Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Mas d'Azil, Ariège, F
- mit dem Auto in die
Unterwelt
DREAMTIME 2 - Kunstausstellung in der Höhle 2010
CARS(t)OLOGY - THE USAGE OF CARS BY CAVERS / Höhle und Auto
"Then suddenly the car plunged into a tunnel and emerged into another world, a vast... world"
Aldous Huxley, After Many a Summer
Es gibt viele Wege in die Unterwelt. Meistens geht es zu Fuß, aber es gibt auch Ausnahmen. Zu den eher ungewöhnlichen gehören die Höhlen, wo man mit dem Auto hinein und wieder herausfahren kann. Die Zahl dieser Gelegenheiten läßt sich mit den Fingern einer Hand angeben. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür liegt am Nordrand der Pyrenäen, die Höhle von Mas d'Azil. Wer nichts darüber weiß, der wird es vielleicht kaum merken. Da fährt man gemütlich auf der D 119, auf einer modernen Teerstraße von Mas d'Azil südwärts (sie führt von Pamiers nach Saint Girons) und plötzlich öffnet sich vor einem das weite Maul eines Loches wie eine überdimensionale Straßentunnelöffnung. Dann weitet sich der Gang immer mehr. Lichter auf einmal neben der Straße, ein Parkplatz, ein Riesenstollen, rechts von einem die Arize, ein Fluß, dem man entlang fährt. Schon sieht man wieder das Tageslicht auf der anderen Seite. Man verläßt die Unterwelt wieder durch einen Riesenbogen, draußen ist man wieder in einem weiten Talgrund mit Wiesen. Vielleicht hält man am Parkplatz, macht einen kleinen Spaziergang auf dem Fußweg nebem dem Flüßchen zurück unter das Eingangsportal, blickt zur eingezäunten Grabungsstelle auf der anderen Seite. Wenn sie geöffnet hat, dann kann man auch zurück zur Schauhöhle, wo man durch die heute trockenen Stollen des unterirdischen Flusses im Innern dieses Pyrenäengebirgszugs wandern, bekommt etwas von der prähistorischen Bedeutung dieses Ortes mit.
Die Landschaft Etwa in Bildmitte liegt die Höhle |
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Der Südeingang Blick aus dem Südeingang |
Die Höhle spiegelt ein Stück Landschaftsentwicklungsgeschichte. Sie liegt im massif du Plantaurel oder auch massif de l'Arize. Das Gestein stammt aus Kreidezeit und Tertiär und diese Schichtung ist in der Höhle sichtbar. Früher floß die Arize in einem Flußtal, das in dieser Gegend eine Schleife machte. Irgendwann kam es dann, bei in so vielen anderen Flußmändern auch, zu einem Durchbruch an der schmalsten Stelle. Von nun an floß die Arize unterirdisch auf die andere Seite. In Vergleich zu den Verhältnissen vorher fließt nun der Fluß 60 m tiefer im Vergleich zu früher. Man meint das Alter der Höhle mit 2 Millionen Jahren angeben zu können. 410 m lang ist der Hauptgang, der an einigen Stellen größere Nebenräume aufweist.
Diese Hohlräume wurden dann in verschiedenen Phasen teilweise
auch wieder aufgefüllt. In diesen Ablagerungen fanden die
Paläontologen reiche Knochenablagerungen, vor allem vom Mammut,
dem Höhlenbären und dem Rhinozeros.
Später kam dann der Mensch und bewohnte insbesondere die
eingangsnahen Teile. In den inneren Regionen brachte er Malereien
und Ritzzeichnungen an, insbesondere in der galerie Breuil, die
ihren Namen dem berühmten französischen Forscher verdankt. Auch
viele berühmte Kleinkunst auf Knochen konnten ausgegraben
werden. Ein besonderes Kapitel ist der Lagerplatz am oberen
Eingang links vom Eintritt des Flusses. Er wurde 1889 von E.
Piette gründlich ausgegraben und dabei wurden ganz besondere
Funde gemacht. Auf Flußkieseln fand man alle möglichen Zeichen
aufgemalt über deren Bedeutung noch heute gerätselt wird. Nach
dieser Fundstelle wurde ein ganzes Zeitalter der
Menschheitsgeschichte benannt, das Azilien, das in die Zeit
zwischen 11.750 und 9.800 v.H. datiert wird.
