Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlen und Landschaft im Margaret River-Gebiet, Westaustralien
Landschaft bei Margaret River / Lake Cave /
Margaret River
277 km südlich von Perth liegt das kleine
Städtchen Margret River, das vom gleichnamigen Fluß
durchflossen wird. Nach 1970 begann man dort mit dem Weinanbau,
der sehr erfolgreich war, und der zu einem Tourismusboom in einer
Region führte, dir man früher nur für Holzindustrie und
Landwirtschaft kannte. Eine halbe Million Besucher strömt nun
jährlich dorthin.
Margaret River liegt am Rande des Leeuwin-Naturaliste National
Parks, der sich über 120 km von der Bunker Bay im Norden bis
Augusta im Süden erstreckt. Auf einem Sockel aus kristallinen
Gesteinen wie Granuliten und granitischem Gneiss ruht entlang
eines schmales Streifens eine Kalksteinauflage, die stark
verkarstet ist und viele Höhlen birgt.
War so eine Höhle entdeckt, dann dauerte es oft gar nicht lange
und sie wurde als Schauhöhle benutzt.
Das war etwa so im Falle der Ngilgi Cave,
deren Eingang am 10. Oktober 1899 von Edward Dawson auf der Suche
nach einem entlaufenen Pferd gefunden wurde, am nächsten Tag
stieg er bereits zum ersten Male in den Schacht ab und im
nächsten Jahre begannen bereits die ersten von ihm geführten
Touren in die Höhle. Drei Jahre später wurde bereits
elektrisches Licht in der Höhle installiert und 1905 wurde
bereits das "Caves Hotel" erbaut und betrieben.
Um Besucher anzulocken machte man Werbung und eine besondere
Zielgruppe waren junge Paare, die heiraten wollten. Als einen
besonderen Attraktor hielt man für die Jungvermählten die
"Cupid's Chamber" bereit. Cupido, der römische Gott
der Liebe, mußte seinen Namen hergeben für einen besonderen
Gag. In den tiefsten Teilen der Schauhöhle zweigt vom Weg ein
kurzes Gangstück ab, das ab einem bestimmten Punkt gesperrt ist.
Dort muß man auf allen Vieren vorwärts kriechen, um in die
dahinter liegende Kammer zu gelangen. Der Führer brachte das
Paar bis zu diesem Ort und ließ sie dann alleine. Das war wohl
als Aufforderung zur "Vermählung" gemeint. Für den
Gedanken, daß es sich besonders gut unter der Erde vielleicht
vögeln läßt, gibt es ja gute mythologische Beispiele: Äneas
und Dido oder Odysseus und Calyso. Warum auch immer, vielleicht
litt der Tropfsteinschmuck zu sehr unter den Ekstasen oder die
Leute hielten so etwas nur noch für "romantischen
Schwachsinn", dieser "Brauch" wurde auch mal
wieder eingestellt.
Was sich der Mensch nicht alles einfallen läßt, um mehr Geld zu
machen, auch wenn es um Höhlen geht! Die moderne Variante ist,
etwas in die Höhle zu bringen, was vorher nicht drinnen war.
Auch das konnte ich in der Höhle 2008 erleben. Da gibt es
nämlich, soweit ich weiß, weltweit einmalig, ein schwarzes
Rutschrohr, ähnlich wie in den modernen Spaßschwimmbädern, in
das sich der Besucher setzen kann und in dem er dann durch die
Röhre in einer Biegung nach unten gleitet. Es ist wie auf dem
Kinderspielplatz. Ein alter Durchschlupfbrauch im modernen
Gewand. Unten steht ein Verkehrsschild, das den Einschlupf von
unten her verbietet, damit es nicht zu Kollisionen mit von oben
herunterkommenden Mitmenschen kommt. Erst konnte ich es gar nicht
glauben, daß es so etwas dort gibt, aber meine noch immer
vorhandene kindliche Neugier ließ es mich einfach ausprobieren.
