Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Erdstall von Eidengrub, Landkreis Cham


Bei der Einbringung der Kartoffelernte brach im September 1967 plötzlich ein Traktorrad in die Erdoberfläche in Eidengrub ein. Ein unterirdischer Gang war auf einmal zugänglich, von dessen Existenz vorher niemand gewußt hatte. Voraus gegangen war ein Jahr vorher die Abschürfung des Bodens oberhalb um 1 1/2 Meter, um mehr Raum vor der Scheune zu haben.

Eidengrub liegt bei Michelsneukirchen im Landkreis Cham, etwa 8 Kilometer südwestlich  von Roding. Nach einem Zehntverzeichnis soll der aus 4 Einöden bestehende Ort bereits im 13. Jahrhundert bestanden haben. Das jetzige Wohnhaus ist neu, das alte lag südwestlich vor dem Erdstall. Ein im Jahre 1924 abgebrochener Getreidekasten grenzte südlich unmittelbar daran. Eine von Schönwerth aufgezeichnete Sage berichtet von einem "Razelloch", das zu Döfering in der Kirche an der Stiege, welche zur Bahre führe, liegt. Der unterirdische Gang solle sich bis Eidengrub, das etwa 150 Schritte entfernt sei, ziehen. Der Eingang in der Kirche sei mit Steinen zugeschüttet.

Der Erdstall ist den Biotit-Granit hineingearbeitet worden, der mit Feldspat durchsetzt ist.

Um in den Erdstall zu gelangen, mußte er erst einmal wieder ausgegraben werden, weil er wieder verfüllt worden war. Im Winter 1972/73 unternahm diese Arbeit der Bauer und zwei Nachbarn. Der herausgeholte Material füllte einen ganzen Lkw. "Humushaltige, brandige und lehmige Erde, Sandteile, eine große Menge von Holzkohleresten, Ascheklumpen, mehr als 600 Topfscherben, viele Steine, die zum Teil Brandrisse zeigten und einen künstlich zugeschliffenen Hornstein" - das wurde damals aus dem Erdstall mühsam geholt.

Was kam zum Vorschein? Eine klassische Erdstallanlage! Unter dem Einstieg ist eine Rundkammer von 1 m Durchmesser. Nach links führt eine Stufe in einen winzigen Raum, der möglicherweise einmal die Schlußkammer mit den Maßen 1,85 m Länge, 1,50 m Breite und 1,15 m Höhe war. An der Seite ist eine "Sitzbank", 40 cm breit und 15 cm hoch. Über ihr ist eine kleine Nische, eine von 5, die im Erdstall insgesamt sind. An der Decke des rückwärtigen Kammerteils führt ein Schlupf mit ovaler Form schräg nach oben. 50 cm ist er lang mit einem Durchmesser von 38 auf 44 cm. Danach kommt man in einen kurzen Gang, der im Bogen leicht nach rechts schwingt. Eine Stufe führt in einen kammerartigen Raum von 1,85 m² Grundfläche bei einer Höhe von 1,20 m. An der Ostseite verbindet ein bogenartiger Schlupfgang mit einer Höhe von 85 cm und einer Breite von 45 bis 60 cm diesen Raum mit der nächsten Rundkammer. Eine auffallende Nische befindet sich dort mit Höhe, Breite und Tiefe von jeweils 1 m. Nach einer Stufe folgt ein 50 cm hoher Absatz. Ein Rundbogen schließt die Nische ab. Zwischen Decke und Absatz führt ein zweites, ebenfalls ovales Schlupfloch horizontal, leicht nach unten geneigt, in eine weitere Kammer (Abmessungen: 2,40 m Länge, Breite 1 m, niedrig). In dem Raum ist ein stufenförmiger Absatz mitten im Raum. In dem Raum gibt es eine tiefere Nische in der Nordwand, ein Bohrloch an der Sohle und eine "Lichtnische". Über eine weitere Stufe gelangt in eine weitere "Räumlichkeit", die, so vermutet Schwarzfischer, den ursprünglichen Einstiegsschacht bildet. An der Westseite ist eine brunnenartige Vertiefung, die mit Wasser gefüllt ist. Alle tiefer gelegenen Teile des Erdstalls sind den größten Teil des Jahres überschwemmt, was man an den Wasserrändern an den Wänden, die bis zu 30 cm über dem Boden liegt, erkennt. (Dieser Text ist die von mir verkürzte Wiedergabe der Originalbeschreibung von Schwarzfischer)

