Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

46 ème CONGRES REGIONAL de SPELEOLOGIE RHONE-ALPES
März 2007, Salavas, Ardèche


Vom andern aus lerne die Welt begreifen."
Joachim Ringelnatz

 


Es ist ganz spannend, in verschiedenen Ländern höhlenkundliche Veranstaltungen zu besuchen. Für mich sind die Italiener die Größten, weil sie am meisten und ausgelassensten feiern können. Ich war mal neugierig, wie es in Frankreich sein würde.

Zu diesem Regionalkongress, organisiert vom Comité Départemental de Spélélogie Ardèche, kamen Alfred Schlagbauer und ich nur zufällig. Seit Jahren fahren wir schon um die Osterzeit in den Süden Frankreichs, und diesmal ergab es sich einfach so, daß wir bei dieser Veranstaltung Annie Guiraud und Philippe Crochet, alte Höhlenfotographenfreunde, treffen wollten. Im Beiprogramm der Verstaltung sollten nämlich einige Höhlen der Umgebung, die normalerweise kaum zugänglich sind, geöffnet und mit speläologischem Material eingerichtet werden. Unser Aufhänger war die größte Höhle der Region, die Saint-Marcel-Höhle, die für die Veranstaltung vom obersten Eingang bis hinunter zum einzigen natürlichen Eingang ganz unten begehbar war.

Sehr viel haben wir dann nicht viel mitbekommen vom Kongreß. Am Freitagabend, den 30. März, begann er, und am Samstagabend kamen wir erst bei Nacht an. Eine ideal gelegene Ferienanlage Las Blachas bei Salavas, das bei Vallon Pont d'Arc liegt, war der Veranstaltungsort. Um diese Jahreszeit waren noch keine Feriengäste da. Die vielen steinernen Bungolows waren alle nur mit Höhlenforschern belegt. Wer mit einem Zelt da war, der wirkte schon fast als Fremdkörper. Ein großes Empfangsgebäude gab es, in dem die Speläogeschäfte und die Buchhändler Platz hatten, einen Veranstaltungssaal, in dem die Vorträge stattfanden, und ein Restaurant, in dem die Mahlzeiten eingenommen wurden. Am Ufer der Ardèche war der Speleoparcours aufgebaut, in dem es wettkampfsmäßig zuging und in dem die "Schnellsten" am Ende ausgezeichnet wurden. Da stand auch ein kleines Zirkuszelt, und in dem wurde nächtens eine musikalische Soirée abgehalten - ein aufregender Ort für Blues und andere ekstatische Musik.
Als wir eintrafen, da war irgendwie schon alles gelaufen. Nur das Restaurant war zum Brechen voll, ansonsten brannten nirgends mehr Lichter, mit einer Ausnahme: dem Festzelt. Dorthin verlegte sich immer mehr das Geschehen, allerdings überwiegend für die jungen Besucher der Veranstaltung. Drei Bands habe ich ausgemacht, die oft wirklich gute Musik gespielt haben, wobei das Echo von den Kalkfelswänden auf der anderen Flußseite herüberkam. Ein bißchen abträglich für die Stimmung war, daß es ziemlich kühl draußen war und es anfing, richtig zu regnen. Die Jugend hatte ihren Spaß. Als ich mal wieder gegen 1 Uhr früh runterging und schaute, ob ich nicht irgendwo Annie und Philippe sehen würde, da lag gerade wieder eine Gruppe von "Tänzern" auf dem Sandboden unter der vor dem pritschelnden Regen schützenden Plane, und tobte sich zu den Klängen einer feinen Klarinette, eines wummernden Basses und eines fetzenden Schlagzeugs aus.

Der nächste Morgen war trübe, mit kurzem Hemd lief keiner rum, es schien kaum mehr jemand da zu sein. Für 5 € pro Person durfte auch Alfred und ich in den Frühstücksraum und bekamen ein umfangreiches Frühstück dafür. Mehr als 10 Franzosen waren nicht da. Viel war da wirklich nicht los. Auf einmal tauchte Philipps Gesicht auf, wir freuten uns, endlich ein bekanntes Gesicht zu sehen. Er war schon viel besser bekannt hier, schließlich stammte von ihm die kleine Diaschau über die verschiendenen Höhlenforschertypen, die ganz zu Ende der Veranstaltung im Vortragsraum gezeigt werden sollte (da waren wirklich nur noch 8 Personen da!). Ganz erstaunt war ich, als ich da auf einmal erfuhr, daß 300 Teilnehmer an diesem Kongress teilgenommen hätten - bloß, wo waren die (noch)?

Wir kamen nachmittags, nach unserer Tour in die Saint-Marcel-Höhle, die durch den Kongreß möglich war, zurück. Der Parkplatz war fast vollkommen leer. Die Bungalows waren geräumt. Im Vortragssaal saß ein allerletztes Häuflein an Zuschauern, die sich den Vortrag über einen Schachthöhle in der Umgebung angesehen hatte, die man vom Zivilisationsmüll gereinigt hatte. Als letzer Vortrag stand Philipps Vortrag auf dem Programm. Gähnendste Leere, trotz modernster Technik. Laptop, Beamer, Vortrag auf CD. Vielleicht auch deshalb? Warum sich das alles noch anschauen, wenn kein wirklicher Mensch mehr dabei und "dahinter" steht? Mir sind richtig die gemalten Höhlenbilder aufgefallen, die sowohl im Zirkuszelt an die Planen geheftet waren, als auch in Veranstaltungshaus noch, als alle schon gegangen waren. Richtig gute Mischungen aus Zeichnung und Farbe. Perspektivisch auf den Punkt getroffen. Nirgends stand ein Name. Schade. Wer hat sie wirklich noch angeschaut? Vieles geht heute viel zu schnell. Die Intensität des Erlebnisses geht einfach verloren, wenn man sich nicht genug Zeit läßt, für das, was um einen herum ist. Aber schon ist "man", da will ich mich gar nicht ausnehmen, wieder weiter.
Ein Höhlenbuchhändler aus Belgien war der Letzte, der noch im Zentralhaus war. Er hatte noch nicht seine "Schätze" wieder mitgenommen. Liegt einfach wohl auch am "Gewicht" der Dinge, mit denen er Geld verdient. Seltsam, ein paar Blicke genügen. Da, ein Buch, das ich aufschlage, und auf Bilder von Philippe stoße, die er selber noch nicht veröffentlicht gesehen hat. Dort ist ein neuer Band von Remy Wenger über die Höhlen den Welt, den ich noch nie zu Gesicht bekommen habe, die große Welt schrumpft auf die Größe eines Schussers. Was steckt da sonst noch in den vielen herumstehenden Schachteln? Minuten später sind die Kartons weg, alle Räume leer, offen für die nächste Touristensaison.

Wir fahren weiter Richtung Montpellier....

 

 

Literatur:

   

Links:

 


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