Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Goule de Foussoubie, Ardèche, F


Noch in dem 1956 in Como erschienenen Buch "Spéléologie du département de l'Ardèche" von J. Balazuc sind unter dem Stichwort "Foussoubie" noch drei verschiedene, miteinander noch unverbundene Höhlen aufgezählt, die "Event de la", die "Goule de la" und die "Grotte supérieure de la". 50 Jahre später ist das ganz anders. Diese drei Eingänge und der Aven Cordier sind heute die 4 bekannten Öffnungen eines der größten Höhlensysteme Frankreichs. Die Länge wird mit über 23 km bekannter Gangstrecken angegeben bei einer Gesamthöhenunterschied von 135 m, wobei die tiefsten Teile bereits im Siphonbereich 40 m unter dem unteren Eingang der Event liegen.

Die beiden wichtigsten Eingänge waren immer schon den Menschen bekannt. Bei der Event, deren Eingang 600 m oberhalb des berühmten Pont d'Arc an der Ardèche liegt, wurden Funde aus der Bronzezeit gemacht, ein menschlicher Schädel, ein Dolch, Tonscherben.
Den Ort, wo das gesamte Wasser einer Art riesigen steinernen Wanne zusammenläuft, der "Goule", kannten die Menschen auch schon immer. Der Geograph Malte-Brun berichete noch von verschiedenen 7 Bächen, die sich an einem Ort vereinigten, wo sie in der Erde verschwanden. Die Gegend ist berüchtigt für ihre starken Regenschauer, die plötzlich und intensivst losbrechen und auf einmal gewaltige Wassermassen unterwegs sind. Normalerweise schluckt die Goule, deren Namen von dieser Erscheinung abgeleitet wird, Foux Soubie, oder auch "crue subite", plötzliches Unwetter. Kommt es zu kräftig vom Himmel, dann wird die Schluckleistung des Lochs überfordert und das Wasser staut sich in der Umgebung auch auf den Wiesen und überflutet alles.
Im 18. Jahrhundert, während des Ancien Régimes, soll es mal einen Vorstoß der Ratsherren von Vagnas, der Ort gleich nebenan, gegeben haben, der in einer kleinen Katastrophe endete. Vermutlich war es lange Zeit vorher recht trocken gewesen, so daß das viele Wasser, das die Eingangsregion prägt, stark zurückgegangen war. Sonst ist deren Vorstoß in den nicht wirklich Höhlenbegeisterten kaum vorstellbar. Man war mit Fackeln unterwegs, und diese Flammen sollen mit dem "Salpeterstalaktiten" reagiert haben, auf die die hochwürdigen Herren gestoßen sein sollen. Es sei zu einem Brand gekommen, was zum sofortigen Rückzug der Notablen geführt habe.

Die ersten echten Höhlenforscher, deren Spuren noch aufgezeichnet sind, kamen im Jahre 1892. Man kann darüber in Martels Buch "Les abimes" lesen. Gaupillat und Armand seien über die ersten Felsstufen vorgedrungen und am Ende von CO2-Gasen aufgehalten worden. Erst Robert de Joly machte zwischen den Weltkriegen weiter, richtig in Schwung kam die Forschung erst nach dem 2. Weltkrieg. Immer mehr lokale Höhlenforscher, aber auch die Belgier wurden dort sehr aktiv. 1963 war dann ein Schicksalsjahr. Höhlenforscher aus Lyon wurden von einem starken Hochwasser in der Höhle eingeschlossen, zwei oder drei davon (die Literaturquellen sind widersprüchlich) starben dabei. Dies soll übrigens die Geburtsstunde der Französischen Höhlenrettung sein. 1967 war ein weiteres Schlüsseljahr. Es war immer deutlicher geworden, daß zwischen Event und Goule eine Verbindung bestehen würde, aber erst in diesem Jahr gelang es, von zwei Seiten her gleichzeitig arbeitet, die Höhlen befahrungsmäßig zu verbinden. Inzwischen ist dies Tauchern auch an einer zweiten Stelle gelungen. Am unteren Eingang gelang die Verbindung zwischen dem Event supérieur und dem klassischen unteren Eingang herzustellen. Außerdem mündet in diesen Bereich auch der Aven Cordier ein.
1976 wurde mit Hilfe der französischen Armee der größte Färbeversuch in der Höhle unternommen. Die Ergebnisse waren zum Teil überraschend. Das Wasser der Goule tritt nur in Hochwasserzeiten in der Event aus, sie ist nur noch ein Hochwasserüberlauf. Viele Austrittsstellen des Wassers sind direkt im Fluß. Ein Teil des Wassers erschien ganz wo anders wieder - in der Quelle von Vanmalle, einiges unterhalb des Pont d'Arc. In diese Richtung führen im Moment noch keinerlei bekannte Gänge in der Höhle. Ob es vielleicht welche gibt?

Die Event zu besuchen, das ist eine leichte Sache. Man kann sein Boot am Ufer der Ardèche landen, austeigen, die wenigen Meter zum gut sichtbaren Doppeleingang hinaufgehen und selbst mit einer Taschenlampe einige Meter schon in horizontale Gänge vordringen. Dann ist aber bald Schluß. Der Gang senkt sich zu einem Siphon. Ein Speleoführer über Durchgangshöhlen in Frankreich beschreibt in diesem Teil den Durchstieg vom oberen Eingang bis zum Haupteingang, der mit einem 45 m-Seil zu mchen sei. Immerhin 103 m geht es herunter, bei einer Gesamtstrecke von ca. 500 m. Da immer wieder von "ètroitures" die Rede ist, sollte man schon entsprechende Körperformen mitbringen.

