Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Höhle im Kojen, A
Vor 10 Jahren bin ich mal in eine große Höhle im Sauerland anläßlich einer Verbandstagung dort gekommen. Wir haben schon einige Gänge besuchen können, bei einem hieß es aber, da bräuchte keiner mehr reingehen. Der sei erforscht und vermessen, da bräuchten wir gar nicht mehr rein.
Wenn es wirklich so wäre, dann könnte man sich heute die Begehung der meisten Höhlen bei uns sparen. Alles ist so ziemlich heute erfaßt. Nur noch wenig bleibt da zum Erforschen.
Trotzdem lohnt sich es sich immer noch, auch selber einmal hinzugehen, mit eigenen Augen mal zu sehen, was es zu sehen gibt. Und zu vergleichen, ob das was man da sieht, wirklich dem entspricht, was man erwartet hatte. Da sind Überraschungen drin.
Eine solche Überraschung erlebte ich am 24. Mai 2003, als Willi Adelung und ich, mehr als Notlösung mal die "Tropfhöhle am Kojen im Bregenzer Wald aufsuchten. Eigentlich wäre ja eine Tour zur Vermessung der Klüfte bei der Kenzenhütte in den Ammergauer Alpen geplant gewesen, aber das zerschlug sich aus Terminmißverständnissen am Morgen. Um den herrlichen Tag nicht ungenützt verstreichen zu lassen, schlugen Willi und ich den "Kuntscher" auf und suchten nach einem Ersatzobjekt, das auch an einem Nachmittag noch zu machen gewesen wäre. Ob es dann tatsächlich auch funktioniert, das weiß man ja immer erst im nachhinein.
Ob wir wohl zum Kojen hinauffahren können würden? Keine Ahnung. Als wir eine aus der Karte ersichtliche Abkürzung auf unserem Weg von Hinterstaufen nehmen wollten, wurden wir durch große Sperrschilder davon abgehalten. Ob es hinten herum gehen würde? Tatsächlich es ging, die Straße führte hinauf in das im Winter als Skigebiet genutzte Gelände des Hochhäderichs. Auf der Wanderkarte waren mehrere Parkplätze eingezeichnet. Der am besten geeignete wäre der bei der "Schnapshütte" gewesen. Wir suchten herum, aber alles war blockiert. Es hatte keinen Sinn. Wir mußten durch die Sperre, die uns 3 abnötigte und uns zu einem längeren Anmarsch nötigte. So kann man in der Praxis die Zugangsskizze zur Höhle aus den Kuntscher im Jahre 2003 als veraltet ansehen. Ein bißchen länger muß man unterwegs sein, man kriegt so aber auch den Durchmarsch durch ein Hochmoor mit, nützt man den Höhenweg über den Grat, dann hat man auch noch eine schöne einfache Bergwanderung dabei, eine herrliche Aussicht vom Kojen, die bis hinunter zum Bodensee reicht, und am Ende wird man dann wohl auch den Höhleneingang suchen. Gleich neben dem Abstiegsweg ist eine kleine Hangquelle, die auch gleich wieder in einem Hangponor verschwindet - die Tropfhöhle im Frühstadium.
Zufällig wird man die Höhle bestimmt nicht finden. In einem Wäldchen verbirgt sie sich vollkommen. Hat man den Wald aber erreicht, dann ist sie nicht mehr zu verfehlen. Allseits gehts nach unten in eine schüsselförmige Vertiefung. Bei der, den Häusern am nächsten liegenden Doline ist auch der Einfluß des Menschen am stärksten: ein Haufen Müll liegt herum.
Danach tut sich ein großer Trichter mit vielen senkrechten Löchern auf, die in die Tiefe führen. Kleine Bächlein führen ihr Wasser bis zu Schluckstellen, wo sie verschwinden. Wer nicht sehr neugierig ist, der braucht keinen Schlaz, wer mehr sehen will, der sollte sich besser umziehen. Mindestens die Stiefel werden nämlich ziemlich "versaut", aber auch die Hände werden durchaus "dekoriert".
Bei unserem Besuch waren nur noch sehr vereinzelt Bodeneisbildungen da. Ansonsten tut sich vor einem ein überraschend großer Hohlraum auf, der sich nur mittels starker Lampen wirklich ausleuchten läßt. Ansonsten kann man, vorsichtig abwärts steigend, im eigenen Nebeldunst, der gleich wegen der relativen Kälte entsteht, tiefer klimmen. Überall ist Konglomerat und Kleinschutt. Bücken braucht man sich erst wieder, wenn fast die Sohle erreicht ist. Das berühren sich Boden und Decke wieder, ein Rinnsal hatte schon einen kleinen Bachlauf in den Boden gefressen, schien in der nahen Ferne irgendwo zu versickern.
Konglomerathöhlen gibt es nicht so viele, die Castelsottera am Südrand der Alpen in den Piaveschottern ist eine ähnliche Höhle, allerdings viel länger, als die hier, aber doch an sie erinnernd. Sie haben ihr ganz eigenes Gepräge und sind deshalb durchaus besuchenswert - auch wenn sie längst vollständig erforscht und vermessen sind.
Konglomerathöhlen bezeugen einfach ein Zwischenstadium. Steine dienen ja gerne als materielles Äquivalent für die Ewigkeit. Warum stellen wir uns sonst Grabsteine auf die Friedhöfe. Sie sind das, was noch am längsten hält. Oder gibt es etwas, was noch länger aushält? Aber Stein ist nicht gleich Stein. Einige halten länger, andere weniger lang. Konglomerate sind Zeugen dafür, daß auch Steine nicht "ewig" halten. Sondern sind gewissermaßen schon Kinder von anderen Steinen. Umgelagert durch die Eiszeiten, abgelagert wieder, kleine Steine verbacken mit anderen. Aber auch das ist "stabil". Hält, mehr oder weniger. Man sieht das auch in der Höhle. Die Höhlendecke hat auch ihre Brüche. Spalten tun sich da auf. Es öffnen sich die Decken. In der Fachsprache heißen diese freigewordenen Räume auch "Kamine", obwohl hier nie ein Feuer gewirkt hat.
Einziges menschliches Zeugnis, das wir gefunden haben, war der Bodenteil einer Sektflasche. Ob hier jemals jemand irgend etwas "gefeiert" hat? Wenn ja, dann war das ein denkbar unfreundlicher Ort. Schlammig und eiskalt.
Ganz in der Nähe gibt es eine weitere kleine Höhle, das Kujaloch.
Literatur:
Kuntscher, Herbert |
Höhlen - Bergwerke - Heilquellen in Tirol und Vorarlberg, Steiger Verlag, Berwang 1986 |
Elsensohn, Reinhard | Kujaloch und Tropfhöhle bei Riefensberg, Neuigkeiten aus Karst und Höhlen 101, 2005, S. 5 |
Links:
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