Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Speläologisches in der Umgebung des Großen Schulerloches, Altmühltal
Das Schulerloch im Unteren Altmühltal kennen viele Menschen, weil sie seit vielen Jahren als Schauhöhle geführt wird. Sie war auch meine erste Höhle. Mitte der 60er Jahre veranstaltete das Münchner Stadtjugendamt Busreisen für Jugendliche, die ansonsten kaum aus der Großstadt gekommen wären. Ich saß da in einem der Busse für wenige DM und lief da mit der Gruppe einfach mit. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr an diese meine erste Höhlentour. Zwei Jahre später war ich wieder dort, zusammen mit Georg Kellerer. Wir waren nur zu zweit und wurden damals von der "alten Gruberin" trotzdem durch die Höhle geführt. Da wir nur drei waren, gab es auch noch ein Schmankerl. Wir durften über das ansonsten abgesperrte Höhlenende hinaus in den schmalen Endgang. Dort sieht man Bärenschliffe an der Wand, die von der häufigen Benutzung dieser Passage.
Hier soll aber nicht die bekannte Schauhöhle im Mittelpunkt stehen, sondern die vielen kleinen unterirdischen Objekte, die es in überraschend großer Zahl rundherum auch noch gibt. Meist sind sie nur schwer zu finden, manchmal ist auch ein wenig Kletterkunst notwendig, um auf schmalen Felsbändern auf den verschiedenen vorhandenen Etagen zu den Höhleneingängen und Abris zu gelangen. Meist gibt es viel zu krabbeln und auf dem Bauch zu kriechen. Gelegentlich muß man sich auch äußerst enge Passagen überwinden, um dann schon wenige Meter danach wieder umzukehren, weil der Endraum erreicht ist.
Hofmann-Montanus hat in seinem Text "Der Steinbock ob der Altmühl" die Gegend ausgezeichnet beschrieben. Er schreibt von einem "zerfressenen Felsgestell", "wo Strudelhöhlen den Unterteil und ausgetrocknete Flußhöhlen den Oberbau des Juragehänges durchsetzen" (333): "Es ist ein steiniger Pfad in Busch- und Hochwald, der uns auf den Scheitel der Aufeinanderfolge nackter Jurawände führt...Ím Walde queren wir das enge Tälchen, das mit der "Ritzel-Schlucht" an seinem Ende den Wandgürtel spaltet. Am Ursprung der Schlucht klüftet sich das "Moorloch" 15 m tief in den Berg hinein. Den Boden dieser Höhle bildet schwarze, glitschige Erde. ..dem nassen "Moorloch" blieb der Urmensch weislich fern." Auch wenn nicht alles so stimmt, so hat der Autor doch die Stimmung gut getroffen.
Zwei Höhlen seien kurz besonders erwähnt: Das sog. "Kleine
Schulerloch" liegt unterhalb des "Großen" auf einem anderen
Niveau. Hofmann-Montanus beschreibt die Ortssituation sehr anschaulich:
"Die minder bedeutenden Höhlenbildungen, die an dem Albabsturz im Bereiche
der beiden Schulerlöcher auftreten, häufen sich nahe dem Kleinen Schulerloch
fast zu einem Gewirre. Der...Lageplan verzeichnet außer der
"Schefbeck-Höhle" und einem "Dachsloch" die Höhlen I bis
IV, dern östlichste auch "Gruberloch" genannt wird.: Höhle II ist
dem Kleine Schulerloch benachbart und hängt mit dessen Hauptgang durch eine
Schlot zusammen. Eben dieses Gewirre, das durch die vielen Strudelhöhlungen und
Abris am Wandfuß vermehrt wird und vermöge der Spalten, Klüfte und hängenden
Gebüschinseln an der Wandkrone noch unruhiger bewegt erscheint, hat den
Eindruck des "zerfressenen Felsgestells" bestimmt, dessen kleine
Öffnungen das Wasser durch Wühlarbeit von innen heraus, dessen große es durch
Wühlarbeit von außen hinein erzeugt hat." (336)
Normalerweise bekommt der Besucher davon überhaupt nichts mit. Wenn die
Geschichte stimmt, dann wurde die Ritzzeichnung an der Felswand am 22. Mai 1937
wiederentdeckt - so heißt es jedenfalls zum Beispiel in der Schilderung des
Entdeckungsmoments bei Hofmann-Montanus. Der Heimatforscher Alexander Oberneder besuchte mit dem
Präparator Oskar Rieger die lange schon bekannte Höhle. Oberneder hatte, in dieser Höhle schon gegraben und Spuren derch Hockergräberbronzezeit
gefunden. Vor ihm war schon der "Rentamtsmann" Fraunholz aus Kastl
1919 hier gewesen und auch Oskar Rieger hätte schon nach
"Bodenaltertümern" gesucht (Eichner 8).
