Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Höhlenburg Stein an der Traun, Bayern
1560 2019
Ein Blick in den Brunnenschacht! Juli 2006 anläßlich des 20. Jubiläums der Chiemgauer Höhlenbären bei YouTube
Die Höhlenburg von Stein an der Traun liegt in der Konglomeratfelswand im gleichnamigen Ort. Der DEHIO-Reiseführer charakterisiert die Gesamtsituation des Schlosses, zum dem auch die Höhlenburg gehört, mit folgenden Worten: "Durch einen in den Fels gehauenen unterirdischen Gang verbundene Anlage aus drei Burgen, vor, in und auf der steilen Nagelfluhwand, die kurz vor der Mündung der Traun in die Alz die Ostseite des Tales abriegelt. Dem markanten Klosterbau von Baumburg am jenseitigen Hang gegenübergestellt."
Über die Höhlenburg ist dort zu lesen: "Vom inneren Hof des Unteren Schlosses durch eine Holztreppe zu erreichen. Grotte unter einer überhängenden Wand zu System von Gängen und Räumen erweitert: u.a. ein rundgewölbter 30 m langer Wehrgang, Eßzimmer, Tanz- und Rittersaal, Gerichtssaal, Küche, weitere Wohnräume sowie ein Brunnen und der aushauene Gang zum kleinen Burghof des Hochschlosses. Gegen den unteren Schloßhof zu durch eine dicke Tuffsteinmauer mit Schießscharten abgeschlossen, dort Wappen der Toerring-Seefeld und der Fugger von Kirchberg und Weißenhorn; der Komplex von 1565 und 1705 (Inschrift); renoviert 1956. Gilt als die besterhaltene Burg dieser Art in Deutschland."
Früher war der Gang hinauf zur oberen Burg im Besuchsprogramm enthalten, heute (2006) ist das nicht mehr der Fall. Aus Sicherheitsgründen unterbleibt das, weil angeblich Steinschlaggefahr droht. In der Burg wickelt man offenbar ein Ausbauprogramm der Anlage ab, renoviert verschiedene Räume, möbliert sie wieder mit Stücken aus der Zeit von Heinz von Stein, will auch wieder einen "Blutfleck" an einer bestimmten Stelle an die Wand schmieren, die Folterkammer besser bestücken, überhaupt den Besucher in eine "Erlebniswelt" führen.
Auf dem Weg zur Felswand | |
Der Hungerturm |
|
Der "Kerker" im Schloß mit Falldeckel |
|
Die "Folterkammer" - "im Aufbau" |
|
Der Burgbrunnen |
|
Das Wappen der Thoeringer | |
In der Burgküche | |
Wohnräume in der Burg |
|
Der Burgplan | |
Der Aufgang zur oberen Burg |
|
In der Brauerei - viele schauen auf die Braukessel |
|
andere aus dem Fenster in den Garten darunter.......... |
|
Auf dem Weg in den kühlen Bierkeller links die natürlich Konglomeratwand |
|
In den Bierkesselräumen | |
Im Bierträgerlager | |
Der Unhold von einst - die cash cow von heute |
Ein besonderes Erlebnis ist es, auch die Brauereiführung mitzumachen. Da bekommt man Einblick in die Herstellung von Bier nach traditionellen Methoden und in die Kühlkeller im Schloßberg, für die große unterirdische Kavernen in das Gestein gesprengt worden sind. Im Lager für die fertigen Bierträger kommt fast sakrale Stimmung auf, da hier von oben durch Deckenfenster nur das Licht eindringt und man die Berge aus Bierträgern mit einiger Phantasie auch als Alter ansehen könnte.
Nicht weit von der Burg entfernt ist noch die "Klause" auf halber Höhe des Felsens. Der Dehio weiß darüber: "Reste der bis 1936 bewohnten Anlage: fünf Felsgrotten, eine noch durch Blockwand und Pultdach nach außen abgeschlossen. Dort wohnende Eremiten unterrichteten ab Ende des 17. Jhdts die Kinder des Ortes."
