Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Internationales Höhlenfotographentreffen an der Ardèche/F
17. - 24. Juli 2022
Der allabendliche Höhepunkt im Tal der Ardèche
"This was an incredible week, run like a well-oiled machine, communicating through th international language that is cave photgraphy." Chris Howes
Eigentlich war dieses Treffen schon für 2021 geplant. Aber Corona hat dann einen gewaltigen Strich durch alle Überlegungen gemacht. Nun wird ein neuer Anlauf von Philippe Crochet gestartet.
Vom Sonntag, den 17. Juli, bis zum Sonntag, den 24. Juli, findet das "Ardèche Photo Camp" in der Domaine des Blachas, 2590 Route du Chassel 07150 Salavas, statt. 670 Euro kostet der Spaß. 28 Teilnehmer sind angemeldet.
Wir dürfen gespannt sein.
Eine große Schlußveranstaltung ist für den Samstagabend, den 23. Juli, im Konferenzsaal im CHAUVET-II-Höhlenzentrum für die Öffentlichkeit geplant. Wieder stellen die teilnehmenden Photographen dabei jeweils 3 ihrer "Lieblingsbilder", die während der vorangegangen Tage entstanden sind, vor und erzählen etwa dazu. Anschließlich werden noch weitere photographische Highlights aus der Welt der Höhlen gezeigt.
Am nächsten Tag geht es dann für viele gleich weiter an den Rand der französischen Alpen nach Le-Bourget-du-Lac, wo der 18. UIS Kongress für Höhlenforschung abgehalten wird.
Der Weg an die Ardèche gleicht immer mehr einem Hindernislauf. Wer nicht über einige Resilienz verfügt, der wird das Ziel kaum erreichen. Am einfachsten war es, sich anzumelden.
Schwieriger wurde es schon, die Kosten zu überweisen. Hier zeigten sich massiv die Probleme unserer modernen digitalisierten Welt. Wahrscheinlich war es gut gemeint, für den Zahlungsweg ein vorformuliertes Formular anzubieten, allein das war schier unmöglich anzuwenden. Auf einmal wurde da ein ansehnlich erhöhter Betrag automatisch angezeigt, obwohl man selber einen anderen eingegeben hatte. Da wurde Gebühren für die Überweisung aufgeschlagen, die ein Sparer für die einjährige Geldanlage früher bekam! Wenn man nur weniger zahlen wollte, dann konnte man das, sofern man das kapiert hatte, auch in einem bestimmten Feld nach unten korrigieren. Wenn dann alles eingetragen war, dann drückte man nur noch ein Feld und wartete und wartete - bis die Anzeige kam, daß die Zeit verstrichen sei. Versuchte man es noch einmal, dann passierte wieder das gleiche Spiel. Und beim nächsten Mal wieder und wieder.... Bis man aufgab. Durch Zufall fand ich dann heraus, daß wenn ich das Tablet, auf dem ich mein elektronisches Postbankkonto habe, und das Smartphone gleichzeitig anhatte, dann passierte auf einmal etwas. Warum, weiß ich nicht. Aber es passierte etwas und das Geld war von Konto zu Konto gewandert. Endlich. (Ähnlich erging es mir bei der Überweisung des Übernachtungsbetrages für den UIS-Kongress in Le-Bourget-de-Lac!).
Nächste Überraschung: Zwei Wochen vor der
Abfahrt bekamen wir von Philippe Crochet eine Mail, in der wir darauf aufmerksam
gemacht wurden, daß wir eine Versicherung bräuchten, "for the practice of
caving in a foreign country". Die FFS, der französische
Höhlenforscherverband, schlägt vor, eine entsprechende Versicherung
abzuschließen, die 70,50 Euro kostet und für einen Monat gilt. Unter https:/assurance.ffspeleo.fr/IMG/pdf/ass-licence_trente_jours_2022.pdf
ist sie abzurufen. Wichtig ist dabei, daß man auch eine Bescheinigung eines
Arztes vorlegen muß, der darin bestätigt, daß man überhaupt geeignet ist,
"Höhlenforschen" zu betreiben. Gleich stellt sich natürlich die
Frage, was denn alles dazu gehört und spätestens da, wird man vielleicht
stutzig. Ein Muster dafür ist unter https://ffspeleo.fr/certif_medical)
abrufbar. Wie soll man einen Arzt finden, der einem bestätigt, daß man
körperlich zum Begehen der Höhlen geeignet ist? Ein Blick in die
Anforderungsliste ist aufschlußreich und zeigt, daß man auch sehr gute
Französischkenntnisse braucht:
"-
les maladies cardiovasculaires ;
-
l’épilepsie et les états syncopaux ;
-
le diabète insulino-dépendant ;
-
les troubles de l’équilibre ;
-
les pathologies rhumatologiques ;
-
les maladies pleuro-pulmonaires ;
-
les néphropathies ;
-
les troubles de la coagulation sanguine ;
-
la convalescence de maladies graves ;
-
les affections psychiatriques non compensées ;
-
la grossesse après le 3ème
mois."
