Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Speläologisches um Brtonigla, Istrien
"Eine kleine, malerisch zwischen sonnigen Feldern und Weingärten gelegene Siedlung an der Hauptstraße ca. 6 km nordöstlich in Richtung Buje..." Marr-Berger, Istrien 43
Ein 2018 entstandener Text:
"Brtonigla liegt östlich der Straße von Umag nach Porec. Schon an der Straße weist ein Hinweisschild auf die Marmornica-Höhle hin, die zur Agrar-Tourismusanlage STERLE gehört und seit 2008 als Schauhöhle betrieben wird. Auch diese Höhle ist schon lange bekannt. Das erste schriftliche Zeugnis von ihr stammt von dem Reiseschriftsteller Alberto Fortis aus dem Jahre 1771, wo in einem Brief auf eine Höhlentour dorthin Bezug genommen wird, die 1 Jahr vorher stattgefunden hatte. 1885 wurde der erste Plan der Höhle aufgenommen von Emilio Boegan, der zur "Societa alpina della Giulie" gehörte. Die Höhle besteht aus einem 10 m tiefen Schacht, der in eine mächtige Halle mündet (Länge 91 m, Breite 53 m), die voller prachtvoller Tropfsteine ist.
Spilja Mramornica - http://www.istra.hr/de/attraktionen-und-aktivitaten/naturschonheiten/hohle-mramornica / http://www.agroturizamsterle.hr/de/spilja-de.html
Im Eingangsbereich hat man wegen der klimatisch günstigen Verhältnisse ein Weinlager eingerichtet, wo der heimische Wein aufbewahrt wird.
Ich kam nachmittags gegen 3 Uhr dort an und war fast alleine. Ein Pärchen schickte sich gerade an, wieder wegzufahren. Ich ging zu kleinen Schauhöhlengebäude und schaute, was los war. Eine junge freundliche Dame grüßte und erklärte mir die Bedingungen. Es müßten mindestens 2 Personen dabei sein, das Photographieren in der Höhle sei erlaubt, allerdings dürfe man kein Stativ einsetzen. So wartete ich und wartete. Niemand kam. Ich bot ihr an, für 2 Personen zu bezahlen, aber darauf ließ sie sich nicht ein. Ich erzählte ihr von unserem Plan, vielleicht mit der ganzen Singgruppe wiederzukommen und wieder einmal in der Höhle zu chanten. Nichts half. Ich resignierte und zog weiter.
Beim Schauhöhlengebäude steht eine große Landkarte der Gegend. Wenn so viel Zeit zum Warten zur Verfügung hat, wie das bei mir der Fall war, dann hat man auch Zeit, sich in die Details zu vertiefen. Ich suchte nach Höhlenzeichen und fand tatsächlich auch einige. Auch solche, die noch nicht über maps.me erschlossen sind. Glücklicherweise.
Eines davon war über
einen Wegstrich mit dem Rest der Welt verbunden und zeigte zur Spilja Serbani.
Wie sich mir dann später zeigte, gibt es diesen überhaupt nicht. Das machte
die Sache schwierig bis unlösbar. Im wilden unverschlossenen Karstgelände
umherzustreichen und etwas zu suchen, was erst im letzten Moment zu sehen ist,
das ist schwierig. Einige Kratzer auf der Haut und einige Blutstropfen kostet
das - und man hat am Ende doch nichts erreicht, weil man die Höhle immer noch
nicht gefunden hat. Ein richtiges kleines Abenteuer wurde das, ehe die Sonne am
Horizont über der Adria im Meer versank und mich zum Rückzug zwang. Immerhin
hatte ich eine große Informationstafel mit Beschreibungen in 4 Sprachen von der
Höhle im Freiland gefunden, aber von dort ging nichts weiter.
Zurück in der Unterkunft suchte ich im Internet weiter und fand tatsächlich
ein paar Hinweise. Es gibt sogar einen Geocache in der Höhle. Die
entscheidenden GPS-Daten kriegt man allerdings erst, wenn man die Fragen des
Geocacherstellers alle richtig beantwortet und sie ihm mitgeteilt hat. Es
gibt auch 1 Karte und ein Luftbild, aber die gilt es erst einmal richtig zu
interpretieren. 2 Tage später versuchte ich es noch einmal, diesmal
erfreulicherweise nicht alleine. Eine Mitchanterin fand sich mit genügend
Unternehmungsgeist und Leidensbereitschaft.
