Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

 

Die 45. Jahrestagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung e.V.

vom 16.-18.9.2022 in Mold / Eggenburg, Niederösterreich

Ein sehr gastfreundlicher Empfang bei einem Erdstall in Röschitz - mit einem feinen "Glaserl" Wein, kredenzt vom Winzer und Erdstalleigentümer


Erdställe in Röschitz

Erdställe in Ulrichschlag


2010 gab es in Raabs an der Thaya schon einmal ein Erdstalltreffen in Niederösterreich, das ein voller Erfolg wurde. Damals hatte noch Edith Bednarik die Oberaufsicht darüber. Das Rad der Geschichte hat sich weitergedreht, Edith weilt nicht mehr unter uns Lebenden, Otto Cichocki tritt, bildlich gesprochen, in ihre Fußstapfen und organisiert nun ein weiteres Treffen in dieser Region. Wir duften gespannt sein und wurden aufs Angenehmste überrascht.

Es ist schon spannend, regelmäßig solche Veranstaltungen zu besuchen. Vieles ist sehr ähnlich, aber Entscheidendes ist immer anders. Elementar sind die Menschen, die kommen. Leider sind einige nicht mehr unter uns noch Lebenden, und haben, bildlich gesprochen, Löcher hinterlassen, die einfach nicht zu füllen sind. Ich durfte noch Karl Schwarzfischer kennenlernen, Anton Haschner, Herbert Wimmer, Edith Bednarik und andere. Andere kommen nicht mehr, weil sie nicht mehr können oder das Interesse weitgehend erloschen ist. Ich denke da etwa an Regine Glatthaar, Erhard Fritsch oder Manfred Moser. Es gibt aber auch Personen, deren Anwesenheit ich nicht vermisse. Namen sollen hier nicht genannt werden, aber es geht wohl so manchem anderen so ähnlich wie mir. 
Bemerkenswert ist ja schon, daß die einstmalige Einheit der Erdstallforscher, die Regine Glatthaar sehr gut hinbekommen hatte, einer großen Buntheit gewichen ist, vor allem verursacht durch einzelne "starke Persönlichkeiten", die um sich kleinere Grüppchen, oft mit starkem Lokalbezug, geschart haben, oder wegen ihrer zur Schau gestellten "Stärke", die eher innere Unsicherheit zeigt, andere eher wieder vertreiben. 

Glücklicherweise scheinen sich die durch Corona verursachten Turbulenzen allmählich wieder zu beruhigen. Ich habe jedenfalls keinen mit Maske bei der Veranstaltung gesehen und die 1,5 m Abstand wurden auch nicht eingehalten. Auch die Zeit, daß mehr oder weniger alles um das Erdstallzentrum in Neukirchen-Balbini zu kreisen schien, scheint wieder vorbei. Die Welt der Erdställe ist viel weiter und größer. 

Um 20 Uhr am Freitagabend in der Bildungswerkstatt Mold am Rande von Mold, einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde im Waldviertel, sollte die Generalversammlung des Arbeitskreises Erdstallforchung beginnen. Es dauerte etwas länger, aber das Programm war ja nicht sehr umfänglich, weshalb wir alles recht ruhig angehen ließen. Brigitte Symader, derzeitige Vorständin, war nicht angereist, begründet mit hoher Arbeitsbelastung, und wurde aber via Skype zugeschaltet. Der Tätigkeitsbericht wurde übermittelt und enthielt gute und schlechte Nachrichten. Das Erdstallzentrum in Neukirchen-Balbini wird offenbar gut angenommen und verursacht eine starke zeitliche Beanspruchung bei denen, die es am Leben erhalten. Der Besuchererdstall an der Rabmühle ist nun auch eröffnet für die Öffentlichkeit und beginnt vermehrt Interessenten anzuziehen. Probleme machen bekannte Erdställe, die in Gefahr sind, zerstört zu werden. Döfering und .. sind da die Stichworte. Vor allem ist das aber eine Angelegenheit des Denkmalamts, in dessen Zuständigkeit schließlich solche Dinge fallen, die entsprechende Maßnahmen zur Erhaltung ergreifen müssen und hoffentlich auch die Mittel und Kompetenzen dafür haben. Am Ende blieb eine bedeutsame Frage blieb am Ende offen: Wo soll das nächste Treffen stattfinden? Die Schweiz wurde angesprochen, aber es scheint schwierig, da ein passendes Programm zusammenzustellen.

