Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Region nördlich des Wendelsteins aus speläologischer Sicht


Westlich des Inntals überragt der Wendelstein mit seinen 1.838 m Seehöhe alle anderen Berge in der Umgebung, den Breitenstein (1.622 m), den Schweinsberg (1.516 m), die Haidwand (1.584 m), die Hochsalwand (1.624 m) und so weiter. Lange Zeit hindurch blieb diese nördlich des Wendelsteins gelegene Region speläologisch weitestgehend unbearbeitet. In einer Katasterübersicht über die bekannten Höhlen aus dem Jahre 1982 (Vater) stehen da nur das Wetterloch am Wildalpjoch, die Wildalpjoch-Durchgangshöhle, eine Höhle in der Soinwand, der Schacht unterhalb der Reindlerscharte und die Haidwandhöhle. Von der wird nur der Name erwähnt. Weitere Angaben fehlen völlig.

Schacht in der Reindlerscharte

Dabei wurde die gut sichtbare, aber nur sehr schwer erreichbare Höhle in der hohen Westwand der Haidwand schon um 1975 erstmals von zwei Bergsteigern begangen. Beim Abstieg rutschte einer davon aus, verletzte sich schwer und mußte mit dem Hubschrauber gerettet werden. Danach wurde es wieder ziemlich ruhig in dieser Zone.

Mit dem Höhlenkundlichen Workshop des Vereins für Höhlenkunde in München 1994 begann eine neue Phase, nachdem einige VHM-Mitglieder schon ein paar neue Höhlen dort untersucht und aufgenommen hatten. 2003 fand dann ein weiterer Workshop statt, der ebenfalls bereichernde Ergebnisse brachte, insbesondere bei der Soinalm.

Eine neue Forschungsphase setzte 2014 ein, nachdem Wolfgang Schulz, ein Mitglied des VHM, die vielen schwarzen Löcher in der Wand der Haidwand aufgefallen waren und er neugierig darauf war, ob dahinter nicht Höhlen liegen würden.

Eine zweite Geschichte von der neuen Forschungsphase im Gebiet des oberen Jenbachtales erzählte uns 2021 vor der Aiblinger Hütte Adalbert Weinhart (das ist der "Einheimische", der in Georg Ronges Artikel als Tipgeber erwähnt wird). Er ist der Wegereferent der Alpenvereinsektion Bad Aibling und kennt das ganze Gebiet wie seine Hosentasche. Höhlen interessieren ihn auch und besonders zwei Erdöffnungen im oberen Jenbachtal waren ihm schon lange bekannt. Nach einer zufälligen Begegnung mit Münchner Höhlenforschern bei der Ponorhöhle in Oberaudorf erzählte er ihnen davon und als sich eine Gelegenheit ergab, zeigte er sie ihnen, womit ein neuer entscheidender Anfang gemacht war. Es noch mehr Höhlen in dem Gebiet, die uns im Moment (Oktober 2021) wohl noch unbekannt sind, und die Adalbert schon angeforscht hat!

Georg Ronge, inzwischen zum VHM-Vorsitzenden gewählt, organisierte ein erfolgreiches Forschungslager, das nun 2015 eine Fortsetzung hatte. Er besorgte eine "Sonderfahrerlaubnis für Forschungszwecke" für die Forststraße, um das Material leichter zum Lagerplatz auf eine "romantische Waldlichtung nördlich des Wendelsteins" (Ronge)  bringen zu können, das Einverständnis des Bauern wurde eingeholt, daß wir auf der sumpfigen Wiese, die sonst halt Weideplatz der Kühe ist, unsere Zelte aufstellen durften, dann mußten nur noch die Leute kommen.

Zwei Forschungsziele gab es vor allem: In einer inzwischen den Namen "Potter's paradise" genannten Quellhöhle sollte ein Pumpversuch unternommen werden und im nicht weit davon gelegenen "Wendelwurm" sollte der mit Lehm und Geröll verstopfte gewundene Höhlengang weiter ausgeräumt werden. Außerdem war angestrebt, das Gelände weiter zu erkunden und vielleicht noch mehr Höhleneingänge zu entdecken, und, eine Spezialziel für Kletterkönner: den Eingang der Haidwandhöhle noch einmal zu erklimmen.

Ich war Anfang Juni 2015 einer aus einem Team von Vieren, die das Lager errichteten, und am nächsten Tag vor allem den Pumpversuch vornahmen. Am nächsten Tag hatte ich bereits anderweitig etwas vor, aber an meiner Stelle kamen eine Reihe anderer Leute nach, das Team wieder verstärkten.

