Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhlen von St. Kanzian - Skocjanske jame

- ein Naturwunder


"Die Natur hat eine sehr einfache Methode, uns in Erstaunen zu setzen: indem sie im Großformat arbeitet". Bachelard, Literatur als Kunst


 

In der 1923 erschienenen "Höhlenkunde" von Kyrle steht über die damals noch "Höhle von Sankt Kanzian" heißende Höhle: "Nach Boegan tritt der Timavo als Reka in die Höhle von St. Kanzian ein, durchfließt dann in einem unbekannten Bette das Gestein bis zur Schlangenhöhle (Grotta dei Serpenti), wobei er 183 m Seehöhe verliert, was auf die durchflossene wagrechte (so schrieb er das wirklich im Buch - womit uns der Abstand zu damals auch in der Rechtschreibung auffällt) Entfernung 52.55 %o ausmacht. Erst in der Lindnerhöhle (Grotta di Trebiciano), etwa 10 km Luftlinie von der Schlangenhöhle entfernt, kann er wiederum als unterirdischer Wasserlauf beobachtet werden. Hier hat der hypothetische Timavo wieder rund 120 m Seehöhe verloren, was einem Durchschnittsgefälle von 11 %o entspricht. Das zwischen der St. Kanzianer Höhle und der Schlangenhöhle gelegene Gefälle ist sehr steil, das bis zur Lindnerhöhle schon bedeutend mäßiger und von hier bis zum Tagaustritt des Timavo, einer gestreckten Linie, die fast 28 km mißt, senkt sich der Lauf nicht ganz um 20 m, was einem Durchschnittsgefälle von 0,72%o entspricht." So beschrieb ein Wissenschaftler ein außergewöhnliches Erdphänomen, das seit Jahrtausenden die Menschen schon beschäftigt...

Ein Detail daraus: der austretende unterirdische Fluß

Ein bißchen Geschichte:

Steinzeit, Bronze-, Eisenzeit Archäologische Funde bestätigen die Anwesenheit des Menschen bereits in dieser Zeit
Römerzeit Erwähnung der Höhle in Reiseberichten
1599 Versuch, mit Hilfe von schwimmenden Objekten eine Verbindung zwischen Timavoquelle und Rekahöhle zu beweisen
1815 Erfolgreiche Durchschwimmung des Verbindungsgangs zwischen der Velika Dolina und der Mala Dolina durch den Triestiner Joseph Eggenhöfner
1819 Anlegung eines Weges bis zum Höhleneingang
1839 Begehung der ersten 300 Meter der Haupthöhle durch den Triestiner Brunnenmeister Jakob Svetina
1884-1890 Erforschung der Hauptteile der Höhle durch A. Hanke, J. Marinitsch und F. Müller
1904 Entdeckung der Tiha Jama (Stille Höhle)
1986 Aufnahme in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes

Am 30. November 2001 war ich wieder einmal dort, um auch dort mal meine ALDI-Pixelkamera auszuprobieren. Offiziell ist es ja verboten, zu fotographieren, warum eigentlich? - aber in der Praxis hat keiner Schwierigkeiten gemacht, als einige Besucher die Apparate zückten, um ein paar schnelle Bildchen zu schießen. Meisterwerke brauchen meist etwas mehr Aufwand.

Es gab nur 3 Führungen am Tag in dieser Jahreszeit, um 10, um 1 und um 4 Uhr. Ich nahm die Mittagsführung und etwa 50 Leute waren dabei. Ein junger Mann rief die ganze Herde zusammen und führte uns zu Fuß in Richtung auf den künstlichen Eingang in der Doline. Früher hat man diesen Weg mit dem Bus zurückgelegt, aber heute, in unseren "Grünen Zeiten", wird gleich eine kleine Wanderung daraus. Das war kein Verlust, denn das Wetter gab sich prachtvoll spätherbstlich. Es ging zuerst auf der Zufahrtsstraße zum Parkplatz hinunter zur Hauptstraße, dann ein paar Meter dieser entlang und dann über einen geschotterten Weg hinunter in die riesige Doline. Eine große Z-Kurve macht der Weg, dann sieht man bereits in der Ferne die Betonwand mit dem Eingang. Die Gruppe wurde in zwei Teile gespalten, in die Slowenen, die den größten Teil der Besuchermasse bildeten und die Englischsprachigen. Unser Führer kannte sich bestens aus und erläuterte freundlich alle Details links und rechts vom Weg. Ich war ja schon mehrmals in dieser Riesenhöhle, aber es gibt immer wieder Neues zu sehen, weil sich halt auch die Blickwinkel verschieben. Am Boden fielen mir z.B. erstmals die vielen Riffelmarken auf, eine Erscheinung, der ich erst mehr Wert schenke, seitdem ich die Kunstwerke von Sophie Hochrein aus der Altensteiner Höhle in Thüringen kenne. An ein paar Stellen sind tiefe große Wasserbecken in die Sinter gehackt worden - aus Wasserversorgungsgründen, als man noch Wasser für die Karbidlampenführungen brauchte. Und eine Bemerkung des Führers blieb auch noch hängen: Das außergewöhnlichste Merkmal der Höhle seien die Hochwässer. Alle paar Jahre gibt es so große Niederschläge draußen, daß es die Höhle richtig überflutet. Selbst die riesig dimensionierten Klammen und Tunnels der Höhle könnten das Wasser nicht mehr ableiten, es kommt zu Aufstauungen und das Wasser erreicht so immer höher gelegenere Teile der ansonsten weit oben immer trocken liegenden Gänge. Das müssen manchmal 70 m und mehr Stauhöhe sein. Was da in der Höhle los ist? Unglaublich.

