Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Das 2013er Treffen des Arbeitskreises für Erdstallforschung im Kloster Strahlfeld


Am Morgen beim Kloster/ Nachmittags in einem echten Erdstall


"Same procedure as every year?" "Yes and no" - das kann nur die einzig zutreffende Antwort auf diese hypothetische Frage sein. Ich habe schon für diese Internetseite die Seite vom letzten Jahr einfach nur kopiert, eingefügt und 2012 mit 2013 ersetzt. Zwei neue Bilder wurden unterhalb des Titels gesetzt und schon war der Beginn für den Bericht für dieses Jahr geschafft!

Mit dem Kloster Strahlfeld ist wirklich ein idealer Austragungsort für eine Tagung dieser Art gefunden worden. Schließlich liegt es im Herzen des Hauptverbreitungsgebietes einer Hohlraumerscheinung, die im Umkreis häufiger vorkommt, dessen Verbreitungsgebiet sich bis nach Ungarn und Tschechien erstreckt, inselmäßig auch in Frankreich auftaucht, nach unserer momentanen Kenntnis aber hauptsächlich zwischen Niederösterreich, Oberösterreich und den bayrischen Raum oberhalb und unterhalb der Donau. Vereinzelt, nach unserem heutigen Kenntnis, kommen sie dann auch noch ein wenig weiter westwärts vor. Menschen haben sie geschaffen, nach momentanem Kenntnisstand geschah das wohl zu Beginn des Mittelsalters, warum weiß niemand. Viel spekuliert ist schon worden, "bewiesen" auch schon. Aber das ist ja gerade das Spannende. Wenn da jemals jemand daherkäme und sagte: "Ich weiß, warum die Erdställe gebaut wurden" - der wäre dann wohl der neue "Heiland". Ansätze dazu gab es in der Vergangenheit schon mehrere. Aber die haben sich noch alle selber erledigt, auch durch den Tod des Vertreters einer solchen Meinung.

Große Umbrüche hat es in den letzten Jahren im Bereich der organisierten Erdstallforschung gegeben, Regine Glatthaar, inzwischen schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet gewordene langjährige Ex-Vorsitzende des Arbeitskreises, gab ihr Amt nach vielen Jahren auf, und Dieter Ahlborn folgte ihr nach. Sie hat die "benchmarks" schon sehr hoch gelegt, denn jeder, der ihr nachfolgt, wird an ihrem integrierenden, offenen und sympathischen Führungsstil gemessen werden.

Der Wechsel war und ist nicht einfach. Man muß nur die Mitgliederzahlen des "Arbeitskreises" (er ist kein eingetragener Verein! - von der Vorstandschaft auch ganz bewußt auf diesem Niveau gehalten!) anschauen. Eine ganze Reihe von Erdstallinteressierten/-begeisterten und mehr sind wieder ausgetreten, lassen sich entschuldigen, rühren sich nicht mehr, kommen ganz bewußt nicht mehr - und wissen warum!

Ein Hauptkristallisationspunkt der internen Friktionen war schnell Andreas Mittermüller. Er ließ sich zum stellvertretenden Vorsitzenden 2012 wählen, vertrat massiv seine Vorstellungen von einer neuen Organisationsstruktur des Arbeitskreises (Zur Erinnerung: Von mir kam die einzige Gegenstimme gegen die Neustrukturierung und ich stehe dazu auch heute noch!), die auf eine ziemliche Entdemokratisierung hinauslief (top down  versus bottom up). Das Kapitel "Andreas Mittermüller" erledigte sich mitten im Jahr. Er trat zurück. Es gab massive Probleme, insbesondere aus der "Münchner Richtung", kein Wunder, bei dem, was vorgefallen ist, und was ihm so mancher "übel" genommen hat.

Bereits am Freitagabend, gleich nach einem köstlichen Abendessen und einer kurzen Rekreationspause, wurde neu gewählt. Ein neuer Schriftführer wurde lange gesucht und zumindest für dieses Jahr gefunden. Wer würde Andreas nachfolgen als 2. Vorsitzender? Ein Wechsel stand an. Der wird sicherlich dem Arbeitskreis gut tun. Mit Birgit Symader aus Schwandorf ist sicherlich eine Frau gewählt worden, die fruchtbare Arbeit leisten kann.