 

Sehr viel dramatischer ist der Zustieg in die Goule von oben. Ganz in der Nähe der Kreuzung der D217 und der D355 südlich von Vallon-Pont-d'Arc führt die Straße über einen Bachgraben. Dort muß man sein Fahrzeug zurücklassen. Folgt man dem Graben, dann stößt man unweigerlich auf die ovale Felsöffnung. Gleich geht es steil nach unten, nicht weit, aber doch ist es nützlich, z.B. gleich beim Eingang ein 10-m-Halteseil zu haben. Dann kommt gleich ein tiefes Wasserbecken, das man, wenn entsprechend ausgerüstet ist, gleich mit einem Boot überquert, dann ein kurzer Abstieg, wieder mit einem Seil von 5 Metern Länge zu machen, wieder ein Wasserbecken, Boot ablassen, noch ein Abstieg, 10 m Seil und 10 m Leiter sind empfohlen, noch ein Abstieg, diesmal 15 m Seil und 15 m Leiter usw.. Die Leiter wird empfohlen, damit man im schlimmsten Falle, wenn nämlich ein Schlechtwettereinbruch ist, eine weit bessere Chance hat, wieder hinauszukommen, als in SRT-Manier. Es geht immer so weiter, so daß am Ende die ganze Tour schon ziemlich materialaufwendig wird. Wer kein Boot mitnimmt, der muß damit zurechtkommen, daß es tiefe bis sehr tiefe Wasserstellen unterwegs gibt, die dann nur noch schwimmenderweise zu machen sind.

1985 und 1986 war ich mit Reinhard Wagner in der Höhle unterwegs, wobei wir dauernd feststellen mußten, daß wir zuwenig Material dabei hatten. Eigentlich haben wir nur den steilen Eingangsteil gesehen, aber schon der war sehr eindrucksvoll. Alle Strukturen künden von der Macht des Wassers, die die Räume überall geprägt haben.

Ein besonderes Erlebnis hatte ich auch noch. Am unteren Ende des p7 im Eingangsteil landete ich auf einem schmalen Felsband in einem See. Ich hing noch im Seil mit dem Petzl, als ich wahrnahm, daß ich nicht alleine war. Ich mußte noch 5 Meter im Wasser laufen, eh ich auf einen trockenen Felsboden gekommen wäre. Da wollte ich zwar hin, aber da war schon was! Eine lange dunkle Schlange ringelte sich da aufgeregt und zeigte alle Anstalten, auf mich herzukommen. Vermutlich war sie von Hochwasser mal hereingetragen worden und hatte schon lange keinen Besuch mehr gehabt. Ich war in einer schwierigen Situation. Was tun? Schnell wieder umkehren und mit den Yümars wieder noch oben verschwinden? Was für einen Aufwand hatten wir schon hinter uns! Die kurzen Felsstufen am Eingang lagen schon hinter uns, das Navigieren mit dem Gummiboot, Reinhard war schon hinter mir - ich versuchte so gut es ging, Tumult mit dem Gummistiefel im Wasser zu machen, klatschte mit den Händen das Wasser in Richtung der Schlange, drückte mich an der Seite schnell nach draußen. Ich kam davon, aber ein mulmiges Gefühl blieb. Beim Rückweg mußten wir ja wieder diese Stelle passieren! Wir haben allerdings nichts mehr dann von ihr gesehen, aber für einen tüchtigen Schreck hat sie gesorgt, so oder so.

   

Gegen Ende des 2022er ICPM-Treffens an der Ardeche machten wir noch einen Wanderung entlang der Ardèche von unserer Unterkunft in der Domain de Blachas bis zum Pont d'Arc. Dabei kommt man am Eingang in die Foussoubie vorbei und wir ließen uns die Gelegenheit nicht entgehen, ein wenig in den weiten Gang einzudringen.

 


Literatur:

Balazuc, J. Spéléologie du département de l'Ardèche, 1956
Drouin, Philippe, Marchand, Thierry Speleo Sportive en Ardèche, EDISUD; Aix-en-Provence 1989
Lindenmayr, Franz Angst und Höhle, in: Tagungsmappe 2001, Arbeitskreis Höhle, Religion und Psyche, Gabi und Peter Hofmann (Hrsg.), Oberaudorf 2001, S. 42
Minvielle, P. Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977
Klingenfuß, Bruno Speleo-Führer Ardèche Canyon, ohne Jahres- und Ortsangabe
Minvielle, Pierre Guide de la France souteraine, Tchou, Éditeur, 1970
Chabert, Claude LES GRANDES CAVITÉS FRANCAISES; 1981
l'Ecole francaise de spéléologie et de la Commission scientifique de la F.F.S. Système de Foussoubie, Ardèche, 2000
Balazuc, J. Spéléologie du département de l'Ardèche, 1956

Links:

http://photoardeche.free.fr/themes/grottes/zone_gorges/cordier/index.htm

https://cr-spits.monsite-orange.fr/file/6ce1f87d46efc54d4eae7a095493ca55.pdf

http://www.foussoubie.fr/

http://s2.e-monsite.com/2010/03/25/49509683event-de-foussoubie-fr-copie-jpg.jpg

Höhlen an der Ardèche

Streifzüge durch die Höhlen Südfrankreichs


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