Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlen im Yanchep-Nationalpark, Westaustralien
Eine halbe Fahrstunde nördlich von Perth liegt
der Yanchep National Park, nur wenige Kilometer vom Indischen
Ozean entfernt. Wegen der günstigen Lage gehört er zu den
beliebtesten Naherholungsgebiete der Landeshauptstadt. Und weil
er so beliebt ist, werden den Besuchern beim Hineinfahren gleich
einmal 10 AUS-$ als Eintrittsgebühr abverlangt. Weit kann man
dafür nicht fahren, vielleicht grad mal 100 m. Dann kommt schon
der Parkplatz und ab da geht es zu Fuß weiter. Eine an England
erinnernde Parklandschaft tut vor einem auf. Große
Wiesenflächen, einzelne mächtige Bäume, putzige Häuschen und
ein See, der den Namen Loch McNess trägt. Die Fauna ist
allerdings eine ganz andere, exotisches Vogelgeschrei überall,
und Koalas gibt es in einem bestimmten Areal auch.
Der Name "Yanchep" kommt von dem Wort der Aboriginals
"Yanget" und das heißt Binsen (engl. Bulrush), die an
den Ufern der Seen überall wachsen.
Der LochMcNess gehört zu einer ganzen Reihe von Seen, die in der
Swan Coastal Plain liegen, und die eine Art Oberflächenfenster
eines riesigen unterirdischen Höhlensystem darstellen. Östlich
des Yanchepgebiets liegt eine sehr große Sandfläche zu Füßen
der Darling Fault Scarp. Das Wasser sammelt sich dort
unterirdisch und fließt schließlich zu Quellen im Ozean, ein
Wasser, das für die künftig Wasserversorgung von Perth in
Zukunft verstärkt genutzt werden soll. Das Landschaftsbild
darüber ist vom Untergrund geprägt, der aus "Aeolian
Limestone" besteht, der nicht oft auf der Erde vorkommen
soll. Die Turks und Caicos Islands in der Karibik preisen z.B. im
Internet ihre Höhlen an, die auch in einem solchen Gestein
liegen sollen. Es soll sich im Grunde um eine riesige Sanddüne
handeln, das Grundmaterial, der Sand, gebildet aus den
Überresten einer marinen Umgebung, wurde hier hingeblasen und
verfestigte sich allmählich. "Rain caused the lime to seep
to the bottom of the dunes, where it stuck together and formed
limestone."
Allerdings traut man dem Gestein keine große
Festigkeit zu. Bei den geringen Bindekräften lösen sich schnell
Hohlräume heraus, aber die verschwinden dann auch gleich wieder.
Mal heißt es, daß es in diesem Gebiet 1000 Höhlen und
Karsterscheinungen geben würde, woanders ist von 400 die Rede.
Das ist immerhin eine erkleckliche Zahl, aber richtig große
Höhlen gibt es nur wenige. Da der Wasserspiegel nur etwa 10 m
über dem Kalkgestein liegt, kommt es öfters zu Ein- und
Durchbrüchen und das Zeichen "cave risk area", das
hier an jeder kleinsten unterirdischen Öffnung angebracht ist,
an der auch nur zufällig jemand vorbeikommen kann, ist wohl zu
erklären. Als jemand, der dort nicht zu Hause ist, und halt
nicht die örtlichen Verhältnisse wirklich kennt, kam mir das
schon ziemlich übertrieben vor. Ein kleiner Test war für mich,
mal zu schauen, ob auf dem Boden der Höhlchen, die ich da auch
betrat, Steinblöcke zu hauf liegen würden. Das war aber nicht
der Fall. Ich nehme nicht an, die täglich von einem Räumdienst
herausgeschafft werden, weshalb ich denke, daß da eigentlich
schon lange kein Brocken wirklich mehr herunter gekommen ist. Und
diese Verunsicherung zeigte ich noch einmal, als ich, zusammen
mit einem Führer und einer Frau mit ihrem Kind, die Crystal
Cave, die einzige Schauhöhle im Nationalpark, besucht. Außer
uns waren da noch 2 Männer unterwegs. Angesprochen darauf, was
die denn da tun würden, war die Antwort des Führers, die
würden die Kontrollstreifen in der Höhle überprüfen. Sie sind