Dann wurde die Versammlung aufgelöst und die "Graselhöhle" aufgesucht. Damit war keine Naturhöhle gemeint, sondern man hat einen ganz  normalen Nutzraum, in dem Getränke ausgeschenkt werden, mit so einer solch noblem Bezeichnung versehen. Es ließ sich aber trotzdem auch edler Wein aus den Flaschen in die Kehlen gießen. Es wurde schon Mitternacht, bis die Letzten die Stühle an die Tische heranrückten, durch die langen Gänge mit den Schwarzweißphotos aus der Geschichte dieser Landwirtschaftsschule gelatscht waren und in den weichen Betten versanken.

Am nächsten Tag war 9 Uhr der Termin, den alle einzuhalten hatten. Wir trafen uns auf dem Parkplatz vor der an eine Kaserne erinnernde Baustruktur, um dann in Fahrgemeinschaften zu den beiden Orten zu gelangen, in denen Otto Besuchsmöglichkeiten von Erdställen organisiert hatte: Röschitz und Ulrichschlag. Das sind zwei absolute Hotspots für Erdstallfans, wenn man sich auskennt. Ansonsten bekommt der normale Besucher davon dort überhaupt nichts mit. Es fing schon sehr gut an: Der aufgeschlossene Erdstalleigentümer und Winzer bot uns zur Einstimmung gleich einmal Getränke an. Wer ganz nüchtern bleiben wollte, der bekam auch Wasser, natürlich. Für die Anderen war ganz Edles und Feinstschmeckendes geboten, das man dann auch im Karton für 40 Euro mitnehmen konnte. 
Der Eingang in den Erdstall war ganz unscheinbar gleich neben uns. Vorher stand da eine Pflanze in einer Tonschale. Als man sie wegrückte, kam eine kleine Maueröffnung zum Vorschein. Ein kurze Aluleiter führte hinunter in einen länglichen Raum mit vielen Rohren und Versorgungsleitungen und einem Loch in der Mauer. In das mußte man sich dann hineindrücken und kam gerade so in den gut erhaltenen Erdstall. Es ging leicht abwärts, dann nach links, kam zu einer Kreuzung, dann wieder rechts und einen kurzen Gang und am Ende zum Höhepunkt: ein klassicher Rundgang, der immerhin so hoch war, daß man sich gelegentlich sogar zu voller Größe aufrichten konnte. Nach einer Umkreisung war man wieder da, wo man hergekommen war. Mir hat noch keiner erklären können, was so eine Struktur mit einen Fluchtgang zu tun haben könnte, Davonlaufen vor dem Feind vielleicht? Richtungswechsel, wenn er zu nahe kommt? Raffiniert.

Noch zwei Erdställe standen auf der Besuchsliste, die immer wechselweise von kleinen Gruppen aufgesucht wurden. Man mußte schon sehr gut Bescheid wissen, wo die wirklich lagen in den Kellern, die schon lange nicht mehr wirklich benützt werden und nun in einer Art Dornröschenschlaf dahindämmern. Offenbar braucht die im Moment niemand mehr. Jeder Erdstall ist anders und doch gleichen sie sich sehr. Man muß wirklich nicht jeden gesehen und durchlitten haben. Da gab es zum Beispiel einen, der nur durch eine vielleicht 30 auf 40 cm messende Maueröffnung zugänglich gewesen wäre. Da begnügten sich alle mit einen Blick durch den Schlitz, erhellt durch eine Taschenlampe. 

Mittagessen in einem bestens besuchten Lokal. Momentan brauchen die Gastronomen ihre Gäste nicht mehr krampfhaft suchen wie noch zu Coronazeiten, sondern die Räume sind wieder voll. 

