Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Kuhstall in der Sächsischen Schweiz, D


"Mich interessiert eine Höhle nur, wenn es da etwas zum Erforschen gibt". Das ist ein Originalstatement einer damals noch jungen Dame, die damit ihr Verhältnis zur "Höhle" beschrieb. Für eine solche Person, und davon soll es eine Menge ähnlich denkender im Kreise der "Höhlenforscher" geben, ist die im folgenden gezeigte Höhle sicherlich überhaupt nichts.



 

Es gibt wenige, die so bekannt sind und soviel besucht werden, wie diese - zumindest in der Region, wo sie liegt, in der Sächsischen Schweiz. Schon die früheste Höhlenansichtskarte der Welt, zumindest so weit im Augenblick bekannt, zeigte diese kurze Durchgangshöhle im Sandstein.

 

Die speläologischen Grunddaten sind schnell erzählt. Eine Länge von 24 Metern weist die Höhle auf, Sie ist bis zu 11 m hoch und bis zu 17 m breit. Auf der Südostseite zweigt nach rechts eine Spalte ab, die auf in den Fels gehauenen Stufen erklommen werden kann und die in eine Felskammer mit schöner Aussicht führt. Den Spuren am Fels nach zu schließen wird dieser Platz gerne von Liebespaaren aufgesucht, die sich dort wohl vom Rest der Welt gerne zurückgezogen haben.

Der Name soll von den Raubrittern auf der Burg Wildenstein kommen, die in der Höhle gestohlene Rinder untergebracht hätten, heißt es in einer Quelle, eine andere spricht davon, daß die Bauern der Umgebung ihr Vieh in Kriegszeiten dorthin getrieben hätten.

Die Örtlichkeit war schon immer ein beliebtes Wanderziel, was seltsame Blüten hervorgetrieben haben soll. Die Menschen wollten auch dort gerne eine Spur hinterlassen, daß sie dort gewesen sind. In den Sandstein konnte man seinen Namen leicht einritzen, andere wollten ihn gar aufmalen, und das machte mal gleich zum Geschäft. Es wird erzählt, daß man zeitweise richtig die Farbkübel, Pinsel und Leitern bereitgehalten und vermietet wurden, damit sich die Leute an Orten "verewigen" konnten, an die andere schon nicht mehr so leicht erreichen konnten.

 

 

Auf die Jahre 1794/95 wird eine der frühesten Darstellungen des Kuhstalls datiert, ein Stahlstich von Johann Philipp Veith. In dem Werk von Lebrecht Götzinger "Beschreibung der Sächsischen Schweiz" (1. Auflage 1804, 2. Aufl. 1812) sind 8 Kupferstiche von Günther eingefügt, von denen eine den Kuhstall zeigt. Adrian Ludwig Richter (1803-1884) fertigte als 16jähriger bereits seinen Stich "Ansicht der Kuhstallhöhle" an.

A.L.Richter

Adrian Ludwig Richter Kupferstich 1820

Auch die modernen Esoteriker haben diesen Ort für sich entdeckt. So heißt es in einem entsprechenden Buch: "Das Ganze war für mich einer der "bezaubernsten" Plätze in der früheren DDR, der mich bis in die Dämmerung hinein in seinem Bann hielt. Während des gesamten Aufenthaltes konnten wir uns oft nicht des Gefühls erwehren, dass die Steine hier belebt sind. vor allem in der Dämmerung, zu der hier übrigens weit und breit keine Menschenseele außer uns anzutreffen war, empfindet man überall die Anwesenheit riesenhafter Gestalten.
In diesem Zusammenhang möchte ich einmal den uns begleitenden Steinkundler Michael Gienger dieses Phänomen umschreiben oder erklären lassen: Er meint, dass auch in Steinen Wesenheiten wohnen, und dass diese von sehr zwiespältiger Natur sind...." (Luczyn)

Von Günter Kunert gibt es in "Geschichte einer Landschaft" eine Passage, die sich mit dieser Höhlenerscheinung auseinandersetzt: "Aufwärts, immer aufwärts geht es, schwerfälliger bald, langsamer und tief atmend, ungewohnter Gangart wegen, um doch noch, obwohl der Glaube schon sank, am Ziel einzutreffen: der zweiseitig offenen Grotte, neun Meter breit, zwischen fünft und zwölf Meter hoch; oben auf dem Bogen stand im fünfzehnten Jahrhundert eine Burg, was sonst, der "Wildenstein", später Raubritternest, heute restlos verschwunden. Unten im Riesentor versteckten während des Dreißigjährigen Krieges Lichtenhainer Bürger sich selbst und ihr Vieh, was der Höhle den Namen "Kuhstall" eintrug."