Östlich der Brauerei sind eine Reihe von Häusern direkt an die Konglomeratfelswand gebaut worden, so daß wie hier richtige kleine Felsenhäusl noch haben.
Die Höhlenburg von Ferne Die Felswand mit der Höhlenburg Mai 2004 |
||
Die Höhlenklause von unten Auf dem Weg in die Klause |
||
Der Weg in der Felswand zur Klause |
||
Die Klause wird langsam sichtbar DieKapelle bei der Klause |
||
Das Bett des Klausners | ||
Alte Fotos von den Klausnern |
Die wichtigste Figur im Zusammenhang mit der Höhlenburg ist sicherlich der Ritter Heinz von Stein. Carl Oskar Renner hat ihm ein literarisches Denkmal mit seinem Buch "Heinz von Stein, genannt der Wilde" gesetzt. Er zeichnet darin sehr treffend die Zeit Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts und das darin hineingewobene Schicksal des einstigen Ritters. Schon sein Vater Rapoto war ein rauher Geselle, der nur im Höhlenschloß in der Mitte und im Neuschloß am Fluß was zu sagen hatte, weil nur die bayerisch waren, das Hochschloß darüber gehörten nach Salzburg. Wir erfahren aus der Geschichte: "Immer wenn Herr Rapoto sich ärgern mußte, zog er sich ins Höhlenschloß zurück. Dort schrie er dann die Wände an und die Teppiche, die an den Wänden hingen; dort stampfte er auf den Estrich und nahm wohl auch Lanze und Schwert vom Balken und drosch damit auf die zweifach gelederten Schilder. So auch jetzt..."
Später zieht in dieses Schloß der Sohn Heinz ein, der sich auf viele Weise sehr verdient gemacht hat, z.B. ein Kreuzzug des Kaisers ins Heilige Land wurde von ihm durch ein beherztes Eingreifen beim einem heimlichen Angriff der Ungarn auf die Transportflöße gerettet und erhielt persönlich vom Kaiser die "Schwertleite". Andererseits "verdient" er einen Großteil seines Lebensunterhalts durch Raubzüge, in dem z.B. Transportschiffe mit Waren auf dem Inn ihrer Ware entledigt werden. Solange genügend "Raubritter" beisammen sind, führen die ein lustiges Leben auf der Burg. Der auf krummen Wegen erworbene Reichtum ermöglichte Umgestaltungen und so heißt es von der Höhlenburg: "Ebenso sollte ds Innere der Höhlenburg ein ganz anderes Gesicht kriegen: Der Tanz- und Rittersaal brauchte einen neuen Estrich; das Eßzimmer mußt vom Weinkeller durch eine feste Wand getrennt werden; der Gerichtssaal ist vollkommen zu überholen und - gleich wie das Aussichtszimmer - mit eichenen Bohlen und Brettern zu verschalen. Beim gegenwärtigen Zustand hätte mann keinen Gast empfangen können. Im Winter aber kehrten die Gäste am liebsten in der Höhlenburg ein, weil es da am wärmsten und gemütlichsten war. Den Wehrgang, der zwar klafterdicke Gesteinsmauern hatte, wollte Heinz noch zusätzlich durch eine Ziegelwand festigen, desgleichen für die Küche einen neuen Rauchabzug bauen lassen. Schließlich sollten ihm die Ortenburgschen Knechte den vierzehn Klafter tiefen Brunne inwendig neu verputzen. Diese gewaltige Schacht führte geradewegs hinab zur Traun, die hier durch den Berg floß. Um diesen Brunnen beneidete man ihn ihm ganzen Bayernland."
