Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle


Der 18. Internationale Kongress für Höhlenforschung UIS in Le-Bourget-du-Lac vom 24.-31. Juli 2022


 


"Imagined communities...a community of people who don't really know each other, but imagine that they do.." Harari, Sapiens 405


Grotte Lamartine

Prerouge, Grotte

Mont Blanc

Bournillon


Vom 24. bis 31. Juli 2022 fand in Le-Bourget-du-Lac in Frankreich der nächste UIS-Kongress statt. Eigentlich war alles schon längst vorbereitet, aber die Corona-Epedemie warf alle Planungen mehrmals über den Haufen. Wir konnten nur hoffen, daß das nicht wieder der Fall sein würde. Über 1300 Menschen kamen auf dem Gelände des Technolac Campus zusammen, leider auch ein idealer Platz, um das Virus weiterzuverbreiten. Es hat nun einige Fälle gegeben, aber von einer Explosion der Krankheitsfälle kann nicht gesprochen werden. Bei mir zeigte jedenfalls nach dem Heimkommen der Coronaschnelltest eine Infektion an. Eine Quarantäne steht an, aber das ist nicht schlimm. Irgendwann bekommt wohl jeder die Krankheit, egal wie man sich verhält.

Der Besuch des 18. Kongresses war jedenfalls ein großer Erfolg - mit einigen Wermutstropfen.

Wir kamen wohl alle mit großen Erwartungen. Frankreich ist schließlich kein kleines Licht, das sich verstecken müßte auf diesen kleinen Planeten inmitten der Weiten Weltalls. Es war schon einmal "größer", aber unbedeutend ist es nicht. Auch auf dem Sektor der "Höhlen". Der erste UIS-Kongress hatte schließlich schon 1953 in Paris stattgefunden. Nun wollte man wieder einen Kongreß gestalten.

Der Kongress hat, wie es scheinbar heute so üblich sein muß, Maßstäbe gesetzt. 465 abstracts/Einzelbeiträge wurden eingereicht, die in 20 verschiedenen Symposien dann vorgetragen wurden. Allein schon diese Zahl zeigt, daß niemand alles mitbekommen hat. Keine zwei Personen werden von diesem internationalen Treffen auch nur im Entferntesten den gleichen Bericht von diesem Treffen abliefern können. Jeder ging woanders hin, oder auch nicht. Alleine schon der Blick in die "List of symposiums" zeigt, daß viele gleichzeitig stattgefunden haben. Schnell wurde es sehr wichtig, zwischen "Aravis/Bugey/Chamechaude" und "Nivolet Revard" und "Montagne" unterscheiden zu können, den Namen für die Vortragssäle, die auch noch in zwei verschiedenen Gebäuden waren (Andere Zählungen kommen auch 7 in 4 Gebäuden). 

Auf 2.400 Seiten gibt es die Zufassungen der Vorträge in den 6 Bänden der Proceedings zum Kongreß. Preis 120 Euro.

Auszug aus meiner Vortragsauswahl:

Dienstag Daza, Raquel et al. Speleothems and mineralogies in lava tuves of Mexico
Dienstag Favre, Gérald Le Wood Valley pit crater (Hawaii, Big Island): un pit crter très particulier
Dienstag Forti, Paolo, Sivelli, Michelle Fingal's cave: the myth of a cave through its iconography
Dienstag Favre, Gerald La rivière "chaude" supérieure de Kverkfjöll (Vatnajökull, Islande): le plus profond réseau sous-glaciaire connu
Dienstag Favre, Gerald Glaciospéléologie dans les Alpes suisses: plus de 40 années de recherche et d'exploration (résumé des types de cavités)
Dienstag John Gunn, David Gillieson The UIS-UICN Guidelines for Cave and Karst Protection
Donnerstag Conde Costas, Carlos The Cueva Ventana Experience, Puerto-Rico. Challenges and Rewards
Donnerstag Pérez, Maria Alejandra How Caves Gather: The Power and Potential of a Radical Speleology
Donnerstag Fleury, Philippe Diau Cave (France): history of its exploration and caving pracitces
Donnerstag Barriquand, Lionel et al. The Cailleverdière Cave at Blanot (Saône-et-Loire, France) and Benoît Dumolin, a precursor site for speleology, karstology and underground tourism (1739-1939)
Donnerstag Motycka, Zdanek et al. Discoveries of large caves in Xiaonanhai Karst, Shaaanxi province, China
Donnerstag Onac, Bogdan et al. The relationsship between use of ice from a lava tube in El Malpais (New Mexico) and drought events in the southwestern USA
Donnerstag Valtentin, Luna et al. Mesures accoustiques dans la grotte du Déroc (Vallon Pont d'Arc - Ardèche)
Freitag Mouret, Claude A significant part of the History of speleology: war actions in caves and karst areas
Freitag Knolle, Friedhrt et al. Worldwide first evidence of underground radioactivity in Harz Mts. caves, Germany
Freitag Brison, David N. Cave inspired Music datasbase Website
Freitag Mouret, Claude Buddhist und animist practices in caves of Myanmar (ex-Burma)
Freitag Mouret, Claude Ancient religious use of caves in Khammouane, Laos
Freitag Hovhannisyan, Gor et al. 2013-220 Scientific Expedition Results of the Caves in the Syunik, Shirak, Vayk regions of the Republic of Armenia and the Artsakh Republic
Samstag Bianzani, David Grotte de Bournillon
Samstag Brunet, Philippe Les rivières sous Lifou
Samstag Kyska, Karol et al. Sardinia, Bue Marino - Su Molente

Neben den offiziellen Vorträgen, die ausgeschrieben waren, aber auch gelegentlich ihren Abhaltungsplatz gewechselt haben, gab es dann noch speziellere Treffen von einzelnen Sektionen, z.B. der Sektion für "Vulcanospeleology" oder der "History of Speleology" und das spezielle Treffen der "Internationalen Höhlenphotographen" und sicherlich noch vieles andere mehr. Ich erwähne die drei, weil ich daran teilgenommen habe, drei einsame Inseln im Meer des Geschehens von dem man meist nichts mitgekam. Das war keine Absicht, weil sich viele sicherlich gefreut hätten, wenn da noch mehr Menschen aufgetaucht wären, aber wer soll das alles noch "wissen", was da alles so los ist? Wir alle sind überfordert, inzwischen. Riding the waves - von wegen.

Die Vorträge - das war nur ein ganz kleiner Teil des Geschehens. Parallel dazu gab es ja noch viel mehr. Eine Ausstellung der Italiener zum Thema "USI IMPRORI (?)", Filmvorführungen im Cinelac, den Spéléotruck, eine Minihöhle, eingerichtet in einem 20-Fuß-Container, der abwechselnde Standorte bediente, Cave Time Capsule 2091, Spéléolympics, eine Einrichtung, ohne die heute scheinbar von Höhlenevent mehr auskommt, irgendwo am Rande, aber doch viele mitreißend, die PETZL-Party, seltsamerweise im Kern um eine Stunde vorverlegt, so daß viele gar nicht mehr davon mitbekommen haben außer leergefegten Tischen, die längst von den hungrigen und durstigen Teilnehmern abgeräumt waren, und und und...
In zwei großen Hallen und einer kleinen hatte man genügend Platz, um kommerziellen Anbietern und Ausstellungen Raum zu bieten. So etwas ist wichtig, weil dort die wirtschaftliche und geistige Zukunft verhandelt wird. Überraschende Entdeckungen waren möglich und wurden mit der Zahlung von ein paar Euro ausgeglichen. 