Wieviel
kostet so eine Bescheinigung? Wohl eine ganze Stange Geld, weil z.B. bei über
35jährigen geraten wird, vorher auch ein Elektrokardiogramm zu machen. Und eine
"Labor"- Untersuchung wäre wohl auch angebracht, Kosten um die 300
Euro, um etwa festzustellen, ob jemand "erhöhte Leberwerte" hat,
sprich zuviel Alkohol zu sich nimmt. Unter diesen Bedingungen wird wohl kaum jemand noch übrig bleiben, der
die formalen Bedingungen erfüllen kann.
Ein wenig wurde die heiße Luft aus dieser Situation gelassen, als es hieß, daß man einfach prüfen sollte, ob die "Höhlenforscherversicherung", die man vielleicht schon hat, auch im Ausland gilt. Nun gibt es Länder, da ist so etwas überhaupt nicht üblich, z.B. in Großbritannien. Bei uns gibt es ja den Soli-Fonds. Und man kann Mitglied bei einem österreichischen Höhlenverein werden. In diesem Falle ist man automatisch in einer "Kollektiv-Unfallversicherung" mit dabei. In den Versicherungsbedingungen steht: "Die Versicherung gilt auf der ganzen Erde." Vulgo: auch in Frankreich. Wenn ich mir allerdings die Versicherungssummen ansehe, dann sind die Summen bescheiden: dauernde Invalidität 20000 Euro, Such- und Bergungskosten in Folge eines Unfalls: 40000 Euro usw... Wenn ich mir die Summen in der französischen Versicherung anschaue, dann sind auch die nicht sehr hoch. Und dann gibt es ja noch die Klauseln, daß wer woanders auch versichert ist, sich die andere Versicherung aus der Zahlungspflicht zurückziehen kann... Dann bin ich ja noch im Alpenverein versichert, wo auch gewisse Risiken abgesichert sind. Wer kennt sich da noch aus?
https://assurance.ffspeleo.fr/
https://ffspeleo.fr/documents/certificat_medical_2022.pdf
https://hoehle.org/versicherung
Soli-Fond Verband https://www.vdhk.de/fileadmin/pdf/soli/Solifonds2-Anerkennung-Formular.pdf
Die Frage ist ja auch, wer die Einhaltung der Vorschriften überprüft und wer verantwortlich ist, wenn man sie nicht einhält. Auch hier zeigt sich, daß man gerne einen "Verantwortlichen" hat, dem man am Ende alle "Schuld" aufladen kann, falls etwas schiefgeht. Wie so oft müssen dann Menschen Dinge ausbaden, die andere sich ersonnen haben, ohne eine Ahnung zu haben, wie das ganze in der Praxis aussehen wird. Hinterher sind wir natürlich alle "gescheiter".
Das nächste "Stöckchen" auf
unserem Weg an die Ardèche, vielleicht ist ja auch ein ausgewachsener Stock,
wer weiß das schon im voraus, wurde in einer Mail von Philippe deutlich:
"Some of you must be a bit worried about the new wave of
Covid 19 currently hitting France. The French government does not impose any
laws, but we strongly advise you to wear a mask as soon as you are in transport
or in any closed place. Same thing for the camp ( meeting room and cars). We
trust your civic sense for protecting yourself and protecting the others around
you."
Rainer Straub antwortete darauf: "C19 is getting serious in Germany as
well, Conny and myself decided, that we will (quick) test our self before
arrival at the camp as well every morning."
Es wird spannend, wenn Leute aus der ganzen Welt hier zusammenkommen. In den
verschiedenen Ländern ist man ja ziemlich unterschiedlich damit umgegangen und
wenn diese Verhaltensweisen an einem Ort zusammentreffen, werden wir unsere
persönlichen Positionen möglicherweise immer wieder in Frage stellen müssen.
Und hoffentlich kommt es zu keiner Infektion, daß dann einer oder mehrere erst
einmal in Quarantäne gehen müssen.
Resilienz, lt WIKIPEDIA: "psychische Widerstandsfähigkeit: Die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen".
Wer es bis hierher geschafft hat, der hat diese Eigenschaft bewiesen und kann losfahren. Der Reiseplan ist fertig.