Eine Episode erzählt von 2 Nönnlein, jungen Frauen, die eigentlich im Chiemseekloster nach dem Willen ihrer Eltern leben sollten. Sie büchsen aus und finden Unterschlupf bei Heinz von Stein. Alle Welt sucht die beiden und der Ex-Liebhaber Ulrich Erlinger wird angesetzt, sie zu finden. Er erlernt die Kunst, heimlich in die Höhlenburg einzudringen. "Hinter der Klause, die in den Fels hineingehauen, aber jetzt leer war, stiegen sie in die fünfundvierzig Klafter hohe Wand, der Alte voraus. Jede Nacht denselben Weg bis zur Kucheltür des Felsenschlosses, weiter nicht." In der Fastnachtszeit dringt er heimlich in die Höhlenburg ein und erlebt folgendes: "Vor der Kücheltür strömte ihm der Duft von gebratenem Wildschwein, von gebackenen Fasanen und gesottenen Fischen entgegen, und ein Geschrei und Gekreische von Mägden war zu vernehmen, die bei all ihrer Arbeit von den andrängenden Junkern immer wieder betastet und gezwickt wurden. Jetzt machte er die Tür auf. Dampf und Qualm schlug ihm entgegen. Da sah man keine zwei Ellen weit. Rasch ergriff er einen Korb voll Zinnbecher und ging hinter einigen Dienstknechten drein. Im Rittersaal ging es wild her. Da lagen schon etliche unter der Tafel. Einer drehte sich gerade zu einer Pechnase hin und erbracht sich darein, ein anderer hatte eine Magd mit hereingezerrt und entblätterte sie...." Renner beschreibt das Geschehen so anschaulich, daß man bei einem Besuch der Höhlenburg ja eigentlich nur enttäuscht sein kann, wegen der Nüchternheit eines solchen realen Ereignisses. Die Lektüre des Buches lohnt, ehrlich.
Darin sind dann auch noch die weiteren wichtigen Stationen des Lebens von Stein und der Höhlenburg beschrieben, der Bau der unterirdischen Verbindungswege zwischen den Burgen, nachdem die Salzburger das äußere hölzerne Stiegenhaus verbrannt hatte, schließlich der Niedergang und das Ende des Heinz von Stein.
Am 25. Januar 2010 geriet auf einmal Stein an der Traun in die Schlagzeilen der Medien. Ein großer Felsbrocken war aus der Wand herausgebrochen, an die ein Wohnhaus gebaut war, und zerstörte damit das gesamte Haus. Zwei Menschen konnten noch lebend geborgen werden, zwei starben.
Der Münchner Ingenieurgeologieprofessor Kurosch Thuro stellte später in einem Gutachten fest, daß der Felssturz "von einer Grotte im Fels ausgelöst worden sei....Die als Keller genutzte Grotte hinter dem Haus habe erhebliche mechanische Auswirkungen auf das Unglück gehabt und müsse als "schadensursächlich" angesehen werden."
