Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die "Blaue Grotte" in Stegaurach, D


Eine kleines Dorf südwestlich von Bamberg an der Straße nach Würzburg birgt ein anthropospeläologisches Kleinod, einen handwerklich-künstlerisch gestalteten Gastraum, die Bezug nimmt auf die "Blaue Grotte" auf Capri.

"Great things are done when man and mountains meet", dichtete der englische Poet und Maler William Blake um 1800. Das Gleiche gilt sicherlich auch immer wieder, wenn Menschen und Höhle zusammentreffen. Aber ob es gleich "great" wird? Tiefe Spuren kann der Kontakt in der menschlichen Seele hinterlassen, manchmal auch solche, die wieder nach Ausdruck drängen. So weit wir heute wissen, hat er zuerst einmal was hineingetragen, hat, wie es Gerhard Polt jüngst recht despektierlich ausgedrückt hat, die "Höhlen verschmiert" mit seiner paläolithischen Kunst. Später gab es auch mal eine Zeit und die reicht bis ins heute, da hat man alles, was nur ging,  aus den Höhlen herausgeholt und es sich dann auf den Kaminsims oder den Wohnzimmerschrank gelegt, ob das nun Tropfsteine oder Höhlenbärenschädel sind. Mancher, der es sich leisten konnte und sich vom gemeinen Volk deutlich abheben wollte, der ließ sich in seinen Park eine Steingrotte bauen, damit er dort lustwandeln konnte, ohne erst die Mühen einer echten Höhlenbefahrung auf sich nehmen zu müssen.

Wer sich seinen Lebensunterhalt verdienen muß, der muß in einer Marktwirtschaft etwas zum Anbieten haben, damit er etwas zum Knabbern hat. Besonders gut ist da, wenn er ein "Alleinstellungsmerkmal" aufweist, also etwas bietet, was sonst noch keiner hat oder macht. Da fällt dann auch die Nachbildung der "Blauen Grotte" drunter. Das Original ist ja bestens in der Insel Capri verankert und nicht transportfähig. Da bleibt dann nur ein Nachbau, mehr oder weniger originalgetreu. Kommt er an, dann gibt es ihn länger, finden sich keine Interessenten, dann wird er schnell wieder verfallen oder wird gleich wieder abgerissen und weggeräumt.

Die "Blaue Grotte" in Stegaurach steht offenbar an einem günstigen Ort und scheint dem Geschmack des Publikums zu entsprechen. Von außen ist überhaupt nichts an dem Gebäude zu erkennen, außer dem Namen auf einem Straßenschild und einem Neonschriftzug an der Hausfassade. Geöffnet ist sie jeden Tag zwischen 17 Uhr und 23 Uhr. 1954 wurde sie errichtet, warum, darüber schweigt sich die Webseite des Etablissements aus. Sie war wohl früher vor allem ein Tanzlokal, "mit Charme und Atmosphäre einzigartig in Deutschland". Hervorgehoben wird, daß es noch immer die "selten gewordene Glas-Tanzfläche" in der Mitte des Raumes gibt. Inzwischen hat sich das Gewicht ein wenig wohl in Richtung Restaurant verschoben, wobei man auf seinen "Schnitzelvarianten" besonders stolz zu sein scheint.

Um den Höhleneffekt in den Nutzraum zu bekommen, hat man viel "Spezialpapier" gearbeitet, mit dem man Wände und Decke verkleidet hat. Aus ein paar Nischen an der Wand lugen einem Figuren entgegen, die mit "Bacchus" bezeichnet werden. Ganz so wörtlich darf man das Wort "Nachbildung" natürlich nicht nehmen, denn hätte man das wirklich gemacht, dann müßten ja alle mit Badehosen und Bikinis kommen. Schließlich steht der größte Teil des Raums in der originalen Grotte ja unter Wasser und man besucht sie mit dem Boot!

Dafür wird hier auf anderes Wert gelegt: "angenehme Musik, effektvolle Beleuchtung, freundliche Bedienungskräfte und konstante Qualität unserer Speisen und Getränke" und "alles entsprechend den günstig fränkischen Preisen". Das ist doch was!

 
 
 
 
 
 
 
 
 

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