In vieler Hinsicht. Auch in Richtung auf Heinrich Kusch, der ja leider richtig hinausgemobbt worden ist. Ewig schad. Denn gerade solche Menschen, im Hintergrund steht ja auch seine Frau Ingrid, haben immer viele neue, sehr wertvolle Impulse in die Erdstallforschung gebracht. "Die herrschende Meinung" - wie oft hat sich die nicht nach wenigen Jahren als etwas heraus gestellt, das wirklich meilenweit von dem entfernt war/ist - was wir momentan als "wirklich" mitbekommen, was als angeblich "wissenschaftlich" akzeptierbar gilt?

Was war nun los? Bilder sind leichter und einfacher zu liefern als Worte...

Im "Theresiensaal"
Die Klosteranlage

Frühstück

Regine Glatthaar, unsere "Ehrenvorsitzende"
Zwei Referenten:

Josef Weichenberger und Uwe Hinzpeter

Ein paar Bilder von der Exkursion
Abends im Klosterstüberl

Beim Vortrag am Sonntagmorgen

Das Gruppenphoto

Am Freitagnachmittag gab es eine Vorstandssitzung in neuer Form. Den früheren Fachbeirat hat man ja abgeschafft. Nun trifft sich der "Vorstand und die "Regionalleiter". Dieter Ahlborn als Vorstand war mit dieser Form offenbar recht zufrieden, denn er sieht nun eine wesentliche Erleichterung seiner Arbeit. Kommt etwas aus der betreffenden Region auf seinen Tisch, reicht er die Angelegenheit gleich weiter an den Regionalleiter und hat es so, wenigstens vorläufig, erledigt. Über die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres wurde dann nach dem Abendessen im Rahmen der Mitgliederversammlung berichtet. Außerdem wurde der vakante Posten des zweiten Vorsitzenden neu besetzt. Unser Kassier ergänzte die Ausführungen um einen Kassenbericht, der bemerkenswerte Aufschlüsse über die Bewegung der Mitgliedszahlen zuließ. Es gibt Neueintritte, aber die Zahl der Austritte war so hoch, daß der Kreis insgesamt wieder etwas kleiner geworden ist. Am Ende war noch Zeit und die wurde durch das Zeigen von zwei Beiträgen gefüllt, die noch zur Verfügung standen. Ich zeigte Bilder von der letzten SFES-Tagung in Villeneuve-sur-Lot. Die SFES ist so eine Art französischer Schwesterverein, allerdings ist ihr Fokus viel weiter als bei den Erdstallforschern. Allen Arten von unterirdischen Bauwerken widmet man sich, und davon gibt es dort viel mehr als bei uns. Schließlich leben schon seit der Steinzeit Menschen dort in und um die natürlichen und künstlichen Höhlen. Der zweite Beitrag stammte von Thomas Striebel, der von den fortgesetzten Forschungen im Untergrund von Bayreuth uns ausführlichst informierte. Anschließend leerte sich der Saal recht schnell. Viele verzogen sich in ihre Kemenaten, ein harter Kern fand noch den Weg zum Bierstüberl im Klosterkeller und verbrachte dort lustige und feuchte Stunden. Eine Sperrstunde gibt es da nicht.

Nach der Auflösung einiger Morgennebel zeigte sich ein prachtvoller Frühherbsttag. Den Vormittag verbrachten wir noch mit Vorträgen im Theresiensaal, während der Nachmittag einer genußvollen Exkursion in den Landkreis Regen diente. Die Verleihung der Bundesverdienstmedaille an Regine Glatthaar, unsere langjährige sehr verdiente Exvorsitzende, war Anlaß zu einer Eloge auf sie durch Dieter Ahlborn. Es wurde aus der Laudatio vorgelesen, Regine fand auch ein paar klare Worte, dann bekamen wir das gute Stück auch noch zu sehen. Nach einer kurzen Pause machte Josef Weichenberger weiter mit einem neuen Themenbereich: "Unterirdische Gänge in Burgen - eine Spurensuche". Schön, daß er mindestens am Anfang noch einen Anknüpfungspunkt zu den Erdställen gefunden hatte, in Form von Erdställen unter Hausbergen, die ja Frühformen von Burganlagen sind. Überhaupt nichts mit den Erdställen hatten die Brunnenstollen auf drei Burgen im südlichen Odenwald zu tun, die Thema eines Vortrags von Uwe Hinzpeter waren. Ein Leitthema war, ob sie das Prädikat "Geheimgang" verdienen würden. Es war nicht uninteressant, von Dingen zu hören, mit denen ansonsten nie in Berührung gekommen wäre, aber man muß auch nicht jedes Detail darüber erfahren. Mit einem schmackhaften Mittagessen machten wir weiter, dann blieb nur noch wenig Zeit, um auch pünktlich beim Treffpunkt für die Busexkursion aufzukreuzen. Insgesamt 34 Teilnehmer aus Deutschland und 4 aus Österreich waren diesmal angemeldet und bekam man fast den ganzen Bus voll.

