Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen in der Mount Field-Region, Tasmanien


Das Gebiet um den Mount Field auf Tasmanien ist heute Nationalpark. Gottseidank? Wie würde es heute dort aussehen, wenn die von den Aborigines nie angetasteten Baumriesen noch stehen würden? Als jedenfalls die erste Welle der Waldvernichtung durch die Engländer vorbei war, als die wohl 100 m hohen Waldgiganten fast alle gefällt waren, da war dann auch der Blick auf die anderen Naturschönheiten frei, die Russell Falls zum Beispiel und die Lady Barron Falls. Ein großes Stück Erde wurde unter Schutz gestellt und den Profitzwängen der übrigen Welt entzogen. Nun darf sich auch dort die "Natur", was auch immer das ist, wieder stärker selber entwickeln.

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Die Russell Falls

Das Gebiet ist geologisch höchst vielfältig und glücklicherweise entfällt auch ein großes Stück davon auf "hochkarätige" Kalksteinvorkommen. Aus der Sicht eines Höhlenforschers bedeutet das nicht, daß da "viel" ist, sondern eher das Gegenteil. Es kommt in erster Linie auf den Hohlraum im Innern an, die "Leere". Wenn sich darin dann wieder was findet, dann ist das wieder eine andere Sache, auch eine hochgeschätzte, aber nicht unbedingt an erster Stelle.

Es gibt da eine Höhle mit Karstquelle, die Junee Cave. Ihr Wasser fließt in den Tyenna River. Wo das Wasser herkommt, das war lange Zeit unklar. Anderswo gab es auch große Höhlen, eine besonders. In dem vollkommen unübersichtlichen Gebiet war sie wenigstens hörbar: ein Bach verschwindet in ihr (Growling Swallet heißt sie heute). Oberfläche und Untergrund deuteten auf vollkommen unterschiedliche Richtungen. Geologische, hydrologische und speläologische Forschungen lieferten erst einmal überraschende Ergebnisse. Was oberirdisch getrennt schien, war unterirdisch verbunden. Ein Puzzlespiel begann und ist heute noch nicht abgeschlossen. In 80 Wasserschwinden geht das Wasser in den Untergrund. Die weit entferntesten liegen 13 km von der Quelle entfernt. Ungefähr 60 km² umfaßt das Einzugsgebiet und der maximale Höhenunterschied sind 400 m. Hier ist das Dorado der Höhlenforscher, besonders aus Hobart, das nur eine gute Stunde mit dem Auto entfernt liegt. Besonders die Southern Tasmanian Caverneers tummeln sich gerne dort.

Auf dem Weg zur Junee Cave durch
den Farnwald
Wenige Meter vor dem Eingang
Höhlenausblick
Im Eingang: eine Holzplattform
für die Besucher
Blick in die Höhle

.Im August 2006 hatten wir, Alfred Schlagbauer und ich, mal Gelegenheit, dort mal hinzuschauen. Übers Internet war ein schneller Kontakt zum "President" des Clubs, Gavin Brett, zustandegekommen. Wir besuchten ihn in seinem herrlich gelegenen Heim in einem Vorort von Hobart am Fuße des Mount Wellington. Zwei Tage später wollten wir uns morgens beim Mount Field Nationalparkzentrum treffen, um mal dabei zu sein, wenn die Höhlenforscher aus Hobart dort einmal forschen wollten. Das klappte dann auch und mit ihrer Hilfe war das große Höhlengebiet an der Ostflanke des Mount Field bald erreicht. Für den oberflächlichen Besucher sieht es erst einmal nicht danach aus. Endlos erstrecken sich die Wälder, die mit dichtem Unterholz durchsetzt sind auf dem relativ flachen Boden. Es gibt aber Hunderte von zugewucherten Einsenkungen, auf deren Grund überall Löcher in den Untergrund sein könnten. Erschlossen ist das Gebiet durch eine gewaltige Forststraße vom gravel road-Typus mit unendlich vielen Schlaglöchern. Die Australier mit ihren Vierradfahrzeugen brettern da einfach mit, wenn es geht, 100 km pro Stunde drüber und sind so schnell am Zielpunkt. Ich war mit meiner vorsichtigen deutchen Fahrweise den anderen wohl zu langsam und wir wechselten die Fahrer. Ich ging in den 4-W-er und einer der Tasmanen in unser Wohlmobil von Britz. Das letzte Stück bis zu den Höhlen war dann doch zuviel und Bratt fuhr freundlicherweise zweimal hinauf, so daß wir den Campervan an der Hauptstraße zurücklassen konnten.

Ein uns bislang unbekannt gebliebener Karsttyp zeigte sich da. Die übermannshohen Farnbäume dominierten den unteren Teil des Waldes und machten ihn vollkommen unübersichtlich. Darüber spannt sich eine nächste "canopy" (Baldachin, Decke) aus dem Blattwerk der gut hundert Jahre alten nachgewachsenen Eukalyptusbäume. Überall im Wald sieht man noch die Baumstümpfe der hier einstmals hier gestanden habenden Baumriesen mit mal 5, mal auch 7 m Durchmesser und die noch heute 5 und mehr Meter in die Höhe ragen.
Höhlen gibt es genug hier, nur deren Eingänge sind unter diesen Umständen praktisch nicht zu sehen. Praktischerweise markieren kleine farbige Bänder heute an vielen Stellen den Weg dorthin, so daß man sie überhaupt finden kann und auch den Weg zurück. Das ist alles so unübersichtlich, daß die Gefahr des Sichverlaufens sehr hoch ist. Und wenn man da mal verloren gegangen ist, wer weiß schon, wann er da wieder herausfindet?

Der Eingang zum Tassy Pot war noch am leichtesten zu finden, denn er lag direkt neben dem Forstweg und man hätte das Höhlenseil für den Abstieg in den 45 Meter tiefen Eingangsschacht auch gleich direkt an der Autostoßstange festbinden können.

Ein Blick auf den Boden: hunderte blauer Käfer

Blick über einen Riesenbaumstumpf
 

Die Höhlenforscher aus Hobart hatten an diesem Tag geplant, einen Färbeversuch in einer Höhle zu machen und zu sehen, ob das gefärbte Wasser in dem nahe gelegenen Owl Pot wieder zu Tage kommt. Glücklicherweise war der Weg dorthin mit den Markern versehen, so daß wenigstens einigermaßen eine Orietierung in diesem rutschigen, ständig auf und ab führenden Farngestrüpp möglich war. In der Ferne tauchte eine hohe graue Felsmauer auf, die unser Ziel war. Von oben kamen 3 Wasserfontänen herab. Dort ist die geologische Grenze zwischen nicht verkarstungsfähigem und Karstgestein. Am Boden verschwindet das Naß sofort in zwei Höhlen, von denen eine bezeichnenderweie "Three Falls Cave" heißt. Einer der jungen Höhlenforscher schüttete das Färbemittel gleich in das kleine Bächlein, das sich sofort stark grün verfärbte. Nun hieß es schnell sein und die etwa 100 m bis zum Eingang des Owl Pot zurückzulegen und dann sich in die Höhle abzuseilen, die immerhin um die 200 m tief ist, und nach Eintrittsstellen des Wassers zu schauen. Wie wir später gehört haben, konnte die Farbe nirgends wieder entdeckt werden.

 

Alfred und ich waren nicht dabei. Unsere ganze Höhlenausrüstung bestand aus den 2 Schlazen und zwei kleinen PETZL-Lampen. Die SRT-Ausrüstung hatten wir nicht mitgebracht. Schließlich waren wir nur mit 2 Rucksäcken unterwegs und 15.000 Flugkilometer trennten uns von zuhause. Anstelle dessen wollten wir noch die Growling Swallet besuchen, die uns Bratt empfohlen hatte. Im Jahre 1908 war sie von A.S. Atkins und J.G. Timbs, Mitglieder der W:H: Twelvetrees' geologischen Forschungsgruppe, entdeckt worden. Sie ist heute die zweitlängste Höhle Tasmaniens mit ihren 11 km Länge und 348 m Gesamthöhenunterschied. Ein starker Bach verschiwindet in ihrem Eingangsportal, dessen Größe bereits von den Twelvetree so beschrieben wurde: "They discovered an enormous cave in the Ordovician Limestone. This cave is the size of a large building, and a river as large as the Junee pours into it." Von der Hauptforststraße muß man auf eine seitliche Erschließungsstraße abbiegen. Sie führt durch völlig abgeholztes Gelände, wo es nichts anderes als Baumstümpfe noch gibt und damit gute Fernblicke auf die Umgebung ermöglicht. Die Schotterstraße führt dann noch etwa einen halben Kilometer noch in den Wald hinein und hört dann schlagartig bei einem Umkehrpunkt auf. Nur noch ein schmales Weglein führt weiter. Nirgends gibt es ein Schild, daß es da zu einer Höhle gibt. Dieses Wissen muß man schon selber mitbringen. An einer entscheidenen Kreuzungsstelle mit einem anderen Weg steht eine kleine Markierung in die richtige Richtung. Daß man in die gewünschte Richtung läuft, das bekommt man erst bestätigt, wenn man schon kurz vor dem Eingang steht. Dann ist nämlich auf einmal ein starkes Bachrauschen im Wald zu hören. Allein ein Bach ist nicht zu sehen. Noch ein paar Schritte weiter und ein großer Trichter unterhalb einer schwarzen Felswand tut sich auf. Der kleine Fluß ist plötzlich zu sehen, der direkt auf das große hohe Felsloch zustrebt. Es waren eigentlich nur noch ein paar Schritte.... Aber auf einmal verlor ich das Gleichgewicht und stürzte kopfüber einen Meter hinunter in ein tiefes Wasserbecken. Ich war ausgerutscht und lag sekundenlang im eisigen Wasser, schaute, ob die Brille noch auf der Nase war oder ob ich sie im reißenden Bach gleich suchen sollte. Der Rucksack auf meinem Rücken war auch mit untergegangen. Ich versuchte so schnell es ging, dem feuchten Reich wieder zu entkommen, was auch gleich ging. Der rechte Unterarm schmerzte und schmerzt noch immer. Binnen eines Augenblicks war alles anders geworden. Die kalte Kleidung klebte am Körper, aus dem Rucksack lief die braune Soße, die Digitalkamera in der Brusttasche des Hemds rührte sich nicht mehr, die Bergstiefel wurden erstmal vom Wasser entlehrt - und Alfred machte eine Bilderserie von meinem Unglück. Unter solchen Umständen hatte ich keinerlei Lust mehr auf eine Höhlentour und wir kehrten um. Später fuhr an uns ein Allradfahrzeug vorbei, das offenbar Leute zur Höhle brachte. Schließlich war Samstag nachmittag und es scheint populär zu sein, dorthin zu gehen.

Auf dem Weg zur Höhle

Mit neuem trockenen Gewand kam auch die Unternehmungslust zurück und der Wille, noch ein Karstobjekt zu besuchen. Ohne gute Unterlagen ist da aber gar nichts zu wollen. Die Gegend ist derart unübersichtlich und abweisend, daß man es auf eigene Faust überhaupt nicht zu probieren braucht. Es blieb uns nur die "Junee Cave" übrig, die ja auch auf den Karten eingezeichnet ist und zu der heute ein richtiger Fahrweg hinführt. Froh war ich allerdings, daß niemand entgegen kam, denn er ist nur einspurig.

Der Mount Field Nationalpark besteht noch aus viel mehr als nur dem Karstgebiet. Es lohnt sich unbedingt, die 16 km Fahrstraße hinauf zum Lake Dobson hinaufzufahren. Mit der Höhe verschwinden die Farnwälder und die Vegetation verändert sich vollkommen. Im Winter kann man da sogar Skifahren, wenn genug Schnee liegt natürlich. Es war eine einsame Fahrt gegen Abend hinauf und noch einsamer wieder herunter. Man könnte dort oben vergessen, daß es auf dieser Welt an vielen Orten so unglaublich zugeht inzwischen. Dort oben gehen die Uhren noch ganz anders. So wie schon immer gegangen sind (nämlich nach so etwas wie einer "Sonnenuhr", einer "Monduhr" oder einer "Jahreszeitenuhr".

Inzwischen hat unsere Tour schon Niederschlag in einer australischen Höhlenforscherzeitschrift gefunden! In Speleo Spiel, der Magazin der Southern Tasmanian Caverneers steht in der Ausgabe 356 von September-Oktober 2006 auf Seite 7 folgendes: "A further look around the "new stuff" in Owl Pot was warranted. On the way we collected Franz and Alfred (two visiting German 'retired' cavers) from National Park and they followed uns to the Florentine Road. At this point I fulfilled my lifelong dream of piloting a white maggot (campervan for those who don't know my lingo). The pain of 20 km on the Florentine Road at 20 kmph was not going to be bearable! We left the maggot at the bottom of the Nine Road and ferried everyone up to the cave.
While we changed, Franz and Alfred checked out Tassy Pot and then joined Serena and I on jour way to Three Falls Cave for some more dye tracing. I tipped about a quarter of a cup of fluorescein into the small stream.... We left the Germans here; they intended walking back down to their maggot and then checking out Growling Swallet and Junee Cave on their way out." War interessant, was die für einen Eindruck von uns gekriegt haben - "retired cavers"!

Literatur:

Jackson, Alan JF-221 Owl Pot - No more new stuff? Speleo Spiel - Issue 356, September-October 2006 - page 7
Moody, Laurence Caves of the Junee-Florentine, Southern Caver, No. 62, June 2006 - page 3 ff.

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