überall in der Höhle an den Wänden angebracht und sollen
augenfällig zeigen, ob sich ansonsten mit freiem Auge kaum
feststellbare Felsbewegungen vollzogen haben. Das Ergebnis war
beruhigend. Alle Streifen waren noch heil. Diese Angst vor dem
Herunterkommen der Decke hatte an mehreren Stellen in der Höhle
ihren Ausdruck gefunden. Gleich nach der eisernen Eingangstreppe
in der Doline war das ein gemauerter Pfeiler, der wohl eine
stützende Wirkung haben sollte. Später war da eine Ausmauerung
eines kurzen Höhlenstücks, dann wieder am Rande einer Halle
eine Art Blechtunnel, durch den man gehen mußte, um zur anderen
Seite des Raums zu kommen. Erschlossen war die Höhle ja
geworden, als man in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit Projekte
durchzog, die einigermaßen sinnvolle
Beschäftigungsmöglichkeiten hergaben. Da kam es dann auf einen
Pfeiler hier oder ein Gewölbe dort wirklich nicht an. Als
großes Problem stellt sich dar, daß der Wasserspiegel im ganzen
Gebiet sinkt, in der Höhle und im ganzen Gebiet. Die
Niederschläge gehen zurück, wohl auch schon Folge der sich
immer mehr abzeichnenden Klimakatastrophe, und die
Nutzungswünsche für das Karstwasser nehmen auch zu - eine
Schere tut sich da auf, die nicht mehr zugeht. An einer Stelle
bekamen wir eine kleine Bodenform gezeigt. Dort war früher mal
eine "wishing well" genannte Wasseransammlung, typisch
für viele Höhlen im englischen Sprachraum, heute ist da nicht
mehr viel zu sehen. An einer anderen Stelle zeigen
Deckensinterformen, die an einer ganz bestimmten Stelle unten
aufhören, weil da mal das Wasser angefangen hat, daß es auch da
mal ganz anders ausgesehen hat, daß wir eine "neue
Zeit" haben", die gewiß nicht besser geworden ist.
Bekannt waren die Höhlen den dort lebenden Aborigines schon
immer, aber "wir" haben ja im Westen alle eine eigene
Geschichtsschreibung. Was den Menschen, die schon lange vor der
ersten Begegnung mit den meist aus Europa kommenden
"Eroberern", "Forschern",
"Abenteurern" bekannt gewesen ist, wurde dann einfach
"wieder"entdeckt". Hier soll es 1838 ein George
Grey gewesen sein, der von den Aborigines zu einem angeblichen
Begräbnisplatz geführt wurde. Durch eine Erosionsröhre
"fluvialen Ursprungs" soll er hineingeraten sein, wobei
der Abstieg "wobei der Einstieg in befahrungstechnischer
Hinsicht etliche Waghalsigkeiten vorausgesetzt haben muß".
Als er dann unten ankam, dann kann da kein Knochenhaufen gewesen
sein, denn der war in der nahe gelegenen Yonderup Cave, die man
heute, 2008, leider nicht einfach besuchen konnte. Die
Einheimischen hielten sich lieber entfernt von der Höhle, denn
es hieß, daß sich in der Höhle üble, die Höhle bewohnende
Geister, aufhalten würden, die Jinkas. Wir im Westen glauben ja
an so etwas nicht, und erleben tun wir das ja auch nicht, keiner
rumpelt wirklich an so ein einfach nicht mit seinen üblichen
fünf Sinnen erfahrbares "Gebilde". Ein gewisser John
Roe führte Jahre später mal eine "Expedition" in die
Höhle und tat da etwas, was man einfach nur in der englischen
Sprache so gut ausdrücken kann. "Roe souvenired some
stalactites". "Souvenieren" - so ein Wort fehlt
noch in der deutschen Sprache. Als er dieses
Kalksteinbruchstücke draußen vorzeigte, da scheinen die
Aborigines ganz glücklich gewesen zu sein, "their
Aboriginal companions believed to be a tooth pulled from the jaws
of the ...aded Jinka". Hier hatte offenbar jemand dem
Ungeheuer einige Zähne gezogen - womit es wenigstens ein
bißchen weniger bissiger geworden war. Kleine Kalksteinstücke
hielt mal für Bröckchen vom Bart dieses
"Jinka-Ungeheuers".