Dann ging es über 50 km weiter nach Ulrichschlag. Wir wurden schon vom stolzen Erdstallbesitzer erwartet, der sich sehr engagiert um das ehemaligen kleine Loch im Erdboden, das es einst gewesen war, nun gekümmert hat. Der Zugang geschieht heute über eine senkrechte weite Betonröhre mit Deckel, der zu einem kurzen horizontalen Gang führt, der in einen Rundgangerdstall führt. Den kann man nicht mehr komplett befahren, weil ein großes Stück zusammengebrochen ist. So muß von links und rechts den Gangstücke bis zum jeweiligen Ende folgen. In einem geht dann noch ein Loch nach unten, hinein in den feuchten Schlamm. Eine unserer Teilnehmerinnen, die sich vor gar nichts fürchtet, traute sich und schloff hinein. Heraus kam ein "Lehmweibchen", das tropfte... Jeder Besucher sollte sich auch im Gästebuch eintragen, in dem die ganze Geschichte der Herstellung der heutigen Erdstallanlage in vielen Bildern ausführlich festgehalten ist. Mancher benutzte dazu auch dezent den feuchten Finger mit dem Schlamm aus dem Erdstall..
Unser zweiter Erdstall war früher nach dem Hausnamen "Böckl" bekannt, aber nachdem der Besitzer gewechselt hat, ist der veraltet. Drinnen ist ein klassicher Rundgang und eine große Besonderheit: Den Erbauern des Erdstalls standen sehr große Hindernisse im Weg, Steinblöcke von großen Ausmaßen, die sich nicht entfernen ließen, sondern die noch heute am Boden, an der Decke oder von den Seiten her in den Gang ragen. 
Noch ein schöner kleiner Erdstall stand auf der Progamm: Durch die große Pforte eines heute nicht mehr bewirtschafteten Vierseithofes gelangten wir erst ins Innere eines Hofes und dann in einen ehemaligen Keller. In der Schlußmauer ist eine Öffnung und durch sie kann man unschwierig in einen klassichen Rundgangerdstall mit zwei Seitenkammern am Eingang. Höhepunkt ist ein etwas 1,5 m langer enger Schlupf, der von einer Seite des Gangs extra in die Kammer führt - eigentlich vollkommen überflüssig, aber doch sehr erstaunlich.

Im Dorfgemeinschaftshaus war was los und wir setzten uns dazu, genossen die Brettljausen, die ausgezeichneten Torten, das süffige Bier und das kalte Wasser. 

Es dunkelte schon, als wir dem nächsten Ziel zusteuerten, dem Krahuletzmuseum in Eggenburg. Ein wahrlich würdiger Ort für unser Treffen. Im Vortragsaal hingen große Gesteinsproben an den Wänden, einer davon sollte zu den ältesten gehören, die man in Österreich überhaupt finden kann. Barocke Steinstelen in den Ecken, die im unteren Teil eine stilisierte Höhle zeigten mit Totenkopf drinnen, an Golgatha erinnernd. Hier hielt dann Josef Weichenberger, Erdstallurgestein, einen begeisterten und begeisternden Fachvortrag über die Bauschächte in den Erdställen. Was man für unbedeutendes Nebenthema ansehen könnte, entpuppte sich als ganz zentral für viele offene Fragen im Zusammenhang mit diesen noch immer sehr rätselhaften und deshalb so spannenden Hohlräumen in der Erde.
Dann gab es noch einen sehr ungewöhnlichen Programmpunkt: eine nächtliche Führung durch das sehenswerte Museum und als absoluten Höhepunkt für uns, die Ausstellung über Ignaz Spöttl. Er war wohl der erste Künstler, der Erdställe malte und zeichnete. Lambert Karner war damit nicht zufrieden, die Bilder seien z.B. "zu idealistiert", und beauftrage deshalb eine Photographen, sich dem Sujekt anzunehmen, aber die Kunstwerke Spöttls behalten trotzdem ihren Wert. Hier konnten wir diese bislang nur schwer zugänglichen und noch wenig geschätzten Darstellungen im Original sehen - was für ein Moment! Es war schon spät geworden. Die Teilnehmer eilten zurück nach Mold. Nur wenige bewiesen noch Stand- bzw. Sitzvermögen und hielten sich bis nach Mitternacht wieder in der Graselhöhle auf.

