Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Murrawininie Caves, South Australia
Im lonely planet-Führer über Australien sind die Murrawinienie Caves immerhin erwähnt, aber ich zweifle dran, ob der Autor da selber mal gewesen ist. Da heißt es einfach: "Yon can also inspect Murrawijinie Cave, a large overhang behind the Nullarbor Hotel/Motel." Das ist alles. Aber immerhin. Im Vergleich zu den Hinweisen zu den anderen großen Höhlen in der Nullarborebene war das schon viel. Über die steht da nämlich gar nichts.
Allerdings habe ich anfangs wirklich gezweifelt,
ob wir uns die ganze Mühe mit der Höhlensuche machen sollten,
bloß für einen "large overhang". War da vielleicht so
etwas wie beim "Wave Rock" oder bei den "Pilbara
Rocks", das ist zwar alles wunderbar anzuschauen, aber mit
"Höhle" hat das alles gar nichts zu tun. Da aber halt
stand, daß es "behind the ..hotel" sei, konnte es ja
eigentlich keinen großen Aufwand bedeuten, da trotzdem mal
hinzugehen. Angesichts der Situation ist natürlich gleich die
Frage angebracht, wo da denn "vorne" oder
"hinten" sein soll. Und was denn "hinten"
ist, gleich oder etwas weiter weg?
Ich fragte gottseidank den Tankwart und der wußte bestens
Bescheid. Wir müßten nur bei Tankstelle dem plattgefahreren Weg
ins Grasland folgen, dann mal abbiegen nach rechts und dann ginge
es immer weiter, ungefähr 12 km weit. Anfangs ist da gar nichts
bezeichnet, aber später helfen einem glücklicherweise richtige
Straßenmarkierungen. Und die sind wichtig. Man kommt an einigen
wenigen Fahrspurkreuzungen vorbei, Straßen mag ich das nicht
nennen, worauf man sich da fortbewegt, aber es genügt ja schon
ein einziges "Verfahren", dann ist man auf einem Weg,
der auch wohin führt, bloß nicht dahin, wo man eigentlich
wollte und findet dann mindestens die Höhlen überhaupt nicht.
Ob man den Rückweg zum Hotel noch findet? Auch das ist
überhaupt nicht sicher, da alles so ziemlich gleich ausschaut
und in der Landschaft schließlich keinerlei Anhaltspunkte mehr
auszumachen sind. Du kannst Dich um 360 Grad drehen und wirst
nichts anderes als den überall gleich aussehenden Horizont
sehen. Am Sonnenstand kann man sich ein wenig orientieren.
Irgendwo ist in der Nähe das Fundament eines inzwischen längst
schon wieder verschwundenen Hauses zu sehen, ein Autowrack, der
Rest einer Windmühle, ein Brunnen wurde in den Fels
hinabgetrieben, und dann wieder gar nichts mehr. Niederes
Spinnifexgras überall, ein Wombat springt heraus und rennt vor
dem Auto auf die andere Seite der Fahrspur. Gleich ist es
überhaupt nicht mehr auszumachen, weil seine Größe noch
unterhalb der Grashalmgröße liegt. Trotzdem, kollidieren hätte
ich mit ihm auch nicht wollen. Befahrbar ist dieser Weg auch nur
bei schönem Wetter von Campervans. Ansonsten würde man wohl in
den Schlammlöchern steckenbleiben, wenn sie gerade solche sind.
So rollt man hindurch. Immer weiter in die absolute Ödnis geht
es. Ob da überhaupt irgendwann etwas noch kommt? Eine Höhle
vielleicht? Zu sehen ist da gar nichts. Dann zeigt sich in der
Ferne ein Steinhaufen. Beim Hinkommen zeigt sich, daß da große
Steinmarkierung ist, auf der Glastafeln mit Informationen über
die Höhlen angebracht sind. Wir sind wieder voll im 21.
Jahrhundert. Pläne, Fotos, Beschreibungen. Es handelt sich
tatsächlich um 3 richtige Höhlen, klassische Beispiele für
Nullarborhöhlen. Ein annähernd kreisförmige Schachtdoline tut
sich vor einem auf. Man kann ruhig neugierig hinunterblicken und
spechten, wo man denn da vielleicht hinabsteigen kann. Allseits
treten nach unten die Höhlenwände nach hinter zurück, so daß
man nirgends am Fels wirklich abklettern kann. An einer einzigen
Stelle lehnt etwa 1 m unterhalb der Eingangsfelswand ein
Baumstumpf. Da wäre vielleicht ein Abstieg möglich, aber kann
man dem wirklich vertrauen? Da sind sicherlich schon Leute
hinuntergestiegen daran, aber wer weiß, wie lange das schon her
ist. Vielleicht ist er ja längst schon morsch und bricht bei der
geringsten Belastung einfach nicht nur entzwei, sondern spaltet
sich in tausend Teile auf. Dann hätte man nicht mehr ein ein
Problem. Die Felsen oberhalb bieten fast keine Griffe, vielleicht
für Extremkletterer, aber nicht für Normalmenschen. Und der
Baum unten weg ist, dann hängt man dann am vielleicht
vorhandenen Griff mit den Händen - und die Füße baumeln im
Freien. Keine gute Option.