Am Mittwoch, dem 27. Juli, war großer Ausflugstag. Hier zeigte sich leider ein großer Schwachpunkt des ganzen Kongresses, die Organisation. Es ist sicherlich schwierig, so viele Menschen auf einmal immer zufrieden zu stellen, aber da wurden massive Fehler gemacht. Da hatten sich einige Personen schon lange vorher angemeldet, gezahlt und waren gebucht - und dann hieß es, daß sie sich nach etwas anderem umsehen müßten, weil die gebuchte Fahrt anders belegt sei. So mancher wurde da schon ziemlich verärgent, die Ohnmacht, die man da verspürt, ist nachvollziehbar. So entschied man sich halt, zähneknirschenderweise anders, aber das ungute Gefühl blieb. Mancher der Busse war bis obenhin voll, andere, wie bei mir, hätten noch viel Raum geboten. Ich hatte mich für Chamonix und den Mont Blanc entschieden - und kam voll auf die 60 Euro Kosten und die 35 Euro für die Bahnfahrt zum Montvert. Man muß sich das schon leisten könnten - was ja, leider mag ich nicht schreiben, in unserem Wirtschaftssytem in der Wurzel steckt. Wir hatten Glück: Das Wetter machte mit und bei der Anfahrt von Chamonix machte der blaue, unverwolkte Himmel, einen grandiosen Blick auf den Mont Blanc möglich. Wir fuhren mit der gut besuchten Bergbahn hinauf nach Montvert und von dort aus einen grandiosen Rundweg, um noch mehr von der überwältigenden Berglandschat mitzubekommen. In meinem Hintergrund war ja eigentlich gewesen, die Eisgrotte zu sehen, aber dieses Ziel wurde von unseren Führern sofort massivst abgewertet: Die würde den Besuch einfach nicht lohnen. Wir gingen zwar am Zugang daran direkt vorbei. Ein Schild wies darauf hin, eine Schlange von Menschen  stand davor, aber wir gingen daran vorbei. First things first. 

Ein großes Thema war sicherlich die Gestaltung der Abende. Offiziell angeboten waren da ein "Free evening", eine "Anthology of Luc-Henry Fage Films", ein Pop Folk Concert von Liam Studio, der "Petzl's Festive evening", die "Awards ceremony", wo die Gewinner der verschiedenen Wettbewerbe und des Sportwettkampfs geehrt werden sollten, ein Rock Concert und das "Gala dinner".

Leider war besonders die "Awards ceremony" ein besonderer "Schuß in den Ofen". Philippe Crochet und Annie Guiraud hatten sich darauf sorgfältigst vorbereitet und wurden dann im letzten Moment von den Organisatoren des Kongresses "plattgewalzt". Statt einer unterhaltsamen und aufbauenden Schau bekamen wir trockenstes Brot, Preisverleihungen für sicherlich sehr verdiente französiche Höhlenforscher mit ausführlichster Lebenslaufvorlesung, und das alles auch noch bei verhehrender Ausleuchtung und Beschallung. Was sind da nicht alles für einmalige Gelegenheiten vergeben worden.....

Leider gab es auch am Galaabend wieder so ein unsägliches Durcheinander. Wir waren zum Galabend zusammengekommen, was manche gar als Aufforderung verstanden haben, ihr langes Kleid und das gebügelte Hemd aus dem Koffer zu holen. Und dann gab es neben kulinarischen Köstlichkeiten auch noch UIS-Geplänkel dazu. Schade.

Mit hohen Erwartungen hingefahren, ernüchtert wieder heimgekommen. Das Essen war nicht "himmlisch", manchmal auch, durch die unzureichende Organisation bedingt, sehr tröpfelnd. So etwas prägt sich einfach ein: Mehr als 50 Hungrige in der Warteschlange stehend, ein Koch nur da, der die ganze Essensausgabe alleine bewältigt, ein zweiter im Hintergrund, manchmal sich zeigend, aber nicht wirklich mitwirkend, vorher eine Frau, die uns die Essensbons verkauft, später eine Frau, die die Bons uns wieder abnimmt, an anderer Stelle eine Frau, die uns das Glas Wein für 1 Euro verkauft...gute Essensausgabeorganisation? An so einer Nebensächlichkeit hängt sich halt dann das Urteil auf. Schade, denn so vieles wurde ja gut gemacht, aber das Gesamtbild ist leider "blurred". Es gab auch einen Vorfall, für die Veranstalter sicherlich nichts können: Es wurde in ein Auto eingebrochen und Sachen entwendet. Schnell verbreitete sich die Nachricht, aber tun konnte man selber wenig. Die Polizei fuhr jedenfalls öfters "Streife" danach.

Warum gibt es eigentlich die "UIS"? So mancher hatte schnell eine Antwort: "Um die Kongresse abzuhalten". Das verkürzt sicherlich die Sachlage gewaltig, aber in der Praxis läuft es für viele darauf hinaus. Und was ist an den Kongressen so besonders: Wir treffen uns wieder. "Uns", das sind für jeden andere Menschen. Auf einmal stand da vor mir, Terry Bolger, zuletzt gesehen in Vientiane 2011, Claude Mouret, in Ban Na in Laos 2017, David Brison, zuletzt gesehen 2013 in Brünn beim UIS-Kongress, Chadi Chaker 2020 in Akioshi-dai in Japan (Er erzählte an der schrecklichen Explosion in Beirut: Jeder im Libanon hat davon etwas mitbekommen...) usw... Einige Leute habe ich nicht getroffen, aber gehört von anderen, daß sie da waren, z.B. Liliya Kioseva aus der Ukraine mit ihrer kleinen Tochter, derzeit Präsidentin des Ukrainischen Höhlenforscherverbandes, Gewinnerin des PETZL-Wettbewerks für die schnellste Bewältigung des Parcours, toughe Höhlenforscherin in der Kruberahöhle in Georgien mit über 2.000 m Tiefe, die erzählte, daß sie gerade in ihrer Heimat, in Kiew, ihre Wohnung verloren habe. Die Russen haben sie mit Raketen zerstört. Freund und Leid - oft ganz nah beisammen.

Es bleibt nur zu danken, den Organisatoren, den Helfern, eigentlich allen, die dabei gewesen waren. Zusammen ist etwas Großes daraus geworden, egal wie sehr es in den Details geknirscht hat. Wir dürfen gespannt sein, wie es in Brasilien sein wird. Die hängen sich jetzt schon sehr in die Seile...

Der Empfang / l'acceuil

Claude Mouret
Maria Alejandra Perez "Radical Speleology"
Bill Brison
Halle der Verkäufer
Blick auf die Ausstellungsobjekte in der italienischen Ausstellung: USI IMPROPRI (?)
Schlafstätte für viele - der Sport-/ Zeltplatz
https://speleotruck.com/ Speleotruck


Gesamtphoto der (meisten) Teilnehmer - Photo Philippe Crochet

 


Literatur:

Crochet, Philippe (2022): Les concours film, photographie, art et topographi du congres international 2022 de l'UIS, Spelunca 167, 2022, p 15ff

Délégue, Fréderic (2022): Préparation et déroulemonet d'une manifestation hors norme.... et le congrès UiS 2022 fut!, Spelunca 167/2022, p 7ff.

Garberi, Maria Luisa, Forti, Paolo (2022): USI Impropri (?) La fruiione della cavità nell'iconografia antica e moderna, SSI, Bologna, ridedizione 2022

Harari, Yuval Noah (2011): Sapiens - A Brief History of Humankind, Vintage

Howes, Chris (2022): Sweltering in Savoie, Descent (288) Oct/Nov 2022, p 18ff.

Kesselring, Thomas (2022): 18. Internationaler Höhlenkongress in Le Bourget-du-Lac, Frankreich 24.-31. Juli 2022, Stalaktite 72,2,2022, S. 52-57

Spelunca (2002): Numéro Spécial 18eme congrès international de spéléologie, n° 166, Juin 2022

UIS (2022): 18th International Congress Speleologiy, Programm, Le-Bourget-Du-Lac

You-Tube-Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=45sZEtpL_lI

https://www.youtube.com/watch?v=MMIYEdSCftw

https://www.youtube.com/watch?v=AIX_EVi5i-M final movie

https://www.youtube.com/watch?v=zdzjVU8Ieuc Teaser

Links 

https://www.france-voyage.com/cities-towns/le-bourget-du-lac-29399.htm

https://uis2021.speleos.fr/

https://uis2021.sciencesconf.org/data/pages/PROGRAMME_Day_by_day_V8_WEB.pdf

https://uis-speleo.org/

http://uis-speleo.org/index.php/proceedings-of-the-international-congress-of-speleology-ics/


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