Als ich unten wieder herauskam, da stand dort auch eine Mutti mit
ihrem Sohn und wunderte sich sehr. Die hatte das auch schon
gesehen, aber als etwas befunden, das nichts für ihren
Sprößling sei. Ich erzählte ihr ganz begeistert von meinem
Erlebnis und so durfte nun auch ihr Kind sich diesem Spaß
hingeben. Sie hatte sich vorher schon bei der Höhlenführerin,
die einem nur an der Oberfläche über die Höhle aufklärt und
einen dann alleine in die Höhle entläßt, ausführlich darüber
erkundigt, was man in der Höhle alles sehen könnte. Nach dem
Eingangsschacht geht es in zwei Richtungen. Nach links kommt
eines große Tropfsteinhalle mit einer guten Akustik. Nach rechts
geht es schräg nach unten, nicht so geräumig, aber auch
sintergeschmückt und dann noch durch kleine engere Gänge noch
tiefer in den Berg. Dort öffnet sich dann wieder ein großer
Hohlraum mit noch mehr Tropfsteinen. Dort sitzt dann wieder ein
Höhlenaufseher, der nur aufpaßt, daß sich keiner an der
unterirdischen Pracht vergreift. Das wäre ja wirklich schade.
Das ist schon ein sehr einsamer Broterwerb. Von diesem Saal
zweigt dann der schönste Teil der Höhle ab, den man
normalerweise aber nicht zu sehen bekommt. Man muß dann schon
die "Adventure Tour" buchen, die, ich habe mir die
Augen gerieben, pro Person 150 AUS-$ kosten soll. Dort gibt es
dann wirklich prachtvollen Sinterschmuck zu sehen, der vielleicht
auch das viele Geld wert wäre.
Ngilgi ist auch der Name eines guten Kriegergeistes in der
Glaubenswelt der Aborigines. Er spielt die Hauptrolle in einer
Legende, die sie sich von der Höhle erzählt haben. Ngilgi habe
in der Nähe des Meeres gewohnt. Wolgine, eine böser Geist, habe
in der Höhle gewohnt. Ngilgi machte sich Sorgen, daß es seinem
Volk schaden könnte, wenn dieser Zustand weiter herrsche. So sei
er, zusammen mit den Geistern der Wellen, der Blitze, des Regens,
dem Donner und dem Wind zusammengekommen und man habe einen
riesigen Sturm erzeugt. Damit griff Ngilgi Wolgine in seiner
Höhle an und drängte ihn zurück in die innersten Räume. Als
schließlich der Kampf seinen Höhepunkt erreichte, brach der
Tunnel zusammen und schnitt die Höhle von ihrem Zugang zum Meer
ab. Am Ende wurde der böse Geist durch die Erde nach oben
vertrieben und schuf damit damit den gegenwärtigen Eingang.
Wolgine wurde aus der Höhle verbannt und Ngilgi beanspruchte nun
für sich diese Räume in der Unterwelt.
Eine schöne künstlerische Umsetzung dieser Legende findet sich
übrigens heutzutage in dem originell gestalteten Wartebereich
vor der Höhle in Gestalt eines Mosaiks.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß das Alter
der Höhle nicht sehr hoch ist. Die Höhlenbildung soll vor etwa
500.000 Jahren eingesetzt haben. Die ältestesten Tropfsteine
wurden auf ein Alter von 318.000 Jahre datiert.
Auch die Ngilgi Cave liegt an der "Cave
Road", an der fünf weitere Schauhöhlen zu finden sind: die
Calgurdup Cave, die Mammoth Cave, die Giant's Cave, die Lake Cave
und die Jewel Cave. Calgardup und Giants werden von der
Nationalparkverwaltung betrieben, die drei anderen von einer
Firma, die den Namen Caveworks trägt. Bei dem Riesenangebot an
Unterwelt stellt sich schnell das Thema, welche man auswählt.