Alle Versuche, den irgendwo am Hang vermuteten Höhleneingang zu finden, wurden
erst einmal abgeschmettert. Ein mindestens 6 m breiter Wassergraben durchzieht
den flachen Talgrund und sperrt alle Versuche aus, ohne Wasser- und
Schlammberührung weiterzukommen. Auf der anderen Kanalseite lugten einige
Bisamratten herüber. Die hatten da einen sicheren Lebensraum. Der Versuch, bei
einem industriell gestalteten Bauernhof näher heran zu kommen scheiterte,
mangels Wegspur. In der anderen Richtung gab ein nach 3 Kilometern wenigstens
eine schmale Brücke, aber auch da verschmälerte sich die Pfadspur immer mehr.
Es hieß zu Fuß weiterzugehen, an einer Stelle keimte Hoffnung auf, da lag ein
morscher alter Baum über dem Wasser, es gab einstmals sogar ein Geländer, aber
das hing nur noch ganz lose irgendwo. Ich balancierte hinüber, aber auf der
anderen Seite gab es nur noch eine geschlossene Dornenfront, die nur noch mit
Machete oder Flammenwerfer zu überwinden gewesen wäre. Also wieder Rückzug.
Beinahe Totalrückzug. Ein letztes verzweifeltes Aufbäumen, zurück zur Tafel.
Das ganze Hightechgedöns brachte da nichts. Ich versuchte es noch einmal mit
Intuition - und, tatsächlich. Der Eingang, besser die zwei Eingänge waren
gefunden! Hinein, gebückt, sich wieder aufrichten, sich wieder bücken, ein
wenig absteigen, das Ende war schon wieder erreicht. Die Kamera herausgeholt,
die Leuchten postiert. Endlich hatte ich wieder einmal ein richtiges
"Modell" dabei und die Strahlen des tragbaren Scheinwerfers erzeugten
einen richtigen Strahlenkranz in ihren kurzen silbrigen Haaren. Besonders
spannend waren die Wandüberzüge aus Wurzeln, die oben bis unten reichten.
Offenbar spielt die Höhle auch eine wichtige Rolle für die Bäume darüber. So
ein kleiner Erfolg ist durch wenig aufzuwiegen. Nur wer all die Frustration, die
Zweifel, die Rückschläge selber erlebt hat, der kann das wohl erst richtig
verstehen. Der schnelle, garantierte Erfolg à la Geocachekoordinaten ist nicht
alles, berührt innerlich viel weniger.
Für Wanderer gibt es nicht weit von Brtonigla eine sehr schöne Wanderung durch das Naturreservat Skarline (> Marr-Bieger S. 332). Eine wesentliche Abkürzung des nicht sehr viel begangenen Weges stellt die Benützung des Parkplatzes bei der Schlucht dar. Dann hat man 4 km weniger zurückzulegen, was bei der Länge der Gesamtwegstrecke bedeutsam ist.
Die Wegstrecke ist markiert, aber es ist nicht immer einfach, die rot-weißen Zeichen zu finden. Dann landet man schnell irgendwo in der Wildnis und schnell steigt der Mühsamkeitsgrad erheblich an. Je nach Zustand des Weges mag er mal leicht, mal ziemlich tückisch sein. Die beiden Stellen, die mit Seilen versichert sind, sind da aus gutem Grund. Wir hatten im Herbst 2020 keine sehr guten Bedingungen. Es hatte heftig vorher geregnet und der Weg war ausgesprochen glitschig und jeden Moment mußte man gewärtig sein, daß man ungewollt Bodenberührung bekam. Hinterher sah ich entsprechend aus! Trotzdem, die Wanderung hat sich sehr gelohnt. Und man bekommt einen ganz anderen Eindruck von dieser karstigen Gegend - einmal überhaupt keinen Strand und kein Meer, sondern Dickicht, Felsen, Wasserfälle.
Literatur:
Marr-Bieger, Lore | Istrien, Michael-Müller-Verlag, Erlangen 2020 |
Links:
http://www.agroturizamsterle.hr/de/spilja-de.html
https://www.geocaching.com/geocache/GC3TA3H_krs-il-carsismo-karst
https://www.kroati.de/kroatien-istrien/buje.html
https://www.istra.hr/de/reiseziele/buje
https://www.coloursofistria.com/de/natur-campingplatze/naturschonheiten/naturpark-skarline
Speläologisches in Istrien.htm
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