Als normaler Besucher bekommt man vom gesamten Umfang des
Nationalparks nicht viel mit. Aber was ist schon
"normal". Wer sich ein bißchen "Zeit" nimmt,
der kann schon noch mehr erfahren - und wer sich auch noch
"Raum" nimmt, der geht halt auch noch über ein paar
menschengesetzte Grenzen hinaus. Ich habe das gemacht, weil ich
dem "Caves Walk Trail" gefolgt bin, gefolgt von
niemandem. Daß ich in die Crystal Cave überhaupt gekommen bin,
das war der Zufall, daß sich zufällig auch noch diese Mutti mit
ihrem Sohn in der Gegend befunden hatte, und die ihm halt was
"bieten" wollte. "Crystal Cave" - das ist ein
Angebot. Kristalle! Ab und zu bekamen wir welche zu sehen, zu
sehen! Kleine. Aber berühren darf man sie nicht! Das gehört zum
Verhaltenskodex. Nur an einer Stelle - da wurde die Regel
durchbrochen - da lag, ähnlich wie in all den anderen
australischen Schauhöhlen, die ich auch noch besuchen konnte,
mindestens ein, meistens aber mehrere, Tropfsteine, die durfte
man "berühren". Wir haben sie berührt. Aber nach dem
Besuch der Höhle fuhr die Mutter, mit ihrem Sohn im Auto,
zurück Richtung Ausgang. Ich blieb noch - und folgte dem
überhaupt nicht mehr urtümlichen, weil einfach nur
freigetretenen, Weg. Geschottert und in normierter Breit zieht er
durch die Landschaft. Für mich als Mitteleuropäer wars da
richtig exotisch. Pflanzen in einer vom Baumbewuchs
freigeräumten Stelle, heute hab ich gelesen, daß dort ein
großes Feuer alles niedergelegt hat, vor ... Jahren, von einer
Fremdheit und Schönheit, ich schaute und schaute, und hatte den
Lärm der nahen Bundesstraße dauernd im Ohr. Waren unter mir
Hohlräume? Keine Ahnung. Ich folgte dem "easy way".
Schilder mit Ortsangaben, die mir gar nichts sagten, weil ich
vorher nirgends wirklich geschriebenen Informationen in
"harten" Brochüren irgendwo kriegen konnte, obwohl ich
wirklich der englischen Sprache langsam mächtig bin, taten sich
vor mir auf. Ich folgte meinem Gefühl und landete am Ende
tatsächlich, mitten im national park wieder auf einer
vergleichsweise riesigen Teerfläche. Wieso vertreibt man in
einem Nationalpark auf soviele Quadratmeter die
"Natur"? (So ein Gedanke kommt in diesem Moment nur
einem "Deutschen" - dort wo das Land "knapp"
ist und er endlos viel von seiner Lebenszeit "hinlegen"
muß, um auch nur einen m² mal sein Eigen zu nennen). Dort gibt
es "unendlich" viel Fläche - da ist das alles ganz
anders zu sehen. Mit ein bißchen "Riecher" war die
Richtung schnell ausgemacht, wo die Quelle für diese menschliche
Aktivität inmitten der allwirkenden Natur lag. "Cabaret
Cave" heißt der Ort heute, aber er hatte schon mehr Namen.
"Silver Stocking (Strumpf) Cave" hieß sie auch schon
mal. "Ballroom Cave" war auch schon mal ein Name. Wie
die Börsenkurse rauf und runter gehen, geht auch das Interesse
an den Höhlen und die ihnen verliehenen Namen.
