Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhlen in der Schlucht von Covatannaz, CH


Die Schlucht von Covatannaz liegt in nördlichen Waadtland zwischen Vuiteboeuf und Sainte-Croix. Es ist eine wilde Felsschlucht, die man auf einen guten Wanderweg einfach durchqueren kann, der aber durch schwierigstes Gelände führt. Mehrere hundert Meter hoch ist die Kalkfelswand oberhalb von einem, unterhalb tost in einem wilden Canyon ein Bach über mehrere hohe Wasserfälle in die Tiefe.

Man kann entweder vom Tal aus in Vuiteboeuf auf dem Weg nach oben steigen oder von oben her kommen. Dann muß man auf der kurverreichen Paßstraße erst einmal Richtung Sainte-Croix fahren und dann auf ein schmales Sträßlein nach links abbiegen, das letztlich bis zur Gemeindekläranlage führt. Von dort führen dann gut beschilderte Wanderwege weiter.

Ich hatte mich Mitte 2006 zu diesem Weg entschieden, als ich mal eine kleine Rundtour durch den Schweizer Jura unternommen hatte. Niemand war ansonsten hier. Es war schon beängstigend still hier, nur von der Straße oben kam natürlich der Verkehrslärm herunter und aus der offenen Lagerhalle vor mir drangen seltsame Geräusche. War da jemand drinnen? Einen halben Meter hoch schien da drinnen der Klärschlamm zu liegen - tja, und da wurde automatisch wohl von oben neuer immer wieder nachgegossen, was so einen seltsam ungeklärten Klang in regelmäßigen Abständen erzeugte.

Es ging beständig abwärts in dem v-förmigen Tal, immer entlang an diesem frischen Bächlein. Dann wurde es dramatisch. Der Canyon begann, von oben taten sich spannende Einblicke in diese dramatische Szenerie auf. Bei Canyonisten muß das für mehrere Orgasmen reichen. Und dann. Auf einmal war da was zu sehen, was so ein Traumbild für Höhlenforscher sein könnte: Aus einem großen schwarzen Wandloch schießt ein gischtender Bach heraus und ergießt als Wasserfall 15 m in die Tiefe. Das ist ein klassischer Höhleneingang, die Öffnung der Grotte du Vertige. Erreichbar soll sie über ein schmales Felsband sein, aber unter den obwaltenden Bedingungen wäre da überhaupt kein weiteres Eindringen möglich gewesen. Trotzdem, ich versuchte so nah als es nur möglich war, hin zu kommen. Unterhalb stehen ein paar einfach Betonhäuschen, darin sind wohl die Anlagen für die Wasserversorgung von Vuiteboeuf. Es gibt noch drei weitere Höhlen in der Umgebung: die Grotte des Lacs, Grande Goule und Echelles. Die liegen auf der anderen Seite des großen Baches, auf dessen Südseite ich stand. Bekannt ist diese Örtlichkeit sicherlich seit Urzeiten, betreten wurde die Grande Goule nachweisbar schon in der Bronzezeit. 1871 wurde sie bereits von de Bonstetten ausgegraben und die Ergebnisse publiziert. 1906 veröffentlichte Emile Fontaine schon eine erste genaue Beschreibung der grotte du Vertige. Über viele Jahre hinweg wurde intensiv geforscht und inzwischen ist aus den vier einzelnen Höhlen eine einziges großes System von 4,7 km geworden, das einen Gesamthöhenunterschied von 103 m geworden. Wie Wassermarkierungen gezeigt haben erstreckt sich das Einzugsgebiet der Quelle bis in eine Entfernung von 10 km nordwestlich und 3 km westlich erstreckt.

 
 

 

Literatur:

Wildberger, Andres, Preiswerk, Christian Karst und Höhlen der Schweiz, Basel 1997
Perracini, Pascal, Deriaz, Patrick Les cavités des Gorges de Covatannaz (VD), Stalactite 33 (2), 87-98 (1983)
Deriaz, Patrick (coordinateur) Inventaire spéléologique du Nord vaudois, Inventaire Spéléologique de la Suisse tome V, La Chaux-de-Fonds, 2007

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