Als ich dort war, hatte ich zwar eine
20-m-Reepschnur dabei, die ich hätte benutzen können, aber
nirgends war eine gute Befestigung zu sehen. Und ohne die hätte
das so eine richtige Harakirioperation werden können. Ich liege
unten in der Schachtdoline und komm nicht mehr raus, oben steht
meine Frau und schaut mir dann zu. Da sie nicht Auto fährt,
hätte sie die 12 km zu Fuß zurück zum Nullaborhotel zu laufen
gehabt, schätzungsweise 2 Stunden Fußmarsch, vorausgesetzt, sie
nimmt die richtige Richtung an den Abzweigungen. Sonst hätte
daraus eine epic story werden können. Ich habe es sein und
lassen und hab auf die beiden anderen Höhlen gesetzt. Dabei
passierte es dann, ich bekam eine klassische Frage gestellt. Man
darf mich alles fragen, allerdings nicht auf jede davon eine
Antwort erwarten. Die Frage lautete: "Wie weit ist die
nächste Höhle, die du suchst, entfernt?" Der Hintergrund
der Frage war mir schon klar, denn je weiter wir vom
Nullarborhotel uns entfernten, desto unsicherer wurde unsere
Situation. Aber woher sollte ich um alles in der Welt das wissen?
Ich bin nur ein einfacher Mensch und koche auch mit Wasser, woher
sollte ich denn jetzt wissen, wie weit eine Höhle von der
nächsten entfernt liegen würde. Hinterher sind wir alle
gescheiter, aber dazu muß es halt immer das Vorher geben - also
los ins Auto und weiterfahren. Mein Gefühl trügte nicht. Gleich
neben der Straße lag der nächste Schachteingang. Die
Eingangsöffnung war diesmal bei weitem nicht so breit wie bei
der ersten Höhle, aber die Schachtsituation sah etwas besser aus
in Bezug auf ihre Befahrungsfähigkeit. Zwei Stellen boten sich
an, wo man den Abstieg versuchen konnte. Ich probierte die mir am
leichtesten erscheinende und tatsächlich stand ich nach kurzer
Zeit schon auf dem Grund des Schachts. Gab es hier vielleicht
irgendwelche Tiere? Schlangen vielleicht? Ich trampelte
möglichst fest auf dem Boden auf, um wenigstens eine
"Drohkulisse" aufzubauen. Vielleicht ließ sich ja
dadurch so ein Vieh wenigstens ein wenig beeindrucken. Wäre hier
so ein Wesen, dann könnte ich ja glatt Mitleid mit ihm haben.
Dann wäre es wohl in den Tagschacht gefallen und käme nicht
mehr, wegen der senkrechten Felswände rundum, ja nicht mehr
heraus. Vermutlich wäre es dann sehr sehr hungrig.
Glücklicherweise hatte ich keine Begegnung mit so einem Wesen.
Lediglich ein paar Vögel flogen ein und aus, sie hatten
schließlich ja ihre Wohnstätten an den Höhlenwänden.
Ansonsten war alles ruhig und staubig. Ein stattlicher
Höhlenraum tat sich vor mir auf. Unterhalb eine festen
Kalkschicht scheint ein weicherer Kalk zu sein, der besser
auswittert und deshalb auch mehr Hohlräume bildet. Tropfsteine
gab es auch mal da, aber die sind schon ziemlich verwittert und
unansehnlich. Wo das Tageslicht noch hinkommt, da haben sich
Pflanzen angesiedelt und gedeihen standortgemäß. Ich bin nun
nicht in die allerletzten kleinen Fortsetzungen gekrochen, um zu
erkunden, ob es nicht doch noch irgendwo weitergehen könnte,
aber alle anderen vor mir scheinen da auch nicht besonders
erfolgreich gewesen zu sein. Aber, wer weiß? Vielleicht ist auch
da irgendwo ein unscheinbares Löchlein, das nach seiner
Überwindung in großen Tunnels weiterführt, manchmal ja nur
wenige Meter unter der flachen Oberfläche - und das, ohne daß
man von oben her auch nur irgendeinen Hinweis auf den aufregenden
Untergrund hätte.
Nach Murrawinienie Cave 2 versuchte ich auch noch Nummer 3 zu
finden, was kein Kunststück war. Auf dem dirt track ein paar
Meter weiter und nun lag auf der anderen Fahrspurseite ein
großes Loch. Das war nun ganz einfach zu befahren, weil man
einfach den schrägen Hang über grobes Blockwerk hinuntersteigen
mußte. Besonders auffallend war gleich beim Eingang der runde
Deckenloch im Fels. So etwas hatte auch in der 2er Höhle
gegeben, nur war es da mit einem großen Felsblock unzugänglich
gemacht worden, von wem auch immer. Man landet in einer weiten
flachbodigen Halle, die keinerlei Fortsetzungen aufweist.
Vielleicht könnte man es ja auch der anderen Seite des
Eingangsfelstrichters mal mit Graben probieren, da ist wohl noch
mehr Hohlraumvolumen zu erwarten, aber wer macht sich schon diese
Arbeit? Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen in der Höhle. Aus
einem eingangsnahen Felsloch quillt eine Pflanze, die nach unten
zu immer mehr an Volumen gewinnt. Die hat da wohl ihren optimalen
Lebensraum. Wie die heißt? Fragt einen Botaniker. Auf der
anderen Seite des Eingangs sieht man in den Felsen auffallende
"solution pipes", röhrenförmige Strukturen, die oben
irgendwo anfangen, unten einfach aufhören und Zeugen sind der
Auflösungsvorgänge in dieser Landschaft.
Ob es noch mehr Höhlen dort gibt? Wahrscheinlich, aber um die zu
finden, da müßte man sich aufmachen und die Gegend
durchkämmen. Der Fahrweg führt einfach weiter in die konturlose
Ebene vor einem. Spannend ist das schon alles, aber tat einfach
auch gut, zurückzukehren in unsere Zivilisation, den Weg zurück
wirklich wieder gefunden zu haben, und nicht irgendwo als
ausgetrocknetes Gerippe in einer australischen Wüste zu enden.
Auf dem Weg zu den Höhlen
Quellgrabung beim Nullarbor Roadhouse | ||
Literatur:
lonely planet | Australia, 2004 |
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