Wer dorthin geht, der wird "eng geführt". Ein Zaun
will verhindern, daß die Menschen rechts und links vom Weg
abweichen. "Risk Area" ist das. Man könnte plötzlich
durchbrechen nach unten. Unvorhergesehen und unangekündigt.
Schrecklich. In unserer doch so "gescheiten" Zeit, die
sich schließlich die "Wissenschaft" als Motor hält,
um, was?, die "Religion" zu ersetzen? Auf dem
"self-guided Boomerang Gorge (Dwerta Mia) Trail", den
es seit 2006 gibt, sind alle Sehenswürdigkeiten heute mit
Informationstafeln und alle Höhlen mit Warntafeln versehen, daß
man sie nämlich nicht betreten dürfe. Warum? Wegen der
"Gefährlichkeit". Ähnliche Tafeln gibt es in
Westaustralien z.B. auch an Stränden, wo es dann "strand
risk area" heißt und einem alles aufgezählt wird, was dort
passiernen könnte. Da sollte man doch gleich auch an allen
Straßen Warnungen aufstellen: "street risk area", weil
ja auch doch täglich viele Menschen auf vollkommen unverschuldet
ums Leben kommen oder "town rish area", weil ja in
unseren Städten auch dauernd was passiert. Vielleicht auch ein
"open sky risk area", denn es ist auch schon vom Himmel
mal was gefallen. Es ist schon etwas bizarr, aber das ist gerade
in Westaustralien wahr. Da kam man ein Stück Skylab aus dem
Weltall zurück und schlug gleich hinter einer Tankstelle in der
ansonsten ziemlich menschenleeren Nullaborebene bei Ballarat ein
in den Boden. Bei einer solchen Weltsicht, die überall nur
Gefahren sieht, sollte man doch gleich in einen Bunker ziehen und
am Ende bildet sich dann dort vielleicht ein CO²-See, der einem
dann dort den Gar ausmacht.
Nicht zu übersehen ist in der ansonsten ja recht
sehenswerten Schlucht ist der Eingang in das "House of the
wild dogs", auf aboringinisch "Dwerta Mia". Die
Nyoongar glaubten, daß in der Höhle Geister leben würden und
Dingos, also wilde Hunde. Dem kritischen Blick eines Zeitgenossen
hält so eine Weltsicht nicht stand. Staubig ist es drinnen,
gleich hinter dem Eingang gibt es einen
"hands-and-knees-crawl" und dann steht man in einer
kleinen Halle, die keinerlei Fortsetzungen mehr und keine
Besonderheiten hat. Spinnen leben drinnen und haben ihre großen
Netze quer durch den Raum gespannt, um damit ihre Nahrung aus der
Luft zu fangen. 1841 wurde sie von dem Landvermesser John
Septimus Roe in Begleitung des einheimischen Führers Warrup
begangen.
An einem weiteren Felsdach prangt ebenfalls ein "cave risk
area" Warnschild, weshalb es darauf aufmerksam macht, daß
da doch was zum Anschauen ist. Der Besuch lohnt nicht
speläologisch eigentlich nicht, aber unter einem Blickwinkel
dann doch. Ein schmaler Pfad führt schon zum Eingang und auf dem
lag, aus Aststücken geformt, ein hölzernes Dreieck. Seltsam. In
der Höhle schließlich waren an einer Wandseite kleine
mandelförmige Felsformen mit Strichen am Rand und nach außen
führend versehen worden. Haben diese Zeichnungen eine Bedeutung?
Sind das Sexualsymbole?
Es zeigte sich auch hier, daß selbst kleinste Höhlen
erstaunliche Überraschungen bieten können und es ist durch
nichts zu ersetzen, daß man selber die Dinge und die Welt
anschaut.
Crystal Cave
Cabaret Cave
Literatur:
Bednarik, Robert G. | Die Höhlen von Yanchep, West Austalien, S. 54 |
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