Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das Santuario Grotta di Lourdes del beato Claudio in Chiampo (Vizenza), I
Von der Autostrado zwischen Venedig und Verona muß man kurz nach Vizenca bei Montecchio abzweigen und dem Chiampotal aufwärts folgen. Wer keine Ahnung hat, der wird sich wohl auch fragen, warum an so vielen Stellen der Straße immer wieder Hinweise auf die "Lourdesgrotte" zu finden sind. Da muß schon was wirklich Wichtiges sein!
Ist man dann wirklich da, dann sieht man erst einmal eine Kirche und daneben einen Parkplatz und eine Zypressenallee. Die "Chiesa della Pieve" hat schon eine lange Geschichte. Die ersten Bauten stammen aus dem 6ten und 7ten Jahrhundert und bildeten das früheste Zentrum christlichen Lebens im Valchiampo. Über die Jahrhunderte hinweg wurde der Bau immer wieder verändert, so gibt es noch einen Vorbau von 1480 und ein Barockaltar, an dem 1743 gearbeitet wurde.
Es mußt 1935 werden, eh hier etwas Besonderes passiert. Der Franziskanermönche Claudio Granzotto begann, die Grotte von Lourdes in den Pyrenäen originalgetreu nachzubauen mit Hilfe von Eisen und Zement. Er fertigte die Statue der "Immacolata", der "Unbefleckten Jungfrau Maria" selber aus Carraramarmor, der in den Stein seine tiefe Bewundertung für diese Person übertragen habe. Es scheint große Schwierigkeiten beim Bau gegeben zu haben. Heute heißt das übersetzt so: Der große Widersacher habe sich eingemischt und wollte alles zu einem in die Brüche gegangenen Traum machen. Aber schon damals habe er prophezeit: "Diese Höhle wird zu einem Platz der Bitten werden, der viele Menschen sehen wird.."
Heute ist er vollendet und offenbar blüht der Ort. Inzwischen hat man neben die Grottenattrappe eine neue muschelförmige Kirche gebaut, um den Gläubigen auch im Winter einen entsprechenden Komfort zu bieten - ähnlich wie am Originalschauplatz.
Den Kult mit der "Echtheit" treibt man hier schon ganz schön weit. Man hat in der Originalgrotte ein Stückchen herausgebrochen und sie nach Chiampi gebracht. Dort sieht man das gute Stück, ausgestellt in einem kunstvoll gestalteten Gehäuse. Ähnliches haben andere auch gemacht. Ich habe mal in Carfin, einem kleinen Ort zwischen Glasgow und Edinburgh, schon mal eine Lourdes Grotto gesehen, die hatte ein 100mal größeres Stück Kalk eingelassen in ihr Glaubensdenkmal.
Man hat auch eine richtige kleinen Quelle in der Höhle. An einer Stelle kann man im Boden durch ein beleuchtetes Glas hinunter auf die Wasserfläche schauen, was wohl Eindruck machen soll. Draußen sind dann Wasserhähne, wo sich die Leute tatsächlich das Wasser, abgefüllt in Flaschen, mitnehmen.
In einer Nische befindet sich ein Glasbehälter, in dem viele Bilder von Menschen liegen. Offenbar schicken viele Menschen Bitten auf diese Weise in eine andere Welt, vonwoher sie sich Hilfe erhoffen.
Erstaunlich finde ich die Detailgetreuheit der Nachbildung. Unterhalb der Erscheinungsnische ist der Fels einfach blankpoliert von den Hunderttausenden, die sich hier an den Fels gedrückt haben in der Hoffnung auf Hilfe. Hier ist aber so eine Stelle der Wahrheit. Soll man sich hingebungsvollst wirklich an den Stein schmiegen, der ja nicht wirklich echt ist. Oder überwindet halt auch da "der Glaube Berge"?
Offenbar scheint manchem die Attraktion der Grotte nicht mehr allein gereicht zu haben und in den 80er Jahren wurde auch noch ein Kreuzweg errichtet, der über einen halben Kilometer lang ist. Am Ende kommt man an einem Modell der "Grabeshöhle" vorbei. Der Eindruck wird auch betont, in dem man einen echten Sinterblock davor einbetoniert hat. Der Eingang ist verschließbar - durch einen Rollstein. In der ersten Kammer ist in der Mitte wieder ein echtes Stück: ein Teil des "Heiligen Grabes" in Jerusalem. Wo immer das ist, jedenfalls ist hier ein Stein daraus zu sehen. Dann muß man sich noch einmal bücken, um in die Endkammer zu kommen, wo eine Metallfigur des toten Jesus auf einem Steinbett zu sehen ist.
Mich erinnert das alles an Walt Disney und seine künstlichen Wunscherfüllungswelten - hier mal auf der Ebene von Religion und Höhlen. Wenn man sich mal mit der Geschichte von Lourdes auseinandersetzt, dann kann man nur verwirrt sein, hier so etwas künstlich Hochgezogenes anzusehen. Vielleicht tut es ja auch vielen gut - Placebowirkung.I
Gleich hinter der Kirche muß sich eine bedeutende Höhle befinden, von der man allerdings auf den ersten Blick nichts mitbekommt. Als wir im November 2009 mal dort waren, haben wir auch nichts gefunden. Aber die Quelle ist zuverlässig. Es handelt sich um die "Grotta del Vento", im Kataster mit der Bezeichnung 7 V VI geführt und immerhin 780 m lang. Ihre Befahrung muß aber ziemlich mühsam sein. In der Beschreibung findet sich die folgende Passage: "tortuoso e strettisimo", was nichts Gutes verheißt.
Literatur:
Mietto, Paolo, Sauro, Ugo, ed Regione del Veneto | Grotte del Veneto, 2000 |
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