Es hat wirklich Spaß gemacht, da mitgemacht zu haben. Eine große Herzlichkeit und Kameradschaft herrschte untereinander. Keine Spur von der unleidlichen Atmosphäre, die ansonsten ja leider, ausgelöst durch einige wenige "besondere" VHM-Mitglieder, zur Zeit verbreitet wird. Ein Zeichen dafür war das fürstliche Abendessen, das wir jeden Abend genießen durften, gemeinsam wurde geschnitten, gebraten, gerührt und dann genossen. Ein Weißbier dann dazu und am Ende ein Glas Rotwein. Da konnte der Nebel noch so dicht und die Feuchtigkeit auf der Wiese noch so durchdringend sein, nichts konnte die gute Stimmung verderben.

Ich möchte der Schilderung der speläologischen Ergebnisse anderen überlassen, die hoffentlich schriftlich in unserem Vereinsblatt, dem SCHLAZ, einmal veröffentlicht werden. Hier soll nur ein kleiner Stimmungsbericht stehen.

< Am Ausgangspunkt der Fahrstraße zur Wirtsalm bei Bad Feilnbach

 

> Unterwegs zum Biwakplatz

     
< Am Weg zum Biwakplatz

> Gemeinsam wird das Zelt errichtet

     
Die Zeltstadt
     
Karst und Küche in Aktion
  :  
< Frühstück von oben: mit Frischmilch, köstlichem Dinkelbrot, Cheddar, selbstgemachtem Basilikumpesto... uns ging es nicht schlecht

> Abends Käsespätzle

     
< Das Aggregat wird zur Traglast verstaut

> Die Pumpausrüstung, freundlicherweise von der Feuerwehr Taufkirchen an uns entliehen: Aggregat, Pumpe, Schläuche, Kabel

 

     
Am Weg zur Höhle in Richtung Wendelstein
     
Der Eingang in die Höhle, unauffällig, brüchig, mußte erst einmal massiv durch Georg und Verena 2013 ausgeräumt werden, ehe sie hinein konnten
     
 
     
 
     
 
     
Nach der Höhlentour
     
Beim Wendelwurm (heute Moosebnerhöhle)
     
< Regenbogen am Abend

> Portal in der Wand

     
Abendstimmung
à la Caspar David Friedrich
     
Schönheit steckt auch in den kleinen Blumenwundern am Weg

Vom 23. bis 26. Juni 2016 organisierte wieder Georg Ronge, der inzwischen ja leider als Vorstand des VHM von Hauptversammlung abgewählt wurde, Forschungstage in dieser Region. Seiner Einladung wurde sehr gefolgt, hauptsächlich von Leuten, die heute zumeist in der "Karstforschung Südbayern" organisiert sind. Dorthin strebt scheinbar momentan die Jugend, nicht mehr in den VHM mit seinen leider vorhandenen Querelen, deren Ende kaum absehbar ist. 

10 Personen kamen zusammen. Sogar bis hinauf nach Franken hatte es sich herumgesprochen, daß das da richtig "geforscht" werden sollte. Ich war nur einen Tag mit dabei und das meist nur in beobachtender Position. Das Alter zeigt sich halt immer mehr. Am Donnerstag passierten hauptsächlich nur die Anreise, die Einrichtung des Lagers und erste Forschungsaktivitäten. In der Hochsaalwand war einem Mitglied unserer Gruppe ein blasendes Loch aufgefallen, das noch nicht untersucht gewesen war. Zu viert zogen wir den steilen Berg hinauf. Erst im letzten Moment tat sich da tatsächlich unter einem riesigen Felsen ein Loch aus, aus dem es kräftig bläst. In dem Raum dahinter liegt noch viel altes Zeug, Plastikwannen, Flaschen, Holzlatten usw., die von einer früher hier vorhanden gewesenen Hütte stammten und die noch nicht wieder zu Tal gebracht sind. Am Ende des kleinen Endraums drang aus einer schmalen Spalte starker Luftzug, dem gefolgt werden sollte. Mit Hilfe des mitgebrachten Flaschenzugs wurde der größte Block herausgehebelt, was so großen Kraftaufwand erforderte, daß am Ende sogar die Sollbruchstellen des Geräts erreicht waren, das danach seinen "Geist" aufgab. Von nun an ging es nur noch händisch weiter, Block um Blöckchen wurde mühsamst herausgeholt, gerollte, geworfen. Kleinere Steinchen kamen in eine Plastikwanne, und wurde kräftesparend gesammelt herausgeliftet, geduldigst, bis nur noch die Hoffnung übrig war. Ob es sich noch lohnt, weiterzumachen? Vermutlich sind wir hier in einem Windröhrenfeld, das entstand, als viele viele große Felsbrocken von oben aus der Wand herausgebrochen sind und unterwegs liegenblieben. Die Luft kann eintreten und fließt nach unten bis einem Punkt, wo sie einfach wieder herauskommt. "Talus cave" heißt dieser Typ und kann beim Vorliegen entsprechender Bedingungen Kilometerlänge erreichen, zumindest in den USA. Ob sie hier vorliegen? Eher nicht. In der Umgebung unterhalb ist schon eine weitere Höhle bekannt, die wohl ähnlichen Charakter hat, die Eishöhle. Irgendwann waren die Kräfte erschöpft beim Protagonisten der Maulwurfsarbeit, wir anderen zogen nicht recht, die Nachfolge anzutreten. So begaben wir uns auf den Rückzug.

