Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Dolinen auf der Gotzenalm, Hagengebirge
Dei Gotzenalm bildet die Südwestecke des Hagengebirges.
Es gibt mehrere Zugänge. Einer der meist benutzten führt vom
Parkplatz Hinterbrand auf 1.100 m Seehöhe auf einem Höhenweg an
der Flanke des Jenners entlang, dann zu einer Verzweigung, wo es
nach oben zur Priesbergalm und weiter über den Hirschenlauf
geht, nach unten zur Königsbachalm, weiter über die
Gotzentalalm und dann steil hinauf zur Gotzenalm. Unterwegs
vereinigen sich dann die Wege wieder.
Auch vom Königssee kann man heraufsteigen, entweder von der
Bootsanlegestelle Kessel aus oder von der Saletalm über den
Kaunersteig und die Regenalm. Das alles sind relativ lange,
steile und anstrengende Anstiege. Auch die Mountainbiker haben
diesen Punkt entdeckt, weil er sich gut über steile Schotterwege
erreichen läßt.
Hat man es geschafft, dann wird man reichlichst belohnt, sofern
das Wetter mitmacht. Bei Nebel und Regenwetter frägt man sich
wohl, warum man sich all die Strapazen angetan hat, bei
strahlendem Wetter ist das keine Frage. Eine Rundumsicht ist von
hier aus möglich, die man nur selten hat, und eine Stille
herrscht hier, meist, allenfalls unterbrochen vom Gebimmel der
Kuhglocken. Meist, denn es gibt heutzutage schon
Ruhestörenfriede, die der Mensch erst erfinden und einsetzen
mußte und muß, um sie zu bemerken. Als ich jedenfalls im August
2010 einmal diesen Weg wieder machte, da brummte im Hintergrund
dauernd ein Hubschrauber im Gebiet des Jenners, der Baumstämme
von der Bergflanke herunterbeförderte. Gestoppt hat der nur zum
Auftanken. Angesichts der übrigen Stille fiel der natürlich
ganz besonders negativ auf. Und das ganz nah beim Nationalpark!
Sollte man da nicht auch dessen Klang- bzw. Stilleraum schützen?
fdff
Auf der Hochfläche der Gotzenalm stehen mehrere Almkaser
verstreut. Es existiert ein uraltes Dokument, das bereits
Hinweise auf Almwirtschaft seit dem 11. Jahrhundert dort
enthält. Sie werden in Form der Allmende betrieben, d.h. keiner
der Almbauern erklärt ein Gebiet für nur ihm gehörig, sondern
alle zusammen betreiben das Gelände.
Damit haben wir hier ein tausendjähriges Experimentiergelände
vor uns, wie das menschliche und ökonomische Zusammenleben von
Menschen erfolgreich gestaltet werden kann.1968 wurde die
Diskussion um die Allmende-Wirtschaft durch den Amerikaner Garret
Hardin wieder angefacht, was in der Ausdrucksprägung von der
"tragedy of the commons" dort sprachlichen Ausdruck
fand. Es sei praktisch unmöglich, einen dritten Weg zwischen dem
"Gemeineigentum" des Kommunismus und dem geheiligten
"Privateigentum" des heute triumphierenden Kapitalismus
zu finden. Wer darüber mehr erfahren will, der sollte sich als
Ausgangspunkt die Wikipedia-Artikel dazu ansehen. Jedenfalls hat
Elinor Ostrom 2009 den Wirtschaftsnobelpreis dafür bekommen,
daß sie diesen uralten erfolgreichen Wirtschaftsgedanken, der
halt auf Nachhaltigkeit vor allem wert legt, ein theoretisches
Fundament gegeben.
Unser normales kapitalistisches Wirtschaftsverhalten regiert auf dem Springlkaser, der privat bewirtschaftet wird, und von dessen Erträgen auch einige Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Auf die Frage, ob es eine Ermäßigung gäbe, wenn man Alpenvereinsmitglied sei, kam die Antwort, daß es die nicht gäbe, denn was mache der Alpenverein für ihn, den Hüttenwirt? Man könnte viel dazu sagen, aber das soll hier unterblieben. Man kriegt ein dichtes Dach über dem Kopf, ein anständiges Essen, einen sauberen Übernachtungsplatz, was will man mehr?