"Bonjour tout le monde, Dans une semaine, nous serons en train de prendre l'apéritif au bord de l'Ardèche....N'oubliez pas votre maillot de bain : il y a l'Ardèche en bas du camping et une piscine." Diese Sätze aus dem letzten Mail von Philippe machen Hoffnung!
Der Weg bis zum ICPM-Treffen war weiterhin ein Hürdenlauf, aber wer durchhielt (eine weitere kleine Begebenheit war, als mir der Wind das Ticket an der Mautstelle der Autobahn aus der Hand blies und ich es nicht mehr zurückholen konnte. Am Ende verlangte der Automat 30 Euro. Dann öffnete sich wieder die Schranke und ich konnte weiterfahren), der bekam auch eine Belohnung:
Er und sie waren dann wirklich dabei, aus den USA, aus Brasilien, Großbritannien, Ungarn, Deutschland, Japan, der Schweiz, Australien und Slowenien (leider haben auch viele gefehlt, die schon einmal dabei gewesen waren: Türkei, Libanon, Iran, Russland, Italien, Spanien...), wenn auch nicht immer so, wie man es sich gedacht und geplant hatte. Die Teilnehmer aus Japan schieden zum Beispiel für ein paar Tage wegen einer Coronainfektion aus, eine andere Teilnehmerin stürzte im Stiegenhaus der Saint-Marcel-Schauhöhle, kugelte sich die Schulter aus und mußte mit der Höhlenrettung ins Krankenhaus gebracht werden.
Ansonsten verlief das meiste nach Plan. Philippe Crochet, Annie
Guiraud und Judicael Arnaud hatten sich sehr ins Zeug gelegt und, soweit es eben
planbar war, vorbereitet. Man hatte eine sehr gut geeignete Örtlichkeit in der
Ferienanlage von Le Blachas am Ufer der Ardéche unterhalb von Salavas gefunden.
Da gab es alles auf engstem Raum: die Unterkünfte, die, um Kosten zu sparen,
nicht nur mit 2 Personen belegt waren, sondern bis zur Maximalmenge von 5. Das
führte dann schnell zu Umdispositionen (unsere ursprünglichen
"Zimmergenossen" zogen ins Hotel nach Vallon um, dafür kam ein
"Australier"), aber am Ende konnten wohl alle
zufrieden sein. Frühstück und Abendessen wurden meist auf einer herrlich
gelegenen Terrasse mit Blick auf Felsbastionen über der Ardèche eingenommen,
ein Stockwerk darunter befand sich der schöne Tagungsraum, klimatisiert, was bei den
hohen Temperaturen draußen sehr angenehm war, und mit einem Kühlschrank
versehen, in dem ausreichend Getränke angeboten wurden. Früher hatte es mal
das Prinzip "free wine and beer" gegeben, das galt nicht mehr, aber
für 1 Euro pro Getränk - das konnte sich jeder leisten. Dort trafen wir uns
abends dann zum "Briefing" und zu den Vorträgen.
Dieses "Briefing" war eine Neueinrichtung, eine sehr gute. Tagsüber
waren ja die vielen Teilnehmer unterwegs auf ihren Touren gewesen und man
sah sich erst abends wieder. Ein oder zwei Personen aus jeder Gruppe berichtete
in freier Rede von den Beobachtungen und Erlebnissen, oft sehr humorvoll, so
daß auch die anderen etwas davon hatten. So konnte man sich besser orientieren,
was man denn noch alles in den nächsten Tagen besuchen wollte. Die Auswahl war
ja groß, immerhin wurden 16 verschiedene Touren angeboten, von "very
easy" bis "rather difficult", von Saint-Marcel bis zur Grotte de
la Toussaint. Letztere Höhlen wurden nur von wenigen aufgesucht, erstere von
vielen. Nur die jungen Fitten paßten in die schmalen gewundenen Schlitze und
die komplizierten Schächte mit vielen Umsteigstellen, aber mindestens eine
Gruppe war mindestens drinnen. 8 örtliche Höhlenforscher hatten sich zu den
Führungen zur Verfügung gestellt, die ohne sie nicht möglich gewesen wären.
An drei Abenden gab es zum Abschluß noch kurze Vorträge: Dave Bunnell
"Using Google Nightsite cellphone for caving", Kevin Downey
"Semi-underwater techniques", Satoshi Goto "Taking photos in Miao
Room", Cris Howes " A 3D cave scanning project, Rainer Straub
"Blautopf Cave", Franz Lindenmayr "Cave photography in artificial
caves" und "blur".
