Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das 2012er Treffen des Arbeitskreises für Erdstallforschung im Kloster Strahlfeld


Am Morgen beim Kloster/ Nachmittags in einem echten Erdstall


Nach zwei Jahren der erheblichen Horizonterweiterung der jährlichen Veranstaltungsorte der Treffen des Arbeitskreises für Erdstallforschung, nach Raab a.T. in Niederösterreich und nach Vorau in der Steiermark,  waren wir wieder zurückgekehrt an einfach "den" Ort, wo es schier ideale Verhältnisse dafür gibt. Das Kloster von Strahlfeld bietet sehr viel für uns. Die Lage ist ausgezeichnet, fachlich, weil es in der nächsten Umgebung eine große Menge von klassischen Erdställen gibt, räumlich, weil es in 1 bis 2 Stunden Fahrzeit für viele Erdstallforscher aus dem bayrischen Raum erreichtbar ist (das ist ein Nachteil für die Freunde aus Ober- und Niederösterreich), unterbringungsmäßig, weil es angemessene Zimmer zu bezahlbaren Preisen hat und gastronomisch, weil wir uns hier noch nie über das gute Essen beschwert haben, im Gegenteil, es ist einfach zu loben.

Am Freitag nachmittag gab es erst einmal noch eine Sitzung des da noch existierenden "Beirats", auf der wesentliche Themen in diesem Gremium vor der Mitgliederversammlung im erweiterten Kreis diskutiert wurden. Das wird es in Zukunft so nicht mehr geben, denn diese Form eines "Beirats" wurde Stunden später, auf Antrag des Vorstands und mit Zustimmung der Mehrheit der stimmberechtigten Anwesenden abgeschafft. Eine neue Struktur soll geschaffen werden, eine stärkere regional orientierte Ausrichtung wird angestrebt, mit vom Vorstand bestimmten Regionalleitern und vom Vorstand berufenen Beiräten. Die Mehrheit stimmte dafür. Wir werden sehen, wohin das führt. Diese Ideen kamen auf, nachdem der kurzzeitige Hype mit den Veröffentlichungen bis hin zum SPIEGEL aufgehört hat. Die Webseite verzeichnete fast keine Aufrufe mehr, keine neuen Projekte stehen vor der Tür, für die Ausstellung gibt es derzeit keinen Interessenten. Und die ganze Arbeit und damit auch die Verantwortung bleibt an der Spitze des Vorstands hängen. Der möchte sie teilweise auch gerne weiterdelegieren. Für das nächste Jahr gibt es noch keinen bestimmten Veranstaltungsort, aber wenn alle Stricke reißen, dann können wir ja wieder nach Strahlfeld - und dagegen hat ja wohl nun keiner was.
Wichtig war vor allem die Neuwahl des Vorstands, der wieder der alte ist. Dieter Ahlborn bliebt Vorsitzender, Andreas Mittermüller stellvertretender Vorsitzender. Auch Schriftführer, Kassenverwalter und die beiden Rechnungsprüfer wurden gefunden. Es war spät geworden, es wurde Zeit, den gemütlichen, informellen Teil des Abends zu beginnen. Es ging hinunter ins Klosterstüberl, wo ausreichend Platz und Getränke gab, um, modern gesagt, netoworking zu machen.

Das Vortragsprogramm war diesmal nicht so umfangreich, so daß ausreichend Zeit bliebt, das Gehaltvolle, was da geboten wurde, auch gut aufzunehmen. Am Samstagvormittag gab es 2 Vorträge: Dr. Martin Krenn berichtete von "Archäologisch befundete Erdställe in Niederösterreich" und Josef Weichenberger referierte über das "Alter der Erdställe". Ich philosophierte am Sonntagvormittag über "Erdställe als Räume der Leere, der Dunkelheit und der Stille" und Nikolaus Arndt über "WERKZEUGE" oder anders gesagt: "Technische Hilfen bei der Erfassung von Bodendenkmälern. Am Samstagabend gab es mal statt einer Art Hauptvortrag einmal eine Podiumsdiskussion zum Thema der "Datierung der Erdställe".

Inhaltlich finde ich zwei Dinge erheblich: Die archäologischen Befunde sprechen im Moment immer mehr dafür, daß die Erdställe im Mittelalter geschaffen wurden. Die Diskussion darum, warum man sie errichtet hat, wurde von mir um die These bereichert, daß es sich um Räume des Rückzugs, des Alleinseins, des freiwilligen Abgeschiedenseins von der Außenwelt handeln könnte, angeregt durch den Besuch von einigen Meditationshöhlen in Thailand und Laos.

Zwei fehlten, die bislang echtes Erdstallurgestein waren, Heinrich und Ingrid Kusch. Es ist wohl zu einer tiefgehenden Entfremdung zwischen den derzeit so aktiven Erforschern der unterirdischen Gänge bei Vorau und dem "Establishment" des Erdstallarbeitskreises gekommen. Ein Artikel über den neuesten Forschungsstand dort wurde abgelehnt und erschien deshalb nicht im ERDSTALL (Inzwischen ist er im Tagungsband der Österreichisch-Deutschen Gemeinschaftsjahrestagung in Bad Mitterndorf abgedruckt worden - man konnte also dessen erscheinen nicht verhindern!). Schade. Den Kuschs wird "Unwissenschaftlichkeit" vorgeworfen und war wohl um den guten Ruf des Arbeitskreises besorgt. Ob sich das einmal wieder einrenken wird? Hoffentlich.

Eine Exkursion mit dem Bus war für den Samstagnachmittag vorgesehen und wohl wohl organisiert. Sie führte zuerst nach Kehlheim ins Museum, wo gerade im ersten Stock die Erdstallausstellung zu sehen ist. Ich kannte sie ja noch nicht und war wirklich angetan. Da haben sich die Schöpfer viel viel Mühe gegeben und einen recht sehenswerten und erlebnisangereicherten Beitrag erbracht. Die Leute im Museum kümmerten sich sehr um uns. Es wurde kostenloser Kaffee und Kuchen gereicht, und es gab eine richtige Führung durch die archäologischen Schätze des Museums, die im Erdgeschoß ausgestellt sind. Vielen Dank.

Anschließend ging "es zu den Sachen", um die Formulierung des Vaters der Phänomenologie Edmund Husserl zu zitieren. Endlich war da ein richtiger Erdstall offen und es konnte hineingeschlupft werden. Ziemlich unromantisch ging es zuerst mal eine in eine tiefe, senkrecht stehende Betonröhre hinunter an Eisenklammern. Wo die zu Ende waren, da war durchaus noch nicht der Boden erreicht, sondern es mußte erst noch auf eine extra hineingestellte Aluleiter umgestiegen werden. Dann stand man da in einem schmalen Stollen, es wurde finster, die Decke kam herunter und man fragte sich, wo es denn da noch weiterging. Weil so viele auf einmal da waren, was zu einer Überfüllung mit Menschen fast führte, war Geduld gefragt. Ein Teilnehmer, der die Leiter herunterkam, brachte sie nicht mit. Nachdem in jedem möglichen Gang, es waren dort 3, überall schon einer stand oder steckte, drehte er schnurstracks um und kletterte wieder nach oben. Ob er später wiedergekommen ist, weiß ich nicht.