Februar 2010 |
Bilder von einem Kurzbesuch im Dezember 2019 bei idealen Lichtverhältnissen
Literatur:
apn | Ein Hohlraum im Gestein, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Nr. 103, 6. Mai 2010, S. 37 |
Berle,I. und andere | Die Schwarzen Führer - München/Oberbayern, Eulen Verlag Freiburg i.B. 1998 |
Cammerer, Anseln Andreas Caspar | Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832 |
Dehio, G. | Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV, München und Oberbayern, München 1990, S. 1128 |
Effern, Heiner | Tonnenschwerer Felsbrocken begräbt Einfamilienhaus unter sich, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 26. Januar 2010, S. 10 |
Effern, Heiner | Tonnenschwerer Felsbrocken begräbt Einfamilienhaus unter sich, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 26. Januar 2010, S. 10 |
Effern, Heiner | Vom Fels zerschmettert - 100 Jahre lang steht ein Haus sicher am Burgberg, dann gibt der Stein nach und begräbt eine Familie, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 27. Januar 2010, S. 33 |
Effern, Heiner | Die quälende Frage nach dem Warum - Vor zwei Jahren zermalmte eine Felslawine ein Haus und tötete zwei Bewohner - Angeklagt wurde niemand, Süddeutsche Zeitung 25. Januar 2012, Seite R 16, Nr. 20 |
Fisch, Ludwig | Denkmalschützer retten Eremitage, Süddeutsche Zeitung 18. April 1995, S. 42 |
Hägler, Max | Die Zeichen an der Wand - Vor einem Jahr zerschmetterte ein Fels das Haus der Familie B. - die Gefahr war bekannt, aber keiner warnte davor, Süddeutsche Zeitung, 25. Januar 2011, Nr. 19, Seite R 13 |
Haselbeck, Franz | Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung 19. Mai 1995, S. 46 "Montags mit dem Stock, freitags mit der Lederrute" |
ohne Verfasserangabe | Ein echter Grobian..., Postbank, Mach was-Planer 95/96 |
ohne Verfasserangabe | Ging hier da Unglück los? Felssturz von Stein: Risse im Haus übersehen, TZ 15./16. Januar 2011, S. 13 |
Renner, Carl Oskar | Heinz vom Stein, genannt der Wilde, Süddeutscher Verlag 1979 |
Käppner, Joachim | Der wilde Heinz aus der Höhle, Süddeutsche Zeitung Nr. 74, 30. März 2009, S. 52 |
Petzold, Dominik, Prummer, Karin, Sebald, Christian | Den Berg im Rücken, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 28. Januar 2010, S. 22 |
Prummer, Karin | Auf der Suche nach der Zukunft - Mutter und Sohn überlebten den Felssturz von Stein an der Traun - wie sie leben werden, ist unklar, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2. Februar 2010, S. 33 |
Staudinger, Melanie | Geschichten vom wilden Heinz, Süddeutsche Zeitung 2. April 2013, Nr. 76, R18 |
Süddeutsche Zeitung Edition | Bayerns schönste Seiten, München 2010 |
Weidner-Weiden, Heidi |
Das Ungeheuer der Felsenburg, Süddeutsche Zeitung 4. Juli 1991, S. 46 |
Werner, Paul | Frommes Leben in der Felswand, in: Bayerisches Sonntagsblatt, Wochenzeitschrift für den katholische Familie Nr. 38 / 1994, 113. Jahrgang |
Werner, Paul | Zur Rekonstruktion der Eremitage von Stein an der Traun, in: Ars Bavarica, 1993, n° 69-70, p. 144-159 |
Werner, Paul | Das Raubritternest im Fels, UNSER BAYERN Jahrgang 39 Nr. 4 April 1990, S.1ff. |
Kunstwerke:
Quaglio, Domenico | Schloßhof in Stein an der Traun, Vorzeichnung für die "Sammlung malerischer Burgen", Bleistift auf weißem Papier, entstanden zwischen 1831 und 1837 |
Wenig, Michael | Schloß Stein an der Traun, Topographia Bavariae, Rentamt Burghausen, München 1721 |
Cogels, Joseph | Stein an der Traun, Innenhof des Schlosses, Lithographie 1814 |
ohne Verfasserangabe | Kunstdenkmäler des Königreiches Bayern, Bezirksamt Traunstein, Tafelband (1902), Tafel 238 |
Apian, Philipp | Burg Stein an der Traun im Jahre 1560, Holzschnitt |
Links:
http://www.traunreut.de/stadttraunreut/index/FREIZEIT/burg.htm
http://www.bayern-im-web.de/news/wmprint.php?ArtID=96
http://www.showcaves.com/german/de/misc/SchlossStein.html
http://www.erlebniswelt.steiner-bier.de/fuehrungen/
https://www.alleburgen.de/bd.php?id=4400
Anthropospeläologische Führung durch den Chiemgau 2004
20 Jahre Chiemgauer Höhlenbären 2006
Landschaft und Höhlen der Bayerischen Alpen
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |