Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Bramabiau, Gard, F


Zum Füßen des Mont Aigoual liegt ein kleines Karstgebiet, der Causse de Camprieu. Dort gibt es eine seltsame Erscheinung. Ein Fluß verschwindet in einem großen Tunnel, der Bonheur, und wenn er wieder zu Tage tritt, was in etwa 500 m Abstand Luftlinie der Fall ist, hat er den Namen gewechselt. Dort ist er der Bramabiau, der "Boeuf-qui-Mugit", das "brüllende Rind". Der Name kommt von dem Donnern, das zu hören ist, wenn Hochwasser durch die Höhle tobt und sich in einem spektakulären Wasserfall aus dem Höhlenportal nach draußen ergießt.

Bekannt war die Höhle schon immer. Zu auffallend ist die Szenerie. In einem Teil des Systems hat man sogar Spuren eines Begräbnisses aus dem Neolithikum gefunden. Richtig geforscht hat erstmals Eduard Martel und seinen Helfern, dem es wohl als erstem gelang, die ganze unterirdische Strecke zu durchqueren. Am 27. Juni 1888 hatte man von unten her versucht, mit Hilfe einer Leiter und einem Boot tief in diese Höhle einzudringen. Man kam bis zum 6. Wasserfall und mußte dann umdrehen. Am nächsten Tag versuchte man es von oben her und stieß schon bald auf den Umkehrpunkt vom Vortag. Von oben her war das alles viel leichter zu bewerkstelligen, wenn auch so manche verzwickte Stelle, z.B. der Pas du Diable, der Teufelstritt, zu meistern waren. Dieses Ereignis gilt heute als so etwas wie die Geburtsstunde der französischen Speläologie. Martel hat den Bramabiau so beschrieben: "Bramabiau est une de ces oeuvres grandioses et bizarres que la nature exécute à coups de siècles et qui confondent l'esprit humain." (Bramabiau ist eine dieser großartigen und höchst eigenwilligen Schöpfungen, die die Natur im Verlauf der Jahrhunderte schafft und die den menschlichen Geist klein erscheinen lassen.) Felix Mazauric hat zwischen 1890 und 1895 weitergeforscht und viele Seitenteile dazu entdeckt, was die Gesamtganglänge auf 6 km brachte. Henri de Lapierre, ein Lehrer, trieb im Alleingang die systematische Forschung weiter, so daß heute ein bißchen mehr als 10 km Höhlengänge bekannt sind. 

Heute ist die Höhle als Schauhöhle ausgebaut. Man läßt sein Auto auf einem Parkplatz vor dem Haus der Schauhöhlenverwaltung zurück und marschiert talwärts in die Schlucht des Bramabiau hinunter. Hat man den Talboden erreicht, so steigt man dem Höhlenbach entlang wieder leicht nach oben. Je nach Wasserstand sieht man sofort den Wasserfall am hohen Spalteneingang. 
Der Weg muß immer wieder erneuert werden, weil die Hochwässer alle davon reißen und nichts mehr von den menschlichen Eingriffen übrig lassen. In einem betonierten Unterstand wartet die Führerin, die einen durch die meist ziemlich schmucklosen, aber trotzdem äußerst eindrucksvollen Räume begleitet. Hauptelement ist das Wasser, das oft, wild und gefährlich wirkend, tosend unter einem dahinschießt. Langen, sehr hohen Felskanälen folgt man immer tiefer in den Berg. Dann steigt man auf Treppen in eine höhere Etage und steht auf einmal vor seltsamen Farbgebilden. Die Steine sind mit roten, gelben und blauen Farben bemalt - eine moderne Höhlenmalerei von Jean Truel, an der immer noch arbeitet (2003). Sie wurden von vielen "Höhlenforschern" abgelehnt und verurteilt. Ich finde, sie hat ihren guten Platz hier. Es ist eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Thema "Höhle", die mit heutigen Mitteln Bezug nimmt auf das besondere Ambiente dieses natürlichen Hohlraums im Gestein. 
Auf einer höheren Etage kehrt man zurück, erst in einem kleinen Tunnel mit flacher Decke, dann durch einen hohen Raum mit spektakulärer Konglomeratdecke. Viele Stufen bringen einen wieder zurück aufs Eingangsniveau, wo man noch einmal den grandiosen Blick durch die große Spalte auf die Welt draußen haben kann.

Ein Besuch des Bramabiau ist nur sehr unvollständig, wenn man nicht auch die Stelle besucht, wo der Bonheur verschwindet. Das tut wohl höchstens ein Promille der Besucher, aber der kleine Umweg lohnt sich. So einem monumentalen Tunnel hat man selten vor sich. Licht ist keines notwendig, da von der anderen Seite her bereits wieder Tageslicht durch eine weite Schachtöffnung, den Aven du Balset, hereinkommt. Bei hohem Wasserstand wird der gesamte Tunnel vom kleinen Fluß durchflossen, ansonsten verschwindet das Wasser schon vorher in verschiedenen Versickerungsstellen und tritt erst weiter drinnen in der Höhle wieder hervor. Bücken muß sich hier keiner auf weiter Strecken, alles ist groß und weit und monumental.

   

 
Verschiedene Arten der Bramabiau-Höhlenkunst


Höhlenfotokunst 2003 Fotos Franz Lindenmayr


Literatur:

Aellen, V., Strinati, P. Die Höhlen Europas, München 1977
Gauchon, Christophe Des cavernes & des hommes, KARSTOLOGIA mémoires n° 7-1997, Chambéry 1997
CDS 12 Les Grandes Cavites Caussenardes 1981
Chabert, Claude LES GRANDES CAVITÉS FRANCAISES; 1981
Lindenmayr, Franz Höhlen in Südfrankreich, Der Schlaz 19-1976, S. 13f.
Minvielle, P. Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977
Weinhold, Maria, Schmitt, Thomas Ardèche und Cevennen - Wege durch eine alte Kulturlandschaft Südfrankreichs, Schelzky & Jeep Berlin, 2. Auflage 1995

Links:

BRAMABIAU
l'abime de bramabiau

Show Caves of France Abime de Bramabiau

http://gilbert01.chez.tiscali.fr/ma_region/les_cevennes/bramabiau/bramabiau01.htm

Landschaft und Höhlen in den grands Causses
Streifzüge durch die Höhlen Südfrankreichs


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