Bilder vom August 2012:

Das sog. Schneiderloch
 

 

Literatur:

Andersen, Hans Christian Reise von Leipzig nach Dresden und in die Sächsische Schweiz, Hellerau-Verlag, 1991
Cornelius Zippe Entlang des alten Fremdenweges, veröffentlicht in: Sächsische-Schweiz-Initiative, Heft 6, Sommer 1993, S. 31-32
Luczyn, David Magisch Reisen Deutschland, Goldmann-Verlag, München 2002
Kunert, Günter Geschichte einer Landschaft, in: MERIANHEFT Sachsen, Hamburg 1990, S. 68-70
Pollmer, Cornelius Das Winken der Farne, Süddeutsche Zeitung Nr. 202 2./3. September 2017, GESELLSCHAFT S. 55
Titze, Dr. Holm Anthropospeläologische Bedeutung von Höhlen in der Sächsischen Schweiz, Arbeitsmaterial für Höhlenforscher 1984, S. 3ff.
Völker, Christel und Reinhard Schauhöhlen in historischer Zeit, Mitteilungen des Karstmuseums Heimkehle, Heft 14, ohne Jahres- und Ortsangabe, ISSN 0233-1853
Winkelhöfer, Roland Historische Abbildungen von Höhlen der Sächsischen Schweiz, Der Höhlenforscher 4-1980, S. 55ff.

Bildverzeichnis:

Kuhstall bei Bad Schandau. Ansicht am Eingang zur Höhle. Stahlstich Poppel / Koehler
Kuhstall in der sächsischen Schweiz, Blick durch den Felsbogen Stahlstich Stuttgart 1842 7.3x9.8
Kuhstall. Litho. aus Saxonia, 1835, 8,5 x 14
Kuhstall. kol. Stst. v. Benjamin n. Roberts, 1840, 10 x 15,5
Kuhstall. altkol. Kst. b. Oehmigke, 1806, 6 x 9
Kuhstall und das Prebischtor. Litho. aus Saxonia, 1835, 21 x 15
"Kuhstall in der Sächsischen Schweiz". Hübsche Ansicht mit Ausflüglern zu Pferde. Kreidelithographie von Lütke bei Schröder (Berlin), ca. 1840.
Kuhstall. Ansicht mit Felsdurchgang. Berlin-Steglitz, Verlag der Neuen Photographischen Gesellschaft A.-G. Nr. 7826, 1907. Format ca. 19 x 24 cm
SÄCHSISCHE SCHWEIZ. "Panorama der sächsischen Schweiz". Ansicht von der Bastei aus, umgeben von 6 weiteren Ansichten (u.a. Schandau, Rathen, Amselfall, Kuhstall. Lithographie von Röhrich bei Medau, um 1840, 16 x 21,5 cm.
SÄCHSISCHE SCHWEIZ. - Karte. "Die Sächsische Schweiz". Karte der Eisenbahnlinie von Dresden bis Elbleiten, mit insg. 9 Ansichten aus der Sächsischen Schweiz (u.a. Königstein, Kuhstall, Hohnstein, Herrnkretschen). Lithographie, in drei Farben gedruckt, mit feinen Stahlstichen, BI, Leipzig, 1873, 14 x 20 cm
SÄCHSISCHE SCHWEIZ. LEPORELLO - ALBUM mit 24 Ansichten in Fotolithographie. Ohne Ort (Bargou) ca. 1885. 12°. [Größe der Abbildungen unterschiedlich, auseinandergefaltet: 245 x 9,5 cm., jeweils mit gedruckten Untertiteln] Originaler roter Leinenumschlag mit dekorativer Blindprägung. * Die Panoramen bzw. Teilansichten zeigen: Pirna mit dem Sonnenstein; Schloss Pillnitz; Basteifelsen; Basteibrücke (2 verschiedene Ansichten); Felsentor; Aussicht von der Bastei; Amselfall; Wehlen; Stadt und Festung Königstein; Schandau; Kuhstall; Gr. Winterberg; Prebischthor; Hernskretschen; Tetschen; Bastei von der Elbe gesehen; Hohenstein; Polenzthal; Hockstein; Der Lilienstein vom Königstein; Auf dem Brand; Schweizermühle; Schneeberg.
Kempe, Lothar: Begegnungen in der Sächsischen Schweiz. Mit Fotos von Erich Fritsch. 3. Auflage, Brockhaus Verlag Leipzig 1978; 123 Seiten; Format 20,5 x 14,8 cm; Leinen-Einband mit S.Umschlag. 32 ganzseitige s/w Fotos. Lothar Kempe, der die Sächsische Schweiz durchwanderte, besuchte Burgen und entdeckte Reste früherer Wehranlagen mit bewegter Geschichte. Er zeichnete das imposante Bild des Basteifelsens, von dem er auf das grandiose Panorama einer riesigen Landschaft herabblickt. Sein Weg führte ihn zum Amselfall, der Carl Maria von Weber zu seiner Wolfsschluchtszene inspirierte. In Bad Schandau stellt er fest, Fremdenverkehrsort höchster Frequenz, jährlich über 2 Millionen Besucher. Im Kuhstall weiß er über Raubritte zu berichten, war in der größten Jugendherberge der DDR auf dem Hohnstein zu Gast und erzählt von der Geschichte eines kurfürstlichen Riesenfasses, das in einer seltsamen Beziehung zu einem süddeutschen Fürstentum stand, oder von der Geschichte des Bergsteigens im "Reich der Schrammsteine"; gut erhalten

Links:

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