Das war ein ausgesprochen ausgefallenes Thema, weil es ein wenig an einem der
Grundpfeiler heutiger Höhlenphotographie rüttelte, der Schärfe. Die Reaktion
war sehr positiv und ich bekam schon kurze Zeit danach die ersten Bildprodukte
anderer Teilnehmer dazu übermittelt. Es wurde auch noch etwas wissenschaftlich,
weil wir auch noch 2 Vorträge über die Chauvethöhle im Programm hatten, und
sehr ästhetisch, als Philippe und Annie ihre neueste Bildershow zeigten, die
das Eingeschlossensein, das "confinement", während der Coronaepidemie
raffiniert thematisierte. Während der Küchenarbeit in Montpellier, wo z.B.
eine gelbe Rübe geputzt wurde, trieb das Imaginationsvermögen von Photograph
und Modell Kapriolen und ließ Assoziationen mit orangen kleinen Stalaktiten
sichtbar wurden.
2 Ausflüge waren fest eingeplant: am Mittwochfrüh ging es zum Nachbau der Chauvethöhle, wo wir uns in zwei Gruppen aufspalten mußten. Eine davon wurde von Jean-Marie Chauvet persönlich durch die exklusiv für uns geöffneten Räume geführt, zu der ich nicht gehörte. Am Freitagabend fand dort im großen neugebauten Vortragssaal der Galaabend statt, wo die besten Bilder der vergangenen Tage gezeigt wurden und anschließend ein reichhaltiges Buffet gereicht wurde. Jeder der 12 Photographen hatte 3 Bilder ausgesucht, ergänzt um 1 Photo aus seinem Heimatland. Man stand dann vorne auf der Bühne und erzählte etwas dazu. Manche mögen das gar nicht, andere sehen das als Chance, auch hier einmal öffentlich zu zeigen, was in ihnen steckt.
Am Sonntag, den 17. Juli, hatte es begonnen, am Sonntag, den 24. Juli, packten alle. Viele fuhren weiter zum 18. UIS-Kongress in Le-Bourget-du-Lac, die Japaner waren teilweise schon wieder freigetestet, andere siedelten in ein Hotel in Valence um, keiner blieb zurück.
Wir hoffen, daß wir uns alle, bald, wiedersehen!
Von Reisen in die Ferne bringt man ja oft auch Eindrücke mit, die unerwartet auf einen zukommen, mit mit dem, was man ursprünglich dort wollte, nichts zu tun haben, aber eben doch einen Einblick in die heutigen Verhältnisse ermöglichen. So ein Moment war für mich, als ich bei der Rückfahrt vom Aven de la Salamandre nach Vallon auf der großen Brücke den Fluß Ceze überquerte. Der Fluß war weg. Kein Wasser mehr weit und breit. Es regnet viel zu wenig. Die Erde trocknet aus - und die Atomkraftwerke müssen zum Beispiel auch zurückgefahren werden, weil zu wenig Wasser für die Kühlung nur mehr zur Verfügung steht. Unser ganzer Lebenstil wird in Frage gestellt. 1.000 km zu fahren, um ein paar Höhlenphotos zu machen? Ist das nicht etwas, was von "Gestern" ist?
Der Eröffnungsapperitiv | |
Satoshi hält die nächste Photogeneration in der Hand: das Smartphone mit Kamerafunktion | |
Morgendliches Warten bei Chauvet 2 | Einer unserer Führer: Jean-Marie Chauvet |
Bei der Chauvet 2 um 8 Uhr 30 morgens | Vor dem Eingang in die Faksimilehöhle |
Grosses Gruppenfoto | Die Gruppe der "Japaner" mit Coronaschutzmasken |
3 Fotographen in Eingang zur Foussoubiehöhle | |
Galaabend im Vortragssaal von Chauvet 2 | |
Abschlußgaladiner bei der Chauvet 2 | |
Blurs aus der Saint-Marcel-Höhle, 2022 - Vorstöße in unbekannte Bildwelten | |
Literatur:
Crochet, Philippe, Guiraud, Annie, Arnaud, Judicael (2022): Photo Camp in Ardèche 17-22 July 2022
Crochet, Philippe, Guiraud, Annie (2022): Camp photographie souterraine Ardèche, Spelunca 168, p 22-26
Crochet, Philippe, Guiraud, Annie, Arnaud, Judicael (2023): Sixth International Meeting of Cave Photographers, Photo Camp in Ardèche from 17 to 24 July 2022, 2023
Howes, Chris (2022): The caves of the Ardèche, Descent (288) Oct/Nov 2022, p 30ff.
Links:
International Cave Photographers Meetings
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |