Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen auf Kephalonia
Die Meeresmühlen von Argostolion
"Halte mal. Riechst du das? Es riecht nach
Glück. Das ist Griechenland. Die Menschen sind bedächtig, sie
nehmen sich die Zeit, uns beim Vorbeifahren zuzuschauen, sie
atmen tief durch."
Eric-Emmanuel Schmitt, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran
"Die Italiener wurden in Gruppen von 8 bis 12 Mann erschossen. Sie wurden zuvor nach ihrem Namen gefragt, der in ein Formular eingetragen wurde. Die Erschießungen dauerten bis zum Mittag." Kluge, Napoleon 239
Kephalonia ist die größte der Ionischen Inseln. Sie mißt 737 km² und hat etwa 40.000 Einwohner. Sie ist fruchtbar mit vielen Weingärten und Olivenhainen. Der höchste Berg ist der Ainos mit 1628m.
Die Insel hat eine harte Geschichte hinter sich.
In der höchst lesenswerten geographischen Monographie von Joseph
Partsch aus dem Jahre 1890 kann man viel darüber erfahren
Viele Erdbeben haben Kefalonia immer wieder heimgesucht. Die
frühesten Aufzeichnungen darüber scheinen aus dem Jahre 1612 zu
stammen. Immer wieder wurden Hunderte von Häusern und Tausende
von Menschen einfach niedergemacht von den Erdstößen. Dazu
kamen noch die politischen und kriminellen Wirren. So sollen
13.000 Menschen allein im Jahre 1538 von den Türken von der
Insel in die Sklaverei entführt worden sein. Da hat man ja
richtig "Menschen", statt z.B. Feigen geerntet. Partsch
beginnt seine Arbeit mit dem Zitat: "Cefalonia -
Melanconia", was sehr gut diese Insel bezeichnet.
Ein halbes Jahrhundert nach ihm passierte dort noch so eine schreckliche Ungeheuerlichkeit: (Alle, die danach rufen, daß "Deutschland den Deutschen" oder "Österreich den Österreichern" gehören sollte, die sollten mal daran denken, daß sie solchem Denken mehr als tausende Kilometern von ihren Heimatscholle dadurch "Nachdruck" verliehen haben, daß mal schnell 5000 italienische Soldaten von deutschen Soldaten einfach niedergemetzelt wurden. Kurz vorher noch waren das Verbündete, dann wurden sie einfach auf einen "Führerbefehl" hin ermordet - und keiner der Täter wurde und wird je von einem deutschen Gericht dafür belangt werden.
Das Mahnmal bei Argostolion
Nach dem Krieg wurde dieses Massaker aus politischen Gründen
schnell unter den Tisch gekehrt, um die "Versöhnung"
mit Italien nicht zu gefährden. Die Verantwortlichen wurden
"geschont". Bekannt wurde diese Ungeheuerlichkeit jetzt
wieder durch das Buch: "Captain Corellis Mandoline" von
Louis de Bernière, extrem lesenswert. Der Film, den man danach
mit Riesenaufwand gedreht hat, war zwar wirtschaftlich ein
"Flop", hat aber die Insel bekannter gemacht.
Bemerkenswerterweise nicht sehr in Deutschland. Auf der Insel
findet man viele Engländer und Italiener, vielleicht noch ein
paar Österreicher. Aber kaum Deutsche. Warum nur? Thomas Cook,
ein Global Player im Touristikgeschäft, hat massiv die Finger
drin, vielleicht deshalb? Ist schon ein sehr vertrackte
Geschichte. Wer versucht, über die Website von Thomas Cook nach
Kefalonia zu gelangen, der wird es über die deutsche Version
nicht schaffen. Dort gibt es Kefalonia einfach als Link nicht.
Man kann kann nach Korfu, nach Rhodos, nach Kreta fliegen, aber
Kefalonia, das steht da einfach nicht. Ist wohl auch gut so. Keep
the Germans out. I can understand that feeling.
Vom 24. bis 31. August 2002 war ich mit Frau und
Tochter selber mal dort, um mir einen alten Traum zu erfüllen.
30 Jahre vorher hatte ich in dem Höhlenbuch von E.W. Bauer
"Höhlen - Welt ohne Sonne" das Bild von einem auf
einem blauen Nichts schwebenden Boot in der Höhle von Melissani
gesehen. Dort wollte ich auch mal hin.
Das Schicksal spielt manchmal mit einem Streiche. Vor 20 Jahren
waren wir schon mal ganz nah dort gewesen, wir hatten Zeit, aber
leider kein Geld, um die Überfahrt zu bezahlen. So dauerte es
noch ein paar weitere Jahre.
Diesmal haben wir es geschafft. Und ich bin auf dem See gewesen und war begeistert. Für mich ein Traum..
Leider ist das Griechenland des Jahres 2002 für den Touristen eher ein "Alptraum". Warum? Griechenland gehört zur zone, aber die scheinen beim Rechnen in der Schule nicht gut mitgekommen zu sein oder haben im Fach Biologie nicht so gut aufgepaßt und verwechseln jetzt "Touristen" mit "Melkkühen". Eine Tüte Kartoffelchips auf dem Flughafen von Argostoli sollte z.B. am Samstag, den 31. August 2002, 8 DM kosten (4 )! Das ist ein besonders krasses Beispiel, aber auf vielen anderen Gebieten war es genauso, angefangen von den Mietpreisen für ein Auto über das Souvlaki im Strandrestaurant bis zu den gesalzenen Eintrittspreisen in die Schauhöhlen.
Was macht Kefalinia für den Höhlenforscher zu einem besonders besuchenswerten Ort? Die Insel besteht fast vollständig aus Kalkstein, wie ein B.P.Team in Zusammenarbeit mit der Universität von Leeds festgestellt hat. Die durchschnittliche Schichtneigung beträgt rund 30 Grad Richtung Osten. Um die Inselhauptstadt Argostolion herum gibt es ein kompliziertes System von Verwerfungen und zwei große Verwerfungslinien gehen entlang der Ostküste. Die größte geologische Besonderheit sind die Meeresschwinden bei Argostolion, wo auf einmal das Meer als Bach ins Landesinnere abfließt und das Wasser einfach verschwindet. 1835 bereits wurde eine Mühle an der Versickerungsstelle errichtet, um die Energie zu nutzen. 1859 kam an einer anderen Stelle noch eine zweite hinzu. Mit dem großen Erdbeben von 1953 hörte das auf. Heute steht an einer Stelle wieder ein immer mehr verrostendes unterschlechtiges Mühlrad, das sich nur noch für die Touristen dreht. Warum verschwindet hier das Meer? Ein großes Rätsel, das seit vielen Jahren untersucht worden ist und zu kühnsten Theorien Anlaß gegeben hat. Bei Theodor Glanz kann man eine schöne Übersicht über die verschiedenen Erklärungsansätze nachlesen, die von "vulkanischen Herden" bis zu "Ejektoren" reichen, die eine entscheidende Rolle bei, physikalische wie auch hydrogeologische. Ein großes Problem bestand damals. Man wußte nicht, wohin das Wasser eigentlich abfloß.
Das abfließende Wasser, an der Schluckstelle lauter Plastikflaschen
Der Frage wurde auf vielfältige Weise nachgegangen. 1864 berichtet ein Viscount Kirkwall in seinem Buch über die Insel von den englischen Steuereintreiber Stevens, der eines Tages beobachtete, daß eines Tages am Strand große Mengen Wasser, die mit ziemlichem Druck in Grotten verschwanden. Erklärungen für dieses ziemlich einmalige Phänomen interessierten ihn nicht, eher schon die praktische Ausnützung. Er war der erste, der auf dem von der englischen Besatzungsbehörde gepachteten Grund zwei Wassermühlen damit betrieb. 1873 veröffentlichte Karl Bernhard Wiebel, ein Professor der Physik und Chemie am Akademischen Gymnasium in Hamburg, die erste deutschsprachige Studie zu dieser Erscheinung. Darin heißt es u.a.: "...die Frage nach dem Verbleiben des Wassers...die Notwendigkeit der Annahme eines Kreislaufes.., da ein endloses Verlieren in unbegrenzte Hohlräume mit der Begrenztheit unseres Erdballs in unvereinbaren Widerspruch tritt." (Bärfuss 103).
Ein Engländer kippte um die Jahrhundertwende schon
mal ein Faß Öl in die Schwinden. Herausgefunden, wo es wieder
herauskam, hat man es erst 1963. Hydrologen aus Graz hatten das
Wasser mit 140 kg Uranin gefärbt und erst 14 Tage später kam es
wieder oft einen Meter höher als der Meeresspiegel zu Tage, 15
km entfernt auf der anderen Seite der Insel. Wenn das kein Anlaß
zum Staunen ist! Die Schluckstelle liegt schon auf einer
Landzunge, die mitten im Meer liegt. Damit das Wasser zu den
Wiederaustrittsstellen gelangen kann, muß es erst mal unter
einem mindestens 20 m tiefen Meeresarm unterirdisch hindurch, der
1 km breit ist. Dann fließt es unter einer Bergkette hindurch,
die um die 1000 m hoch ist und tritt dann im Hinterland von Sami
in einigen tiefen Schachthöhlen erstmals wieder zu Tage bis es
in Brackwasserquellen am Meeresrand austritt und ins Meer wieder
zurückfließt.
Nichts ist unerschütterlich und ein besonderes Beispiel dafür
sind diese Meeresschwinden. Bei dem Erdbeben von 1953 wurde die
Insel an dieser Stelle um 30 cm nach oben gehoben - auch
nachweisbar durch die Wasserspiegelveränderung in den
Meerwasserschwinden und in einer Höhle in dieser Gegend mit
einem See am Grunde. Vorher waren es 1,50 m Tiefe unter dem
Meerwasserspiegel, hinterher nur noch 1,20 m.
Das Hauptziel für einen Höhlenforscher auf
Kefalinia ist zweifellos die Umgebung von Sami, mit der sich eine
andere Seite dieser Website beschäftigt. Spärlich sind auch an
anderen Orten Höhlen zu finden. 2 "Höhlenkirchen"
gibt es auch, wobei der Name "Höhlen"kirche ein
bißchen hoch gegriffen ist, weil sich die sakralen Räume eher
nur in kleinen Felsnischen befinden, die Agios Gerassimou Höhle
bei Argostoli und Ayia Varvara in der Umgebung des
Gerassimouklosters.
Daneben gibt noch eine Reihe von Meereshöhlen.
Es heißt, daß die im Norden der Insel den rar gewordenen
Seehunden als Unterschlupf dienen, weshalb man deren Besuch eher
unterlassen sollte. Ganz im Süden, an der Felsküste bei Skala,
habe ich ein paar selber besucht. Eine ganz schöne gibt am
absoluten Vorzeigestrand von Kefalinia, am Strand vom Mirtos. Auf
hunderttausenden von Bildern sieht man sie im Grunde - nur sieht
sie kaum einer wirklich, weil er nie hingegangen ist. Sie liegt
am südlichen Rand des Strandes, dort wo er aufhört und an eine
Felswand stößt. Breit und nieder ist der Eingang und gleich
sieht man, daß dies nicht der einzige Zugang ist. Ein zweites
Tor mündet nach draußen als vom Meer gefüllter überdeckter
Kanal. Auch bergwärts haben die Wellen kräftig gearbeitet und
tiefe Kammern aus dem Fels geschlagen. Die Höhle ist ein
beliebter Aufenthaltsort der Badegäste, besonders von denen, die
keinen Sonnenschirm dabei haben, denn sie bietet viel
natürlichen Schatten.
Kleine "Höhlenkirche" bei Argostolion
Man scheint wieder Vertrauen zu fassen auf Kefalinia. Viel wird dort heute gebaut. An vielen Stellen schießen moderne Betonbauten aus dem Boden. Der Flughafen wird vergrößert. Die Küsten werden "entwickelt". Wo einst offene Natur war, sprießen Baustahlzäune, werden die uralten Ölbäume abgefackelt, hören die Zikaden auf zu "zikaden". Wer weiß schon, wie es weiter geht? Eine schöne Insel, noch nicht so "versaut" vom Tourismus wie viele andere, aber leider momentan (2002) mit einem Preisniveau, daß "der Sau graust". Und die ist nah an der Erdkrume.