"Der" Ausflug von der Gotzenalm aus führt zum Feuerpalfen. Es sind gerade 15 Minuten hinauf zum 1.741m hohen Aussichtspunkt. Weil er so bekannt ist, bilde sich da manchmal eine richtige Warteschlange. Wer nicht weiß, was da kommt, der kann da richtig einen Moment spüren, den man auf Englisch "breathtaking" nennt. Denn da geht es gut 1.000 m senkrecht hinunter zum Königssee, der Blick fällt direkt hinunter auf Sankt Bartholomä. Sofern man passendes Wetter hat, dann sieht man auch die Watzmann-Ostwand, und, für Kenner, die Eiskapelle.
Höhlenkundlich ist die Gotzenalm natürlich auch sehr interessant, liegt doch unter der Grasnarbe Dachsteinkalk bis hinunter zum Königssee. Verstreut über die ganze Wiesenfläche sind überall trichterförmige Eindellungen auszumachen, "Dolinen" in der Fachsprache. In etliche davon rinnt von oben ein Bächlein hinein und kommt nicht mehr heraus, sondern verschwindet in der Tiefe des Karstes. Ein Färbeversuch ist schon gemacht worden und hat ergeben, daß das Wasser unten beim Funtensee wieder in einer Quelle herauskommt, immerhin ein Höhenunterschied von rund 1.000 m. Natürlich sind all dieses Wasserschluckstellen schon untersucht worden. Die Frage ist, ob Grabungsversuche helfen würden, da einmal weiterzukommen. In anderen Teilen der Erde hat man das ja längst schon gemacht und großartige Erfolge dabei gehabt, z.B. in Großbritannien, Ungarn oder bei uns in Deutschland bei der Mühlbachquelle. Das kann jahre- und jahrzehntelange anstrengende und manchmal auch gefährliche Arbeit bedeuten, aber wenn es mal klappt....
Ein paar kleinere Objekte sind schon im Kataster erfaßt, hauptsächlich auf Grund von Forschungen der HFG Mühlacker. Bei einem Gespräch mit einem alten Senner antwortete er auf meine Frage nach eventuellen Höhlen im der Region, daß es da schon ein paar geben würde. Da und da und da. In einem Jahr hätten sie auf einen Schlag mal 2 Kühe verloren. Trotz intensivster Suche seien einfach zwei Tiere weg gewesen. Da tauchten ein paar Höhlenforscher auf und erzählten, daß sie auf dem Grund eines Höhlenschachtes eine tote Kuh entdeckt hätten. Das ist dann wohl der "Baumschacht", 1984 erforscht von Benjamin Menne und Kameraden. Die Kuh haben sie 1988 gefunden. Auf Grund dieser Nachricht nahm man die Suche noch einmal auf, trotzdem inzwischen schon 3 Wochen vergangen waren, und fand dann tatsächlich noch das Tier. Es steckte in einem 3 m tiefen Kluftschacht und war noch am Leben! Alle verfügbaren Kräfte wurden mobilisiert, man holten aus dem Wald drei Baumstämme, baute daraus ein Dreifußgestell und brachte daran einen Flaschenzug an. Einer stieg ab, legte das Tragezeug der fast leblosen Kuh um und alle zogen kräftig an den Seilen. Tatsächlich gelang das Unternehmen. Man konnte das arme Tier aus seinem kalten, trotzlosen Felsengefängnis herausholen. Alle waren gespannt, was nun passieren würde. Erst sei sie unsicher auf ihren schwachen Füßen gestanden, aber dann habe sie es gepackt und sei davon gestapft auf ein entlegendes Areal der Hochfläche - und hat noch ein paar Jahre weitergelebt.
Literatur:
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, Gesamtredaktion Walter Klappacher und Harald Knapczyk |
Salzburger Höhlenbuch, Band 3, Salzburg 1979 |
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg | Salzburger Höhlenbuch, Band 6, Salzburg 1996 |
Gerecke, Prof. Dr. Reinhard | Dieses 7 mm kleine Tier überlebte die Eiszeit, Nationalpark Berchtesgaden 1-2009, Nr. 25 |
Links:
http://www.nesvadba.de/berg/gotzenalm/berg_gotzenalm.htm
Landschaft und Höhlen im Bayerischen Teil des Hagengebirges
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