Sehr bemerkenswert an der Anlage ist, daß es keinerlei Fortsetzungen von den zu sehenden Teilen gibt. Öfters gibt es in Erdställen Gänge, die noch immer teilweise oder gänzlich verfüllt sind und noch nicht wieder ausgegraben wurden. Niemand weiß, was sich da vielleicht noch verbirgt. Ähnlich ist es bei Trockenmauern am Ende der Erdstallgänge oder in den Seiten. Würde man sie abbauen, was käme dabei zum Vorschein? Eine zentrale Frage ist zum Beispiel, ob die Erbauer der Erdställe denselben Weg gekommen sind, den wir heutzutage vielleicht benützen. Wurde er von dieser Richtung aus gebaut oder aus einer ganz anderen. Das läßt manchmal erst so richtig zu Bewußtsein kommen, welche großen auch physischen Leistungen die Erbauer erbracht haben. Denn sie haben oft nicht den aus unserer heutigen ökonomisch orientierten Sicht rationellsten Wege genommen, sondern andere.

Am Beispiel des Erdstalls von Eidengrub kann man die klassischen Fragen in Bezug auf Erdställe stellen:

Wozu haben sie gedient? Klassische Antworten wären Zufluchtsstätte bei Feindbedrohung, Versteck, Lagerraum. Tatsächlich sind Räume, die den größten Teil des Jahres unter Wasser stehen denkbar ungeeignet dafür. Die Räume sind so nieder, daß man es auf Dauer wohl nicht darin aushalten würde. Der Einbau von Schlupfen wäre im Verteidigungsfall ziemlich unsinnig und hinderlich für alle, die nicht wirklich fit sind, sprich Alte, Gebrechliche, Dicke, Schwangere. Und man müßte die Räume gar nicht betreten, um den Feind zu bekämpfen. Man räuchert ihn einfach aus! Als "kultische Zwecke" diskutiert Schwarzfischer "Begräbnisriten", "Stätten der Ruhe für die Welt der Geister", Durchschlupfriten, Totenopfer.

Wie alt sind die Erdställe? Zwei Phasen sind zu unterscheiden: der Bau und die Zuschüttung. Wann er gebaut worden ist, das weiß man nicht. Schwarzfischer äußert eine Vermutung und nimmt damit Bezug auf die Ortsnamensforschung: "die 2. Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr.) Auf Grund der Keramikfunde läßt sich die Verfüllung recht gut bestimmen, nämlich in das 13. bzw. 14. Jahrhundert. Man ist dabei sehr massiv vorgegangen, wurde doch die Decke der Rundkammer, die etwa 1,5 m unter der Erde lag, erst einmal gewaltsam eingeschlagen, und die schon erwähnte Lastwagenladung Material in die unterirdische Anlage gekippt.

 

Etwas sehr Trauriges ist zu vermelden. Bei Umbauarbeiten am Hof in Eidengrub wurde die Anlage inzwischen weitgehend zerstört. Mit Beton wurden die Hohlräume wieder aufgefüllt. Ein Kulturdenkmal von seltener Qualität wurde einmal dem kurzfristigen ökonomischen Kalkül geopfert.

 
     
 
     
 
     
 
     
 

 

Literatur:

Schwarzfischer, Karl Welche Funktionen erfüllte der Erdstall von Eidengrub, DER ERDSTALL, Heft 1, Roding 1975, S. 69ff.

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