Das tut man alleine schon wegen den Geldes, denn bei den
Eintrittsgebühren wird kräftig hingelangt. Für so einen Trip
in die Lake, Jewel Cave oder Mammoth Cave wird man jedesmal
gleich 17 AUS-$ los, weshalb es dann den "Grand Tour
Pass" gibt, der alle drei enthält und für den nur 42 $ zu
bezahlen sind. Die Nationalparkverwaltung machts etwas billiger,
dort kostet ein Höhlenbesuch jeweils nur 10 AUS-$.
Es gäbe natürlich auch noch "wilde Höhlen", hunderte
davon liegen ja in diesem Gebiet, aber von denen erfährt der
durchfahrende Besucher praktisch gar nichts. Nirgends ist auch
nur ein kitzekleines Hinweisschild, eine richtige Wanderkarte mit
Einzeichnung von Höhlen oder anderen Naturbesonderheiten oder
gar einen Führer wird man vergeblich suchen in den Geschäften
von Margaret River oder an den Schauhöhlen.
Bei der Jewel Cave gibt es immerhin einen kleinen
Karstwanderpfad, der, ausgehend vom Schauhöhleneingang, durch
die Umgebung der Höhle führt. Sie besteht aus einem Wald mit
dichtem Unterholz, der im Naturzustand nicht einfach durchquerbar
ist. Und wenn es da eine Höhle gibt, dann merkt man das meist
wohl erst, wenn man schon unmittelbar davor steht. Da muß man
schon beste Ortskenntnisse haben, um etwas auszurichten.
Tatsächlich kommt man so am ursprünglichen Eingang in die
Höhle vorbei, der eingeschrankt ist. Er besteht ja aus einem
senkrechten Felskanal, der dadurch entstanden ist, daß ein Baum
eine Wurzel in die Tiefe getrieben hat auf der Suche nach Nahrung
und Feuchtigkeit. Als der Baum abgestorben war, verfaulte dann
die Wurzel und gab den Raum frei, in dem sie vorher sich
vorangearbeitet hatte. Und da paßte dann sogar ein Mensch durch.
So hab ich jedenfalls die Story des Höhlenführers verstanden.
Man kommt auch noch am abgegitterten Eingang in die Moondyne Cave
vorbei, die früher auch schon als Schauhöhle gedient hat.
Am besten hat mir die Lake Cave gefallen. 1867
wurde die Eingangsdoline von Fanny Bussell entdeckt, die ja
wirklich riesig ist. Die Größe der Hohlräume, das ist
überhaupt ein charakteristisches Merkmal der Höhlen im Margaret
River Gebiet. Ein modernes Führerhaus mit einem gut gestalteten
Höhlenmuseum bildet den Zugang. Im Museum gibt es eine in
natürlicher Größe gebaute kurze Tropfsteinhöhle mit vielen
Bildern und Artefakten, die zu studieren sich durchaus lohnt,
weil sie auf der einen Seite auf die lokalen Verhältnisse
eingeht, aber halt auch z.B. einen Blick in das Verhältnis
Mensch und Höhle weltweit bietet. In eine Wand wurde ein
Schlufgang für Kinder hineingebaut, der es in sich hat. Außer
"very dedicated cavers" haben nur sie darin was zu
suchen!
Trotz aller Mühe, die Natur kann es einfach noch viel besser.
Verläßt man mal das Haus, dann wird der Blick frei und ein
tiefes weites Loch in der Erdoberfläche, auf dessen Grund
wiederum schon riesige Karribäume in die Höhe wachsen. 600
Jahre soll so ein Exemplar schon auf dem Buckel haben. Auf einem
betonierten und mit vielen Stufen (300) versehenen Weg steigt man
in die Tiefe und wartet dann auf den Führer in einem
tropfsteinübersäten Felsüberhang. Tropische Fülle gibt es da.