Die Höhle diente im Laufe der menschlichen Geschichte oft als Zuflucht. So wird erzählt, daß bereits die ersten Christen im 3. Jahrhundert n. Chr. sich zu geheimen Versammlungen im "Salle du Temple" getroffen hätten. Auch während der berüchtigten Katharerverfolgungen im XIII. Jahrhundert könnten diese sich in die Höhle geflüchtet haben. Besonders dramatisch war es im September 1625, als während der Religionskriege der Marschall von Théminées den Ort Mas d'Azil als auch die Höhle 33 Tage lang mit 15.000 Soldaten angegriff, aber keinen Erfolg erzielte. 2.000 Hugenotten hätten sich in dieser Zeit in der Höhle aufgehalten. 1636 wurde auf Geheiß des Kardinals Richilieu als Vergeltungsmaßnahme die Zerstörung eines "Plafons" aus Kalk im Salle du Temple vorgenommen. Im 2. Weltkrieg tauchte die Höhle in den militärischen Planungen als möglicher unterirdischer Schutzraum für die Kriegsproduktion auf. Die Toulouser Flugzeugfabrik Dewoitine stellte Überlegungen an, wo sie das Jagdflugzeug D520 produzieren sicher produzieren könnte. Als erste Maßnahme planierte man an passender Stelle schon einmal in der Höhle den Boden und zerstörte damit schonungslos die uralten Schichten, in denen sicherlich viel wertvolles Material unserer Vorfahren verloren ging. Aber im Krieg gut dazustehen, das war wichtiger. Eine zweite Höhle war auch wichtig, die Höhle von Bedeilhac. Wie sich bald zeigte, gab man der dann den Vorzug und beschränkte sich auf sie. Als dann die Deutschen 1943 kamen, machten auch sie nicht mehr mit den Kriegsplanungen in der Mas d'Azil weiter.
Heute dient die Höhle zwei wichtigen Zwecken, dem Verkehr und dem Tourismus. In der Höhle ist ein Teil als Schauhöhle ausgebaut. Man muß dazu sein Auto außerhalb parken und auf schmalen Fußsteigen entlang der Straße bis zum großen Parkplatz in der Höhle zu Fuß gehen. Das Parken in der Höhle ist verboten. Gezeigt werden ein paar der großen Räume, die nicht überraschend natürlich keinerlei Sinterschmuck mehr aufweisen. Gezeigt werden der Salle E. Piette, der Salle du Temple, der Salle du Conférence, in dem ein kleines Museum mit wichtigen Fundstücken aus der Höhle zu sehen ist, der Salle J. Mandement, und die Galerie des Ours. Dort hat man sich durchgegraben durch die Ablagerungen und ist dabei auf viele Bärenknochen gestoßen, die man noch in situ sehen kann.
Seit neuestem verwendet man die Höhle auch als Schauraum für moderne Kunst. Als wir 2010 wieder einmal diese große Höhle besuchten, da war gerade der große Aufbau für die nächste Show voll im Gange. DREAMTIME 2 ist der Titel und man gab sich alle Mühe, Ansehnliches zu zeigen. Hoffentlich wird diese Idee weiterverfolgt.
Höhle auf der Speisekarte | Plakat für die Höhlenkunstausstellung DREAMTIME 2 von 4. Juni - 28. November 2010 |
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Nach meiner Jakobswegwanderung zwischen St. Jean Pied de Port und Burgos im September 2018 bin ich auf dem Rückweg wieder einmal an der Höhle vorbeigekommen. Die Höhle ist ideal für Solohöhlenphotographie, da man nie weit von anderen Menschen entfernt ist - ja ihnen schon leider manchmal gefährlich nahe kommt, wenn gerade wieder ein Auto an einem vorbeifährt. Fast 2 Stunden haben ich dort zugebracht, um eine Handvoll Photos zu schießen. Das Ergebnis, ansehnlich und einige Technik erfordernd. Früher mußte ich bei diesen Dimensionen kapitulieren, wenn es um künstliche Ausleuchtung geht. Heute geht das schon ganz gut und ohne riesigen Aufwand.
Wen es interessiert: Bei Mas d'Azil gibt es auch Dolmen, also megalithische Steinkistengräber. Einer davon hat in seiner seiner Seitenplatten eine Durchgreiföffnung, ist also eine Art Lochstein, die offenbar viel benutzt worden ist. Ein Abstecher lohnt sich.
Literatur:
Brunet, Jacques, Vidal, Pierre | La galerie Breuil du Mas d'Azil, SPELUNCA S. 171ff. |
Denegri, Paolo, Ramella, Luigi | La Spelelogia Veicolare. Instruzioni per l'Uso. SPELEOLOGIA 20, 1989, S. 36f. |
Eppel, Franz | Stationen der ältesten Kunst - Im Land der Steinzeithöhlen, Verlag Anton Schroll & Co, Wien - München, 1963 |
Gratté, Lucien | L'Archeo expliquée aus spéléos / 9 L'amenagement de la cavité, Spéléo n°12, 1993, S. 7 |
Striniati, Pierre | La spéléologie véhiculaire, Grottes & Gouffres, n.69:5-8 |
Links:
http://www.cathares.org/mas-d-azil.html
http://www.frankreich-sued.de/hoehlen-server/mas-dazil/mas-dazil.htm
http://www.uni-koeln.de/phil-fak/praehist/seiten/examenskandidaten/jkegler/jkegler
http://www.obib.eu/Schriften/AlteSchriften/alte_schriften.php?Steinzeit/Mas_d-Azil.html~Text
Landschaft und Höhlen in den Pyrenäen
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