Von den fast 60 Personen, die insgesamt dabei waren, blieb wohl die Hälfte sowieso draußen. Und von denen, die tatsächlich sich die Mühe machten, hinunterzusteigen und im Erdstall herumzukrabbeln und sich abzumühen, waren gerade mal 4 bereit, in die am mühevollsten erreichbaren und ein Teilbad mit sich bringenden innersten Teile des Erdstalls vorzudringen. Eine Art u-förmiger Felsschlauch, der auf der einen Seite hinunter und auf der anderen gleich wieder hinaufgeht und auf dessen Grund etwa 30 cm hoch trübes Wasser stand, ist da zu durchmessen. Für die meisten war alleine schon das Nasswerden so abschreckend, daß es gar nicht versuchten, die etwas delikate Stelle überhaupt einmal zu probieren. Vor rund 20 Jahren war ich schon einmal hindurch gekrochen und hatte seither immer großen Respekt davor gehabt. Ich wollte es noch einmal probieren, hinein ging es ganz gut, Nasswerden schreckt mich überhaupt nicht, aber beim Zurückgehen erreichte ich meine absolute Leistungsgrenze. Irgendwie war ich zu groß und zu lang, um da wieder hinauszukommen. Mit den Füßen hing ich schon 1 m in der Höhe, mit den Armen stützte ich mich knapp über dem Wasserspiegel ab, hoch ging es nicht, da war die Felsdecke, langsam verließ mich die Kraft und ich drohte einfach wieder hinunterzurutschen und voll im Kopf im Wasser zu verschwinden. Ich rief den beiden Kameraden hinter mir zu, sie sollten mich doch an den Beinen packen und mich etwas nach oben noch ziehen, damit ich endlich wenigstens mit dem Kopf von der Decke des schmalen Stollens wegkäme. An ein Umkehren oder Umdrehen war überhaupt nicht zu denken. Ziemlich hilflos kam ich mir da vor, handständig, das ganze Blut im Kopf und nur noch von dem Wunsche beseelt, endlich wieder in die normale Körperlage zu kommen, Kopf oben, Füße unten, alleine es war ganz andersherum. Eine verrückte, extrem unangenehme Situation. Dann war es auf einmal möglich, den Kopf höher zu heben, damit kam die Brust allmählich in die horizontale Lage, ich konnte die Füße wieder drunterschieben, alles kam wieder in die rechte Lage. Wunderbar, einfach wunderbar. Nur noch hinaus in Freie, dort wo die rötliche Abendsonne noch schien und die Luft frühherbstlich frisch war. Die Gummistiefel waren bis zum Rand mit schmutzigem Wasser gefüllt, der rote Schlaz durchtränkt vom Erdstallwasser, nur raus aus dem Zeug und so schnell wie möglich hinein in schöne Klamotten. Für diesen Tag hatte ich mehr als genug vom hautnahen Kontakt mit Erdställen.

Abends gab es dann noch die durchaus ertragreiche Diskussion über die Erdstalldatierung im vollen Saal. Dann wurde wieder umgezogen in den Klosterkeller und dem Gespräch gefrönt.

Zu loben ist natürlich auch immer wieder die ausgezeichnete Küche des Klosters und die herzlichen Bedienungen, die sich um die Gäste rührend kümmern.

Während der Tagung kam auch ein sehr schwerwiegendes Thema zur Sprache, nämlich die Zerstörung von bedeutenden Erdstallanlagen durch die Eigentümer des Geländes. Besonders taucht es auf, wenn der alte Bauer stirbt und der junge den Hof erbt und ihn ausbaut. Das ist sowohl in Bad Zell in Oberösterreich als auch in Aidengrub im Bayerischen Wald leider der Fall gewesen. Unersetzliche Kulturdenkmäler sind da zerstört worden, wobei bei gutem Willen durchaus die Erhaltung wesentlicher Teile davon mit einem kleinen oder gar keinem finanziellen Aufwand für den Bodeneigentümer möglich gewesen wäre. Deshalb ist die Bewußtseinsbildung für den kulturellen Wert der Erdställe in der breiten Öffentlichkeit so wichtig! Der Erdstallarbeitskreis arbeitet daran!

 

Das Kloster Strahlfeld in der Ferne - über den Teich unterhalb geschaut

Freitagabend im Versammlungsraum


Abends im Keller beim Networking

Bei den Vorträgen am Samstagmorgen
Josef Weichenberger, Erdstallurgestein, beim anschaulichen Erklären des Alters von Kienspänen
Bei der Nahrungsaufnahme

Im Kehlheimer Museum bei der Sonderführung
 

 


Impression aus dem Innersten des Erdstallmodells
Auf einer Pinwand mit der Aufschrift "WARUM" in der Erdstallausstellung war dieser Zettel zu lesen:
Ein wertvolles, weil einmaliges Relikt aus einem Erdstall der Umgebung: ein alter Mühlstein
Im Erdstall

 

Literatur:

st Eines der letzten Rätsel Mitteileuropas, Mittelbayerische Zeitung, 25. September 2012
ta Das Geheimnis unterirdischer Gänge, Mitteilbayerische Zeitung 26. September 2012

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