Eine zweite Gruppe war unterwegs gewesen zum "Potter's Paradise", einer anderen großen Hoffnungshöhle in dem Gebiet. Aus den Erfahrungen vom Vorjahr hatte Georg gelernt und noch eine Pumpe und eine Tonne mitgebracht, mit deren Hilfe der Siphon in der Höhle geknackt werden sollte. Zu sechst zogen sie los, installierten die Geräte und bereiteten so alles für den großen Vorstoß am nächsten Tag. Noch vor Sonnenuntergang kamen sie zurück, wir genossen das feine Abendmahl mit dem von Georg gekochten Hirschgulasch und einigen Bieren - so ließ es sich bestens leben. 

Am nächsten Morgen erfuhren wir endlich, wie das Referendum in Großbritannien ausgegangen war. Das ist ja heute im Zeitalter der Smartphones möglich, auch in einer entlegenen Bergöde noch aktuelle Infomationen zu bekommen. Es war toll, gleich beim Frühstück dieses gravierende Ereignis in dem vielfältigen Kreis geistig kommentiert zu hören. Das Hauptziel für den Tag stand fest: Auspumpen des unerforschten Siphons. Alle brachen auf, auch ich, der ich mich gleich wieder verabschiedete, weil ich anderen Orten und Zielen zueilte, nach Irsee zu einem philosophischen Seminar und zum Iseosee mit der Installation Christos. Im Moment des Schreibens dieses Berichts weiß ich noch nicht, was herausgekommen ist und es drängt mich auch nicht, das umgehend herauszufinden. Der Moment vor dem "großen Moment", der hat doch seine eigene große Qualität. Im "Advent" ist das doch noch kulturell institutionalisiert. Warten können, das ist eine Tugend. Ich erfahre es schon noch....

Höhlenforschung 2016:

Seilzug in Aktion

Der Steinwälzer

> Hirsch im Topf

Auf einmal stand ein Bergwanderer bei uns, der sich gut im Gebiet der Hochsalwand auskennt. Er hatte ein Fundstück dabei, da ihm in der Nähe der ältesten Eibe des Gebiets, im Boden steckend, aufgefallen war. Es war ein seltsamst geformter Stein, in der Form an einen Steindolch erinnernd. War der vom Menschen gestaltet worden oder war er auf Grund von Naturvorgängen so geworden, wie er in unserer Hand lag? Sollte das eine Art Voodoozauber sein?

Ich bekam ihn mit dem Auftrag, fachliche Experise einzuholen. Das habe ich nun gemacht und bei der Prähistorischen Staatssammlung in München vorbeigeschaut. Der Spezialist für die Steinzeit war glücklicherweise da und begutachtete das gute Ding. Daß hier ein Mensch der Verursacher der Form sei, das lasse sich nicht beweisen. Das könne alles natürlich entstanden sein, die Rundungen, die Abschleifungen, eine direkte Spur menschlicher Einwirkung gäbe es nicht, weshalb es sich hier um kein archäologisch relevantes Stück handelt. Aufheben würde er es auch jeden Fall, da es halt ein schönes und außergewöhnliches Stück Stein sei.

 

Aufstieg zur Aiblinger Hütte im Jenbachtal 2021 Aiblinger Hütte > Breitenstein
Blick von der Aiblinger Hütte über das Gebiet der Mooseben zum Wendelstein
Blick von der Aiblinger Hütte Richtung Schweinsberg mit seinen Kössener Schichten

Literatur

Hofmann, Peter, Wolf Andreas Neues vom Wendelstein 1279, in: Münchner Höhlengeschichte II, München 2004
Reiner, Harald Haidwandhöhle Kataster Nr. 1279/9, Der Schlaz 62-1990, S. 44ff.
Ronge, Georg Speläo-hydrologische Beobachtungen beim Hochwasser im Mai 2019, Der Schlaz 130-2020, S. 36ff.
Vater, Klaus Höhlenkataster, in: Münchner Höhlengeschichte, München 1982

Links:

Bad Feilnbach - Moorbad und Natur-Heil-Dorf in Bayern
roBerge.de | Hütte #49 | Schlossalm
Bergwandern für Senioren
Tageswanderung auf die Wirtsalm
https://www.hoehenrausch.de/huetten/aiblinger-huette/
https://www.alpenverein-aibling.de/de/

Landschaft und Höhlen im Wendelsteingebiet und Umgebung


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