Ein Nachtclub an der Straße von Poros nach Skala mit dem Namen SPILIA (Höhle) | |
Der "Bodenlose See" - eine Karstquelle | |
Kleine Höhle an der Westküste | |
Minihöhle am Xi-Strand | |
Küstenkarst bei Skala | |
In Fiskardo | |
Mirthos-Bay | |
Westküste | |
Bei Skala | |
Sonnenaufgang bei Skala |
Literatur allgemein:
Bärfuss, Lukas | Malinois (Jakobshöhe), Wallstein, Göttingen 2019 |
APA GUIDE | Griechische Inseln, Deutsche Ausgabe 1999 Langenscheidt KG, Berlin-München |
Bernières, Louis de | Captain Corelli's Mandoline, Minerva edition 1995 |
Fels, Edwin | Korfu - Kefallenia - Ithaka - ein wirtschafts- und kulturgeographischer Vergleich, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in München, 20. Band, 1927, München 1927, S. 147ff. |
Fraunberger, Richard | Griechischer Rausch, SZNr. 238, 14.10.2021, S. 30 |
Kluge, Alexander | Napoleon Kommentar - Ein Mensch, aus Trümmern gegossen, Leipzig 2021 (S. 235-240) |
Krug, Alexander | Das Massaker bleibt ungesühnt - Münchner Gericht lehnt Anklage wegen Kriegsverbrechen auf der griechischen Insel Kephallonia endgültig ab, Süddeutsche Zeitung Nr. 248, S. 54 - 27./28. Oktober 2007 |
Midgette, Anne | Griechische Inseln, NELLES GUIDE, 1. Auflage, München 1999 |
Rossiter, Stuart | GREECE, THE BLUE GUIDE, Second Edition 1972, Chicago |
Tsitseles, Elias | Kephallenikaka, Athen 1904 |
Partsch, Dr. Joseph | Kephallenia und Ithaka - eine geographische Monographie, Gotha: Justus Perthes, 1890 |
Soustal, Peter | Nikopolis und Kephallenia, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 150. Band, herausgegeben von Herbert Hunger, Band 3, Wien 1981 |
Schminck-Gustavus, Christioph | Kephallonià 1943-2003. Auf den Spuren eines Kriegsverbrechers, Donat Verlag, Bremen 2004 |
Litertatur speläologisch:
Bauer, Ernst W. | Höhlen - Welt ohne Sonne, Österreichischer Bundesverlag 1971 |
Bleich, Klaus Eberhard | Kephallenia - eine griechische Karstlandschaft, Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, ?, S. 54 |
Casati, L., Dell'Oro, Beatrice | Le Risorgenti di Sami et i mulini di Argostoli, Speleologia 25, 1991, S. 32ff. |
Clark, Steve | KEPHALLINIA 1980 (A report from your spy with the NPC expedition), Journal of the Craven Pothole Club 1981, Vol. 6, No. 3, S. 162ff. |
Conway, John | A survey of the possibility of large cave systems on Kephanlinia; Red Rose CPC Newsletter 1976 |
Crossley, Robert Ian | Kephallinia 1980, NPC Journal 1982, S. 71ff. |
Crossley, Robert Ian | The Sea-Mills of Argostoli, Caving International No.11 April 1981, S. 9. |
Dontas, Georgios S. | EYPHYMATA ATTO TO PAPA THN SAMIN THE KEHALLINIAS SPILAION MELISSANI, Archaioloigke Ephemeris 1964, S. 28-35, Athen 1967 |
Franke, Herbert W. | In den Höhlen dieser Erde, Hamburg 1978, S. 237f. |
Glanz, Theodor | Das Phänomen der Meermühlen von Argostolion, Steirische Beiträge zur Hydrogeologie Jahrgang 1965 - Granz 1965, S. 113ff. |
Maurin, V. & Zoetl, J. | Karsthydrologische Untersuchung auf Kephallenia (Ionische Inseln). - IV Colloque International de Spéléologie, Premier en Grèce, Athènes 1963, Athen 1965, S. 78-82 |
Maurin, Viktor, Zötl, Josef | Karsthydrologische Aufnahmen auf Kephallenia (Ionische Inseln), Steirische Beiträge zur Hydrogeologie, Jahrgang 1960, Heft 1, Graz 1960 |
Rossiter, Stuart | GREECE, THE BLUE GUIDE, Second Edition 1972, Chicago |
Samuel, C. | The caves of Cephallonia, in: ISCA, 5, 1985, S. 28-30., illustr., surveys |
Partsch, Dr. Joseph | Kephallenia und Ithaka - eine geographische Monographie, Gotha: Justus Perthes, 1890 |
Petrocheilou, Anna | Die Höhlen Griechenlands, Athen 1984 |
Soustal, Peter | Nikopolis und Kephallenia, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 150. Band, herausgegeben von Herbert Hunger, Band 3, Wien 1981 |
Links:
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