Noch tiefer geht es. Und dann kommt man zu dem Punkt, wo 1890
eine enge Öffnung gefunden worden war, die in die eigentliche
Höhle hineinführt. Ein Mann namens Tim Connelly war so berührt
von der Schönheit der Höhle, daß er ihr den Namen "QUEEN
OF THE EARTH" gegeben hat, und der sich eine zeitlang sogar
gehalten hat, als sie durch die Anlage von Stegen und Wegen für
die Öffentlichkeit erschlossen worden war. Ein staatlicher
Landvermesser, Marmaduke Terry, verwendete dann erstmals den viel
nüchternen Namen "Lake Cave", der sich dann später
durchgesetzt hat. 1924 gab einen rieisigen Waldbrand, der die
gesamte Oberfläche vollkommen veränderte. Massive Regenfälle
führten zu Erdrutschen bis hinab in die Höhle, was dazu
führte, daß sich der unterirdische Bachlauf, der durch den
gerade mal 100 m langen Gang strömt, aufgestaut wurde. Ein
Tunnel wurde bachabwärts gegraben, um das Wasser wieder
abzuleiten, dessen Reste man heute noch sehen kann.
Der Tropfsteinschmuck ist wirklich ganz ansehnlich, besonders die
Region um den "Suspended Table", eine Sinterfläche,
die früher sicherlich auf dem Höhlenboden aufgelegen war und
heute viele Zentimeter über dem Wasserspiegel hängt.
Die Wasserverhältnisse in der Höhle sind das größte Problem,
denn der "Lake", der der Höhle ihren Namen gegeben
hat, sinkt immer mehr ab. In der nahen Jewel Cave ist das Wasser
inzwischen schon ganz in dem einmal sehr berühmten See, auf dem
man früher sogar mit dem Kahn fahren konnte, verschwunden. Heute
frägt man sich da, was da mal so aufregend gewesen sein soll.
Das Absinken des Karstwasserspiegels ist in der Gegen überall zu
beobachten und hat Gründe, die vollkommen manmade sind. Zum
einen gab es die starke Veränderung der Landschaft durch den
Weinbau, der sehr wasserintensiv ist, und zum andern hat es
einfach auch Folgen, wenn man in die natürlichen Zyklen des
Wachstums der Wälder eingreift. Die Wachsen nämlich nicht nur,
sondern werden auch z.B. durch Buschfeuer auch wieder zerstört.
Begrenzt man das Feuerrisiko, dann bleibt eben viel Wasser, das
ansonsten einfach durch den Boden in die Tiefe rauschen würde,
im Wurzelwerk der Bäume und der darunter wachsenden Strauch- und
Grasflora hängen. Da bleibt einfach nicht mehr so viel übrig,
um in den Karstwasserspiegel vorzudringen. Des einen Freud, des
anderen Leid.
Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen, aber Australien ist so riesig. Und für diese Gegend hatte ich für uns gerade 2 Tage reserviert.
Landschaft um Margaret River und Prevelly |
Cape Naturaliste
Yallingup
Cape Leeuwin
Ngilgi Cave https://www.margaretriver.com/things-to-do/attractions/caves/ngilgi-cave/
Calgardup Cave
Auf dem Weg zur Höhle | ||
Giants Cave
Lake Cave https://www.margaretriverattractions.com/caves/lake-cave/
Karribäume |
||
Jewel Cave
Der originale Eingang | ||
Der heutige Eingang | ||
Moondyne Cave
Mammoth Cave
Das 5,90 m lange Sinterröhrchen in der Jewel Cave
Literatur:
Bednarik, Robert G. | Augusta Jewel Cave, S. 104 |
Eberhard, S.M. (2002) | Jewel Cave Karst System, Western Australia - Environmental Hydrogeology and Stygofauna, Report prepared for the Augusta Margaret River Tourism Association Inc., Western Australia. 120 pp. |
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