Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen im Monte Pellegrino bei Palermo, Sizilien, I


Eingang in die Rosaliengrotte, Juni 2006


Goethe hat da wieder einmal einen Ausdruck verwendet, den trauen sich nur wenige so freimütig verwenden: "Das schönste Vorgebirge der Welt" sei der Monte Pellegrino, zumal ja seine "Weltkenntnis" schon natürlicherweise, wegen der geringen Transportmöglichkeiten damals, nur sehr sehr beschränkt gewesen war. Egal, es klingt gut.

Von Palermo aus ist er nicht zu verfehlen, zumindest wenn man weiß, welcher der umliegenden Gipfel, und deren gibt es einige, denn nun der Pellegrino ist. "Pellegrino" heißt "Pilger", und das hat seinen Grund. Dort gibt es nämlich eine besondere Höhle, wo wohl über Jahrhunderte hinweg die Menschen hingegangen sind, um für ihre Lebensprobleme Hilfe zu erhoffen und vielleicht auch zu bekommen.

25 m ist sie tief und vorgeblendet sind mehrere Bauwerke. Das raffiniert gestaltet, denn nach dem Eintritt in einen großes Gebäude öffnet sich auf einmal der Blick wieder auf einen großen Lichteinlaß von oben. Der ist heute nicht mehr wirklich offen, weil Drahtseilnetze wohl die Menschen vor herunterstürzenden Steinen schützen sollen und so einen Großteil des Effekts zu nichts machen, aber ein bißchen wirkt diese Inszenierung heute noch. In diesem offenen Vorteil steht vor allem eine sehr blickheischende Statue einer jungen Frau, wohl die Rosalie darstellen sollend. Ringsum sind viele Dinge, die Menschen hierher gebracht haben, weil sie angenommen haben, die "Heilige" hätte ihnen "geholfen". Als ich im Juni 2006 mal dort war, war die Szene von einem großen LKW-Reifen bestimmt. Wahrscheinlich hat da jemand ein Unglück überstanden und hatte noch Gelegenheit seinem Glück auf seine Weise zu danken. Nicht zu übersehen ist die Gedenktafel an Goethe, der ja in seinen glühenden Worten dem Ort sehr viele zusätzlich Besucher zugebracht hat: "Ein schönes Frauenzimmer erblickte ich im Schein der Lampen...."
Das "Frauenzimmer" ist in dem Schrein, der im linken Teil der kleinen Höhle seinen Platz hat. "Höhle" ist vollkommen angemessen für diesen Platz, denn es gibt sogar richtige Tropfsteine, deren Reste man von der Decke herabkommen sieht. Was ganz anderes dominiert aber diese Decke: das sind die vielen, vielen Blechrinnen, die dazu dienen, das Regenwasser aufzufangen und zu kleinen oder größeren Behältern zu leiten, wo es aufgefangen wird. Diesem Wasser werden natürlich besondere Qualitäten zugeschrieben. In der Medizin ist ja gar nicht so selten wichtig, was drin ist, sondern daß jemand daran glaubt, daß da was wichtiges enthalten ist. Und dann hilfts!
Der Schrein mit der Figur der Heiligen aus dem 18. Jahrhundert ist kunstvollst gestaltet. Daneben gibt es auch noch einen Altar, der mit einer Madonna gekrönt ist, die mit dem typisch blauen Hintergrundlicht hervorgehoben wird.
Wer sich ein bißchen länger in der Höhle aufhält, dem wird auffallen, daß immer Leute kommen und gehen. Keine Touristen, sondern Gläubige. Ich habe da ein paar alte Frauen sitzen sehen, die saßen da einfach vor dem Schrein, saßen und saßen und nichts auf der Welt schien es mehr zu geben, das sie von dort wegbringen würde.

Was hier als "heilig" verehrt wird, hat, wie an so vielen anderen Orten auch, eine Vorgeschichte, die vor "Unglaubwürdigkeiten" kaum übertroffen werden kann. Bemerkenswerterweise werden auch noch ganz präzise Jahres-, ja sogar Tagesangaben gemacht. Am 4. September 1166 sei in der Höhle Rosalia gestorben, "nach einem 5 Jahre dauernden heiligmäßigen Leben". Sie mußte fliehen, weil sie die Tochter einen Grafen war, der in einen Aufstand gegen den König von Sizilien gewesen war und der dann hingerichtet worden war.
"Unglaubwürdigkeiten - taggenau?" Am 15. Juli 1625 sei sie 2 Eremiten, die am selben Berg gelebt hätten, erschienen. Sie hätte damals auf ihre Einsiedelei in der Höhle diese Männer hingewiesen. Sie war ja nur eine "Erscheinung". Als die Männer dann diese Höhle aufgesucht hätten, da seien sie auf ihren "wohlerhaltenen Körper, einen Rosenkranz auf dem Haupt, dazu einen Stein mit ihrem Namen" gestoßen. Was für Zufälle es nicht doch auf dieser Welt gibt! Richtig berühmt wurde der Ort aber erst durch das Pestheilungswunder. Es herrschte nämlich gerade die Pest in Palermo und als man die Gebeine aus der Höhle in die Stadt gebracht hatte, da war es vorbei mit dieser fürchterlichen Krankheit. Seither galt sie als "Großer Name" im Heilgeschäft, vergleichbar wohl heute etwa mit "Pfizer". Sogar im fernen Kärnten wurde eine Höhle nach ihr benannt!

Blick vom Monte Pellegrino auf Palermo
Der Pelegrino oben: ein richtiges Karstgebiet!
überall Löcher - auch im Kleinen
Blick aus dem profanen

hinauf zum sakralen Bereich

Im Innern des Gebäudes und vor der Höhle
Eine Kerze brannte dort

wohl nicht zum ersten Male

Devotionalien
In der Höhle
Sammelbecken für das "Rosalienwasser"
Die "Einzigartigkeit" der Höhle (neben anderen):

die seltsam anmutenden Blechrinnen, die das
abtropfende Wasser sammeln sollen, um es
in Becken zu leiten

Ein kleines Stück Steinkunst:

Blick auf das Steingeländer, das die
"letzte Ruhestätte" der Rosalie umgibt

Wieder draußen:

Rosalia und anderes "for sale"

What do you do for a living?

Grotten soweit das Auge blickt

Rosalia, Lourdes,

Pater Pio steht auch im Raum dazwischen

Ein Stück bemalte Rinde zum Kaufen:

Anleihe bei einem anderen "heiligen Ort":

Lourdes

Preis 1 € - Penisse aus Plastik gab es dort zu kaufen!

hat aber "wieviel" hat so ein Stück Materie mit der Sakralität des Orts zu tun?

Die Rosaliengrotte ist nicht die einzige Höhle dort, und schon Jahrtausend vorher haben Menschen ihre Kunst dort an die Höhlenwände geritzt. Es geht da um eine Höhle, deren Eingang man eigentlich nicht verfehlen kann, denn groß genug ist er und auffällig wie kaum ein zweiter, die Grotta Addaura.

1943 hatten die Allierten dort ein Munitionslager eingerichtet. Plötzlich knallte es und es kam zu einer Explosion. Sie führte dazu, daß plötzlich Höhlenräume zugänglich wurden, die lange Zeit unbekannt geblieben waren. Eine Art Zeitkapsel war geöffnet worden und es kamen Wandmalereien zum Vorschein: Stiere, Wildpferde und Umrisse von Menschen, "mit Umrissen, die sich wie im Rausch jubelnd und tanzend mit hochgerissenen Armen um zwei weitere Boden liegende und unnatürlich verkrümmte Gestalten versammeln...sind wir da Zeugen einer Hinrichtung?" Sauer 64

Von hier aus ginge man eigentlich zur Höhle,

allein wir hatten keine Ahnung, weil wir

nichts gesehen haben vom Eingang

Wir haben das gesehen zum Beispiel,

zuerst einmal

Wer sucht, der schaut genau hin!
Die Natur -

immer eine Entdeckung!

 

Da war er, unübersehbar, der Eingang. Hinkommen
ist nicht einfach.

Literatur:

Baedecker Sizilien, 8. Auflage 2005
Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Roma 1991
Mesina, Caterina, Groß, Nikolaus Wandern auf Sizilien, DUMONTaktiv, Hamburg 2002
Mancini, Massimo, Forti, Paolo Le incisioni seicentesche delle grotte di S. Rosalia, Speleologia 59, 2008, S. 35ff.
Schröder, Thomas Sizilien, Michael-Müller-Verlag, 5. Auflage 2004

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