Es ging über Cham Richtung Landkreis Regen. Erster Exkursionsort war der Erdstall in Altnußberg. Wir wurden schon erwartet, auch der Bürgermeister war da. Der Zugang in den Erdstall war freigemacht, die Holzbretter, die ihn abschließen auf die Seite geräumt, wir konnten unschwierig über die Treppen in den Keller gelangen, und an der Wandseite ist noch immer die Öffnung, durch die man in den Erdstall kriechen kann. Weil wir halt gar so viele waren, zog sich alles ein wenig in die Länge. Eine Stunde war vorgesehen, aber die wurde ein wenig überzogen. Zwei Stollen standen dann auf dem Programm: einer in Kammersdorf und einer bei Böbrach. Auch solche unterirdischen Objekte sind durchaus besuchenswert, schärfer sie doch den Verstand dafür, um was nun ein Erdstall ist und was nicht, was das Einzigartige ausmacht. In Zinkenried durften wir zum Abschluß noch in einen 100prozentigen Erdstall. Wegen der beengten Verhältnisse wurde die Parole ausgegeben, daß jede Dreiergruppe, die hinein durfte, höchstens 5 Minuten Zeit hatte, um rein- und rauszukommen. In der Praxis sah es dann doch etwas anders aus. Viele gingen gar nicht mehr hinein und verzichteten auf so ein gehetztes "Vergnügen". Wer aber drin war und gesehen und erlebt hat, was da bis vor kurzem nur den Hausbewohnern bekannt gewesen war, der war "elated". Den Kindern hatte man erzählt, daß dort die Schratzeln gelebt hätten, ein kleinwüchsiges Volk, das nächtens immer fleißig gearbeitet hätte, geputzt und geschuftet hätte, überhaupt für das Glück im Haus gut gewesen sei. Wenn man sie aber einmal sehen wollte oder ihnen einmal etwas geben wollte, z.B. neue Kleider, dann seien sie für immer verschwunden gewesen - die klassische Erdstallsage.

Es galt, zurückzukehren nach Strahlfeld, vom Abendessen noch etwas abzubekommen, und dann zur Abendveranstaltung zu eilen. Ein Filmabend war geplant, bei dem historische Filme, die im Verlauf der letzten Jahrzehnte entstanden sind und im Fernsehen gesendet worden waren, noch einmal gezeigt wurden. Die stärkste Wirkung hatten die ältesten Filme, weil so deutlich wurde, wie schnell es geht, daß etwas "historisch" wird. Die meisten Filme sind im Erdstall Rabmühle gedreht worden, da der einfach zugänglich ist, innen viel Platz bietet und einige typische Eigenschaften von Erdställen dort zeigbar sind. In der Anfangszeit war die Beleuchtungstechnik allerdings noch so, daß sie uns heute richtig "steinzeitlich" vorkommt. Da haut ein Beleuchter in den Granitgrus mit einem Hammer einen Nagel in die Wand, um daran einen Beleuchtungskörper hinhängen zu können - und man filmt das auch noch, um Bestandteil für den Filmstreifen zu werden. In den Gängen liegen die vielen Stromkabel herum und man läßt die Kamera darüberstreifen, um wohl die "Schwierigkeiten" zeigen zu können, wenn man aus einem richtigen Erdstall überhaupt gescheite Bilder bringen will. Die Grundidee der Erdstallfilme war schon gut, aber die dauernde Wiederholung von Szenen und Statements, die wenig Neues mehr präsentieren konnten, wurde dann doch nervenstrapazierend. Film 7, 8, 9....wie viele würden es noch werden? Die peinliche Situation, daß irgendeiner auf seinem Stuhl eingeschlafen und krachend zu Boden gefallen wäre, blieb uns erspart. Das Saallicht ging an, alle fanden den Weg zum Ausgang - der Bierkeller war wohl gefüllt, später.