Viele Details wurden uns so bekannt, wie z.B., daß der größte Raum der Höhle den Besuchern gar nicht gezeigt wird. Angesichts der beispiellosen Dimensionen, die man auf dem Führungsweg schon zu sehen kriegt, fast nicht glaubhaft. Der riesigste Raum ist zwar seit langem im Grunde schon erschlossen, durch einen in den Felsen gehauenen Weg, aber der darf aus "Sicherheitsgründen" fast nie begangen werden. Es gibt aber schon Pläne, im Rahmen von künftigen "speläologischen Führungen" auch dorthin andere Menschen zu begleiten. Das wäre ein Hit!

Nach der Führung wollte ich noch einen kleinen Spaziergang machen - einmal die große Eingangsdoline zukreisen. Das schien nicht schwierig zu sein, führte doch laut Karte ein richtiger Wanderweg außen herum. Anfangs war das auch ganz einfach, aber dann war der Weg auf einmal weg. Ich war in ein Dorf gelangt mit ein paar Häusern. Eine rot-weiße Markierung an einer Steinsäule war noch zu sehen, dann keine mehr. Alle Möglichkeiten endeten in irgend welchen Höfen, bei Häusern, im Feld. Ich folgte den vorhandenen Wegen und verlief mich auf diese Weise in einer Art, wie mir das noch nie vorher passiert war. Aus einer halbstündigen Wanderung wurden 4 Stunden, teilweise verloren in der Wildnis, irgendwo weglos im Karst, abgeschnitten durch einen breiten Fluß, keinerlei Hinweise oft selbst nicht mehr auf die Himmelsrichtung, es wurde schon Nacht und ich begann mir schon richtig Sorgen zu machen, ob ich dieses Abenteuer gut überstehen würde. Wer würde mich schon finden, wenn ich da in eine dieser Spalten am Weg fallen würde? Erschöpft und glücklich, wieder gesund zum Auto zurückgefunden zu haben, genehmigte ich mir am Ende erst noch ein "Pivo" in der Schauhöhlenwirtschaft.

Die Eintrittskarte


Eine Doline am Weg mit Feld
Der Eingang
Kleine Stalagmiten vom Palmenstammtypus
Ein modernes Ritual: die Besucher werfen Münzen in kleine
Wasserbecken

Riesige Tropfsteinsäulen

Riffelmarken ähnlich wie in der Altensteiner Höhle in Thüringen
Die Hankebrücke
 
   
Die Hankebrücke

2009

 


Modell der Höhle, 1924 von Robert Oedl für Ausstellungszwecke im Deutschen Museum in München gebaut, zerstört im 2. Weltkrieg durch Bomben, Photo des Modells von Gustave Abel

 

 

Literatur:

Hofmann-Montanus, Hans, Petritsch, Ernst Felix Die Welt ohne Licht, Verlag Josef Habbel, Regensburg 1952
Habe, France Ein plötzliches Verschwinden der Innerkrainer Reka, Die Höhle 3-1982, S. 73ff.
Knebel, W. von (1908) Höhlenkunde mit Berücksichtigung der Karstphänomene, Braunschweig: , Friederich Vieweg und Sohn , Reprint 2017 Verone Nikosia
Trimmel, Hubert Aktuelles von den Rekahöhlen bei St. Kanzian (Skocjanske jame) in Slowenien, Die Höhle 4-1986, S. 211ff.
Müller, F. Sanct Canzian, Triest 1887
Müller, F. Die Grottenwelt von Sanct Canzian, Zeitschrift des D. u. Ö. A. V. 1890
Müller, F. Entdeckungsfahrten in den St. Canzianer Höhlen im Jahre 1890, Mitteilungen des D. u. Ö. A. V. 1891

Links:

 


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