Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Jean Truel - der wahre "Erbe" der alten Höhlenmaler?


Wie sieht zeitgenössische Höhlenkunst aus, kurz nach der Wende ins dritte Jahrtausend nach Chr.? Sollen wir auch die Tiere nachmalen, die unser Leben begleiten, heute? Oder die Tiere noch einmal malen, die unsere Vorgänger vor vielen Jahrtausenden schon an die Wände der Höhlen oft meisterhaft gezeichnet und gemalt haben?

Oder sollte man gar nichts mehr in die Höhlen malen? Wenn schon "Höhlenkunst", dann nur draußen! Auf Leinwand oder Papier für die heimische Hauswand oder, wenns hoch kommt, fürs Museum. Aber, bitte, nicht mehr in die Höhlen selber! Das käme ja einem Sakrileg nahe, wäre eine massive Kränkung des Höhlenschutzgedankens. Wirklich? Wie oft werden nicht auch heute noch Höhlen "verändert" - aus 1000 und zwei Gründen. Aus künstlerischen Gründen erfolgt das fast nie. Zwei Hände genügen wohl, um diese Versuche der letzten Jahre zumindest zu zählen. 

Wagt es doch ein Künstler, dann gibt es großen Aufschrei, wählt er einen Ort für seine Werke, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. 

Jean Truel hat es gewagt und viel Schelte dafür bezogen. In der Bramabiau-Höhle im Causse de Camprieu. Jeder Besucher der heute als Schauhöhle geführten großen Höhle kommt daran vorbei. Als wir, ich und Alfred Schlagbauer, am 20. April 2003 auch mal wieder dort waren, haben wir erlebt, was die Führerin an dieser Stelle daraus machte - nämlich praktisch nichts. Ruckzuck ging es an dieser inzwischen ganz besonderen Stelle vorbei,  keine Kontemplation, von der Beleuchtung her vollkommen unauffällig. Ist es den Betreibern der Schauhöhle inzwischen schon peinlich, daß es da so einen Experimentierort der Kunst gibt? Schade.

Wer mehr über diesen Künstler lesen will, der kann heute über seine Homepage viel mehr erfahren. Ein Mausklick genügt.

Ich hatte gelesen, daß er in "Regagnas" in den Causses einen Skulpturengarten gebaut hätte. Das hatte mich neugierig gemacht. Wo lag dieser Ort? Keine Karte gab mir Auskunft. MAP&GUIDE auch nicht. Suche, ausgiebig. Dann, plötzlich, Erfolg. Tatsächlich, da stand auf der Karte: Regagnas. Weit weg. Abgelegen. Nicht so weit, daß ich nicht doch mal hingekommen wäre. Am 17. April 2003 war es soweit. Zwischen einem Besuch des Aven de Saint-Ferréol und des Aven de la Paulerie. Der Weg dorthin kam mir vor wie ein Weg zum "bout du monde", zum Ende der Welt, hier mal räumlich gesehen. Immer wieder ging es eine Abzweigung weiter bis am Ende die Teerstraßen aufhörten. Ein paar Häuser, ein Schild, daß das Weiterfahren nicht mehr erlaubt war. Schluß. Von das aus ging es nur noch zurück. Von "Truel" keine Spur. Eine Töpferei war da, auf einen Verkaufsraum wurde hingewiesen, Reitpferde wurde da gehalten. Von einem Höhlenmaler erst einmal keine Spur.

Und dann ein alter VW-Bus mitten in einer Wiese. Voller Höhlenbezug. Blau-schwarz-weiße Höhlenräume. Ein Poster, das auf eine Ausstellung in Beziers hinwies. Ein Holzgitter vor einem offenen bedachten Raum. Ein neugieriger Blick hindurch machte sofort klar, daß wir da richtig waren. Der Felsboden bemalt, an den Wänden hingen lauter Gemälde in  kräftigem Sonnengelb, Knallrot und Blauegrottenblau. Um uns herum war alles zu. Am Haus gegenüber ein Briefkasten mit "Jean Truel" drauf. An der Hauswand ein Höhlenbild, an die Blaue Grotte erinnernd, im Garten nebenan ein Höhlenbild im Freien. Einen Schotterweg entlang, dann war ein Hauch von Ahnung möglich, daß sich hinter der hohen Mauer und ihrem verwuchterten Zusatz davor der Landschaftsgarten befinden mußte.

Niemand war erstmal zu sehen. Dann tauchte eine älterer Herr auf, der sich als Nachbar von Truel herausstellt. Töpfer war er von Beruf, sprach sogar deutsch. Seine Tochter sprach ausgezeichnet deutsch und wie sich herausstellte, war sie das Ergebnis einer erfolgreich deutsch-französischen Beziehung. Der Mann hatte eine Frau aus Deutschland geheiratet. So erfuhren wir, was los war. Truel war nicht da. Er kommt meist nur an den Wochenende hier herauf. Die Nachbarn vermuteten ihn in der Bramabiau-Höhle, wo er an seinem Höhlenmalprojekt weiter beschäftigt sei. Wir bekamen von ihnen eine Postkarte mit der richtig nur eingeritzten Adresse und Telefonnummer, lesbar nur unter besonderen Beleuchtungsverhältnissen.

Ein paar Tage später trafen wir dann wieder Werke von Jean Truel. Beim Besuch der Bramabiau-Höhle natürlich auch. Aber im Schauhöhlenhaus auch, das hat mich überrascht. Überall hängen großformatige Bilder von ihm, für den Kenner sofort sichtbar. Und das ist ja das Merkmal wirklicher Künstler. Auch ohne irgendeine Erwähnung des Namens - bei der Begegnung mit deren Werken sieht man sofort, das kann nur von "dem" sein. 

Unverhofft bin ich wieder auf die Werke von Jean Truel, dem ich ja bisher noch nie persönlich begegnet bin, in und um die Grotte de la Dèveze gestoßen. Wir wollten nur die Schauhöhle besuchen, aber da war ja auch schon eines seiner charaktistischen Werke auch schon im Höhlenmuseum. Weiter innen in der Höhle, dann ein Saal voller Werke von ihm. Die waren aber nicht mehr auf den Fels gemalt, sondern auf Leinwand. Ein Abstand hat sich da aufgetan. Eine Distanz, die für mich der Inhalt der "Bilder" nicht wirklich überbrücken kann. Wo wäre wirklich der Unterschied, wenn man sie wieder aus der Höhle herausholt? Mir kommt das so wie der in China umgefallene Milchkübel vor.


 

Literatur:

Chabert, Claude

Jean Truel dans Bramabiau, Grottes & Gouffres, n°27, mars 1993, s. 23ff.
Karbaki, Sami Bramabiau ou l'imaginaire du paysage spéléologique, AL OUAT_OUATE N° 8/1991, S. 67ff.
Watson, Red Jean Truel, Cave Artist, Caving International Magazine N° 13, October 1981
Gratté, Lucien FAUL-IL BRULER JEAN TRUEL? Spéléo Okt-Dez 1992, S.8
FFS Position des la FFS: ATTEINTE AU MILIEU NATUREL SOUTERRAIN, Spelunca n° 44, decembre 1991
Musée Fabre JEAN TRUEL - PEINTRE DES GOUFFRES, du 8 juillet au 7 septembre 1986, Ville de Montpellier

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