Das Wetter hatte sich etwas verschlechtert, weshalb es leicht fiel, den Sonntagvormittag im Vortragssaal im Eggenburg zu verbringen. Es hab theoretische Kost, Helen Wider über einen neuen Stollen in der Schweiz, Ralf Keller über einen unterirdischen Gang in den Verteidigungsanlagen in Überlingen und die Frage, wieviel Zeit man braucht, um so etwas zu bauen, Otto Cichocki berichtete von neuen Erdställen in Niederösterreich, Uwe Hinzpeter über "via cavas" in der Südtoskana und am Ende schloß ich mit Feuer und Flamme ab. Mein Thema waren die Priesterlöcher, die besonders im erfolgreichsten James Bond-Film aller Zeiten, Skyfall, eine große Rolle spielen.

Noch war die Veranstaltung nicht zu Ende. Ein Überraschungsgast hatte sich zu uns gesellt: der Besitzer eines Erdstalles in Kühnring. Edith Bednarik hatte den Erdstall vor einigen Jahren erkundet und vermessen, der Besitzer blieb weiter interessiert und studiert regelmäßig unsere Erdstallhefte. Er suchte den persönlichen Kontakt und hatte am Ende 7 Erdstallforscher im Wohnzimmer stehen, die in das Loch hineinguckten, das sich dort zeigte, nachdem der festgeschraubte Holzdeckel geöffnet war. Josef war gleich unten, ich versuchte es und blieb stecken im Schacht. Gnadenlos. Ich zappelte mit den Füßen und konnte weder rauf noch runter auf den Leiter. Josef schob von unten, zwei griffen nach mir von oben und schließlich hatte ich die fehlenden 2 Zentimeter bis zur nächsten Sprosse aufwärts wieder geschafft. Nur noch raus.... Otto kam nach und für ihn war das überhaupt kein Problem. So ist das halt auf dieser Welt. Mal gehört man zu den Gewinnern, mal nicht.

Am Ende fuhren wir alle mit einem guten Gefühl wieder nachhause. Ein gelungenes Treffen, viele sehr nette Leute, tiefe Gespräche und gelungene belebende Auffrischungen der Erdstallerfahrung. 

Vielen Dank Otto für die prima Organisation!

....

In der Bildungswerkstatt Mold

 

 

Frühstücksraum mit Blick auf die niederösterreichische Landschaft

Morgens am Parkplatz vor der Bildungswerkstatt

Abends in die "Graselhöhle"

Mittags in einem boomenden Restaurant

> Unterwegs in einem Dorf voller Erdställe

Abends im Krahulenzmuseum in Eggenburg
Nächtlicher Museumsrundgang

 

Ignaz-Spöttl-
Ausstellung

Mitten im Wohnzimmer:

Ein Einstieg in einen Erdstall

Überraschende Occasion zum Sonntagsbesuch

 

 

Literatur:

Keller, Ralf (2023): Bericht über die 45. Jahrestagung des Arbeitskreises 2022 in Eggenburg, Der Erdstall 48/49-2023, S. 216ff.

Redecker, Lutz (2022): Die Pfade der großen Göttin - Unterwegs zu den "Vie Cave", den geheimnisvollen Hohlwegen der Etrusker in der südlichen Toskana, die der Archäologie noch immer Rätsel aufgeben, Wiener Zeitung extra 24./25. September 2022, S. 34

Links 

https://www.w-4.at/festsaal/

2010 Erdstalltreffen

http://www.roeschitz.at/

"Künstliche Höhlen" / Erdställe / Schrazellöcher / souterrains aménagés....und verwandte unterirdische Bauwerke


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