Herzinfarkt erleiden wird und mir frontal hineinfährt! 

Wo soll in diesem Hohlraum eine Gefahr kommen? Könnte nicht, gerade wenn ich drin bin, ein Stein aus der Decke brechen und mir auf den Schäden fallen? Wenn das öfter vorkäme, dann müßten längst alle Steine auf dem Boden liegen und es wäre keiner mehr oben, der herunterkommen könnte. Und außerdem, von oben kann vieles kommen. Hinter mir fiel einmal in München eine Dachplatte auf die Straße, einen Meter hinter mir. Sperren wir jetzt alle Innenstädte, weil so etwas schon passiert ist und deshalb auch wieder vorkommen könnte? Und nicht auch einmal ein Meteor aus dem Himmel herabschießen und mich treffen? Sollen wir den "Himmel" aus Sicherheitsgründen sperren?
Könnte sich nicht plötzlich eine Spalte im Boden öffnen und uns verschlingen? Genau das ist vor Jahren in München passiert. Da ist plötzlich ein Personenbus in einem Erdloch an der Haltestelle zur Hälfte verschwunden. Sollten wir nicht auch den Erdboden sperren? 

Für mich spiegeln solche Abriegelungsmaßnahmen nur unsere Seelenlage wieder, nicht die tatsächlichen Verhältnisse. Auf dem Rückweg lauschte ich noch einem Radiointerview mit dem Präsidenten der Deutschen Max-Planck-Gesellschaft. Er konstatierte, daß wir heute eine große Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaft in der Öffentlichkeit erleben würden. Viele Menschen sind heute sehr sehr skeptisch gegenüber vielem, was da aus dem Bereich der "Wissenschaft" kommt. Nicht "Wahrheit" sei das Ergebnis wissenschaftlicher Tätigkeit, sondern es seinen allenfalls "Erkenntnisse", die man gewinnen könnte. Mir scheint, daß das auch für den "Naturschutz" in Teilen gilt.

"Es irrt der Mensch, solang er strebt." Das hat schon unser Klassiker Goethe einmal geschrieben. Durch das Anbringen eines Abschlußgitters am Heidenloch hat man die Welt nicht verbessert und auch die "Sicherheitslage" wurde nicht wirklich besser.

     
     

Literatur:

Kaulich, Brigitte Neues vom Heidenloch bei Weißenbrunn, 2002
Welzer, Harald SELBST DENKEN - eine Anleitung zum Widerstand, S.Fischer-Verlag, Frankfurt a.M. 2013

Links:

https://www.zobodat.at/pdf/Natur-und-Mensch_1988_0059-0063.pdf

http://www.caveseekers.com/uncaves/Heidenloch/uncave.html

https://www.komoot.de/highlight/193725

Sandsteinhöhlen am Nordrand der Altmühlalb


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