Auch am Sonntag war das bestellte gute Wetter in Strahlfeld vorhanden. Nach dem Frühstück ging es in den Vortragssaal und da gab es, endlich, einen richtigen Erdstallvortrag. Nikolaus Arndt setzt die inzwischen lange Tradition des Suchens nach uns noch unbekannten Erdställen erfolgreich fort. Er ließ uns einige Male hinter die inneren psychischen Fassaden blicken, warum er sich so engagiert. Schließlich wurde er in der Gegend geboren, in der Gegend, wo Karling und Walchsing und Bergham liegt. Wenige Kilometer trennen diese kleine Flecken nur, man kann von einem zum andern richtig rüberschauen. Gibt es in jedem dieser Siedlungspunkte mindestens "unterirdische Gänge"? Er verfolgt spannende literarische Spuren, geht ihnen gründlichst nach, motiviert Mitarbeiter des Landesdenkmalamts ihre high-tech-Geräte an ganz bestimmten Stellen auch einmal einzusetzen, bohrt mit Sondierungsstangen im Untergrund herum - auch da passiert aktuell richtig "Erdstallforschung"! Halt, ich habe einen Beitrag, der vorher gehalten worden war, der aber ursprünglich gar nicht vorgesehen war, übersprungen. Ein junger Student von der "university of Würzburg-Schweinfurt", der Name ist eine Frucht der versuchten Aufhebung der Wörter "Universität" und "Fachhochschule", der als Diplomthema die Vermessung eines Erdstalls mit modernsten Lasertechnologie gewählt hat, stellte kurz den aktuellen Stand der Vermessungstechnik und seine Ideen dazu knapp da. Wer weiß, was da noch alles zum Vorschein kommen wird. Jedenfalls wird Nikolaus Arndt hier mitmischen und auf die Ergebnisse dürfen wir alle gespannt sein.
Ein wenig "Theorie" der Erdställe brachte am Schluß seines Vortags Nikolaus auch noch ein: "Erdställe aus Seelenkammern". Mit dem Tod von Anton Haschner sind solche Gedanken nicht mehr aktiv vorgetragen worden. Vielleicht wird es langsam Zeit für eine Renaissance solcher Gedankenkonstrukte?

Es war noch etwas Zeit. Ich konnte meinen Vortrag über "Erdstall und Labyrinth - Gemeinsamkeiten und Unterschiede" halten. Ich soll einige Anwesende ein wenig geschockt haben, als ich verkündete, daß das "Erdstallrätsel" gelöst sei - und daß ich die Antwort in der Zeitung gefunden hätte. Tatsächlich findet man in einigen Zeitungen von 2012 Artikel, wo, verkürzt, steht: Ein Erdstall ist ein Labyrinth. Fertig. Wir können heimgehen, vielleicht noch die Scherben aufklauben und in die Mülltonne werfen, aber das war es - scheinbar. Daß dem nicht so ist, das habe ich dann in meinem Vortrag hoffentlich gezeigt, denn wenn man, sprachlich umgeformt, nur sagt: ein Geheimnis ist ein Geheimnis, dann hat man nichts hinzugefügt und auch nichts dazugewonnen. Die Suche geht weiter.

Labyrinthbrunnen in Eichstätt, Diözesanmuseum / leicht ist der Unterschied zwischen Erdstall und Labyrinth auch hier zu sehen

Ich freue mich schon auf das nächste Erdstalltreffen, dann wieder einmal nicht in Strahlfeld! In Oberösterreich!

Literatur:

Breuherr, Werner Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung vom 27.-29. September 2013 im Kloster Strahlfeld bei Roding, DER ERDSTALL 40-2014, S. 143ff.

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