An das große Eingangsportal schließt sich ein 8 m langer gerade Gang an, der
mit einem 17 m langen Seitengang eine Fortsetzung hat. Man kann nicht weit in
die Höhle, weil ein massives Eisengitter das Vordringen verwehrt. Es wurde vor
vielen Jahren schon aus Geldmitteln der "Gaustelle für Höhlenforschung in
der Bayerischen Ostmark" finanziert. Damit ist normalerweise der Zugang zu
der berühmten in den Fels geritzten Zeichnung eines Tieres, gerade einmal 14
auf 14 cm groß, und den Nebenfiguren ("Fallendarstellung" neben dem Kopf,
"Vulva",
lt. Ficker) Besuchern verwehrt.
Anfangs war die Begeisterung groß, daß man nun auch in Deutschland eine
steinzeitliche Höhlenzeichnung entdeckt hätte. Wie alt die Zeichnung wirklich,
das weiß niemand mit Gewißheit. Einer sagt "Aurigacien", ein anderer
"Magdalenien", noch einer "frühes Mittelalter", noch einer
"Fälschung moderner Provenienz". Das Zeichenband darunter, so die
Entdeckungslegende, erst 1952 aufgefallen, wurde als Text
in Runenschrift gelesen und soll wesentlich jüngeren Datums sein (wurde wohl
mit einem Metallwerkzeug eingeritzt). Sein
möglicher Inhalt: "Birg leub Selbrade". Ficker kommt zu dem
Schluß, die Gravierung sei dem "späten Magdalenien" zuzuordnen
(Ficker 51).
Unterhalb der Bildwerke befindet sich eine Art "Sitz", ein in den Fels
gehauener Absatz. Nicht weit davon entfernt ein zweiter. Möglicherweise sind da
Ablageflächen von Holzbalken, was auch schon ein ehemalige Einbauten in der
Höhle deuten kann. In der Seitenhöhle soll man an der Wand die Jahreszahl 1555
finden und Großbuchstaben, die mehrmals zu Monogrammen aus M und A bestehen.
Höhlen entstehen und vergehen, auch das menschliche Wissen über diese Höhlen kommt und verschwindet wieder. Ein schönes Beispiel dafür ist die "Klufthöhle am Ihrlersteig", auch "Klufthöhle in der Ritzelschlucht". Der früheste Hinweis auf eine Befahrung ist eine Inschrift im untersten Höhlenraum: "Anton Gost" oder "Gast" "II 1937". Danach scheint nichts mehr passiert zu sein. Am 26. Januar 1966 machte sich eine 5köpfige Gruppe des Vereins für Höhlenkunde in München (Karl Thein, Eduard Rauscher, Klaus Vater, Georg Kellerer, Franz Lindenmayr), später kam noch Ferdinand Leja dazu, auf, und vermaß die Höhle. Den Plan zeichnete Klaus Vater. Unvergeßlich wird bleiben, daß Eduard Rauscher in der Engstelle, die in den unteren Raum hinabführt, für 2 Stunden feststeckte. Er war zwar hinuntergekommen, aber hinauf, das ging einfach nicht mehr. Am Ende zogen zwei an seinen Armen und einer versuchte von unten zu schieben, und das 10 m über dem Boden des Raumes. Wie Eddi das ausgehalten hat, weiß ich nicht. Er war jedenfalls seelisch sehr gezeichnet hinterher, kam aber trotzdem am nächsten Tage schon wieder ins Silberloch mit.
Dann war lange Zeit Ruhe um die Höhle, bzw. auch nicht. Der Eingangsschacht wurde von Unbekannten mit Hausmüll verfüllt und man sah kaum mehr etwas von einer Öffnung. Im Oktober 1994 wurde das Objekt "mehr oder weniger durch Zufall" wiederentdeckt. Grabungsarbeiten begannen, eine provisorische Holzverschalung wurde angebracht, die später durch eine massive Betonröhre ersetzt wurde, die abgeschlossen ist. Besonders kümmerten sich Mitglieder der Ingolstädter Höhlenfreunde um dieses Objekt. Erstaunlich ist schon, daß die Höhle immer wieder neu vermessen wurde: 1966, 1995, Frühjahr 2002 und Sommer/Herbst 2002. Man grub auch einen neuen Höhlenteil aus, der uns Münchnern vollkommen unbekannt geblieben war. Unbekannte wühlten zwischendrin auch in den Höhlensedimenten und verminderten so enorm den wissenschaftlichen Wert, der Fundstelle.
Jetzt ist es wieder sehr ruhig um diese Höhle geworden. Alle offensichtlichen "spannenden Stellen" sind gründlich untersucht, aber man weiß ja nie.... Hat das Schulerloch nicht vielleicht doch eine Fortsetzung in Richtung Ritzelschlucht und der Schacht wäre nur ein kleines Puzzlestück im Gesamtsystem
1965 | ||
1966 Klufthöhle am Ihrlersteig | ||
1977 Kleines Schulerloch |
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Die Felszeichnung | ||
< Abdruck im Museum | ||
2020 | ||
Literatur:
Birkner, Ferdinand | Die eiszeitliche Besiedlung des Schulerloches und des unteren Altmühltales. Abhandlungen der Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-physikalische Klasse, Band XXVIII, 5. Abhandlung, München 1916 |
Birkner, Ferdinand | Die erste altsteinzeitliche Felszeichnung in Deutschland, Bayerische Vorgeschichtsblätter, Heft 15 des Jahrgangs 1938 |
Bornschlegel, R., Weglehner, R. | Höhlen in der Auer Leite, in: 5. Überregionales Vermessungswochenende im Unteren Altmühltal am 12./13. Juni 1999, Ergebnismappe 1999, 50ff. |
Cramer, Klaus | Das Schulerloch im bei Kelheim, in: Mitt. d. Verbandes dt. Höhlen- und Karstforscher e.V., 12, München 1966 |
Eichner, Heiner | Zum Problem der Runeninschrift im Kleinen Schulerloch bei Oberau / Altessing, in: Das fupark - RGA-E-Band 51, Seiten xx - xx Walter de Gruyter, Berlin New York 2006 |
Fischer, Rupert | Die Felszeichnung im Kleiner Schulerloch, Bausteine Bezirksschulamt, Überschau, Kelheim, 1956 |
Ficker, Friedbert | Der Steinbock vom Schulerloch - Deutschlands ältestes Kunstwerk, Die Höhle 2-1968, S. 51ff. |
Häck, Bernhard | Höhle in der Ritzelschlucht bei Altessing-Oberau, in: 8 Überregionales Vermessungswochenende im Unteren Altmühltal am 15.06/16.06.2002, Ergebnismappe 2002, S. 65ff. |
Häck, Bernhard | Ein Opferschacht? Die Wiederentdeckung der Ritzelschlucht-Schachthöhle (H 92), in: Karst und Höhle 2008-2010 Südliche Frankenalb - Region Altmühl- und Donautal, München 2010 |
Haller, H. | Zur Geschichte des Schulerlochs, Festvortrag vom 22.4.1978 zum Jubiläum 150 Jahre Tropfsteinhöhle Schulerloch, Weltenburger Akademie, Gruppe Geschichte, Kehlheim/Weltenburg |
Hofmann-Montanus, Hans | Der Steinbock ob der Altmühl, in: Hofmann-Montanus, Hans, Petritsch, Ernst-Felix, Die Welt ohne Licht, Regensburg 1952, 303ff. |
Miedaner, Helmut | Die Klufthöhle in der Ritzelschlucht (unveröffentlichtes Manuskript mit Abdruck des Befahrungsberichts von Franz Lindenmayr vom 26.1.1966), Ingolstadt 1995 |
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ohne Einzelerfasserangabe | Höhlen im Weinberg, in: 6.Überregionales Vermessungswochenende im Unteren Altmühltal am 17./18. Juni 2000, Ergebnismappe 2000, 39ff. |
Rosenfeld, Hellmut | Die germanischen Runen im Kleinen Schulerloch und auf der Nordendorfer Bügelfibel A, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 113 (1984), 159--173 |
Schmidt, M., Stich, W., bearbeitet von | Höhlen im Weinberg, in: 4. Überregionales Vermessungswochenende im Unteren Altmühltal am 4./5.Juli 1998, Ergebnismappe 1998, 14ff. |
Schröter, Peter | Zu einigen Menschenresten aus der Ritzelschlucht-Schachthöhle (H82), in: Karst und Höhle 2008-2010 Südliche Frankenalb - Region Altmühl- und Donautal, München 2010 |
Links:
http://www.urlaub-im-altmuehltal.de/markt-essing/eiszeitgravur.htm
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