Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Abstecher nach Luxemburg



houlay


Gibt es in Luxemburg wirklich Höhlen? Oder haben wir nicht alle im Ohr "Luxenburg"? Wer kennt denn schon von uns wirklich dieses flächenmäßig kleine Land im geographischen Herzen Europas?

Ich hatte seit vielen Jahren einen kleinen Artikel in einer Ausgabe der Zeitschrift "MERIAN" im Kopf, wo von einer Peter-Onruh-Grotte die Rede war, in einer Höhle, wo ein äußerst seltsamer Brauch praktiziert worden sei. Allein deshalb wäre ich schon in das kleine Großherzogtum nahe des Herzens Europas gereist. Dann erfuhr ich aber auch noch von Michael Laumanns, derzeit Vorsitzendes des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, daß er dort eine kilometerlange Muschelkalkhöhle kennen würde und die Leute dazu, die einem helfen könnten, dort auch hineinzukommen. Und Willi Adelung hatte in intensivem Kartenstudium verschiedene Höhlenzeichen auf Luxemburgkarten ausgemacht, eine "Houllai", eine "Keltengrotte" oder so ähnlich, schließlich haben die ja in Luxemburg auch noch ihre eigene Sprache, Lezeburgisch, wo man das da ein bißchen anders schreibt und spricht.

Kurz und gut, vom 18. bis zum 20. Februar 2000 waren zum dritten Male, ein paar Mitglieder des Arbeitskreises "Höhle-Religion-Psyche" (Adelung, Kick, Schedel, Lindenmayr) Richtung Saarland und Umgebung unterwegs, um zu erkunden, was es in dieser Region gibt, was unser Herz ein bißchen höher schlagen läßt.

Treffpunkt sollte um 10 Uhr am Flughafen von Luxemburg mit Jean-Claude Thies sein. Wir fanden den Flughafen,

trafen Jean-Claude, arrangierten den Tag, fuhren los und erreichten bald darauf unser erstes "Traumziel", den "Peter Onruh". Wie lange hatte ich nicht schon versucht, herauszufinden, wo dieser alte Höhlenkultplatz lag! Nur in einem ganz alten MERIAN-Heft war da mal eine kurze Marginalie darüber erschienen. Jede Menge Bücher über Luxemburg ignorieren diese Örtlichkeit vollkommen. Als ich Jean-Claude danach fragte, mußte auch er zugeben, daß er noch nie dort gewesen sei. War das wirklich ein Höhlenkultort? Wir fuhren los, mitten durchs Stadtzentrum im Tunnel, vorbei an der "Roten Brücke", dann nach links in eine Seitenstraße (rue de Mühlenbach), einen Parkplatz gesucht, hinaufgeschaut, und da war er tatsächlich.

Bevor wir loszogen überreichte Jean-Claude jedem von uns eine vorbereitete Mappe mit touristischen Informationen über Luxemburg, Kopien von Artikeln über "Peter Onruh", zwei Ausgaben der Zeitschrift des Luxemburger Höhlenverein und seinen Aufklebern - eine schöne Geste, die ich auch von anderen Luxemburgern/-innen kenne.

Eine fest vergitterte Felsnische zu Füßen einer Christusstatue. Wir gingen die Stufen hinauf und konnten einen ersten Blick in die Felsnische werfen. Sie war tatsächlich da, die liegende Christusstatue. Ein bißchen angekokelt ist sie am Knie und an den Füßen. Davor fanden wir mehrere Kerzenstummel mit kleinen Nadeln drinnen. Und eine gebrauchte Unterhose. Was das alles soll? Voodoo in Luxemburg! Nach einem alten Aberglauben kann man jemand peinigen, vielleicht sogar töten, in dem man ein Wachsbild von ihm verfertigt, das man dann mit Nadeln spickt. Die gemeinte Person soll dann so ein seltsames Gefühl bekommen, als sei sie mit einem Messer geschnitten oder mit einer heißen Nadel gepiekt worden. Ganz Rabiate stechen dann vielleicht ein Messer in der Figur dorthin, wo das Herz sitzt, was bei dem betreffenden Menschen zum Herzstillstand führen soll. Es gibt sogar ein französisches Wort dafür: envoûtement. Haupteinsatzgebiet dieses Zaubers soll die Bestrafung untreuer Freunde und Ehegatten durch deren weiblichen Gegenpart gewesen sein, und wie wir selber jetzt gesehen haben, wird noch heute so ein Ritual praktiziert.
Handelt es sich um einen alten Brauch? Früher Quellen berichten nichts davon. Nach einer These des Heimatforschers M. Tresch geht das Ganze vielleicht auf einen Peter Marlé zurück, der 1811 im Grundkataster Luxemburgs aufgeführt ist.

Nach einem Stadtrundgang

Am Fuß der Kasematten    

und einem schmackhaften Mittagessen ("die Luxemburger essen gerne viel und gut")

 

eilten wir 4 weiter nach Moestroff, wo wir ein Date mit Claude Boes, dem derzeitigen Vorsitzenden der Groupe Spéléologique Luxembourgeois, hatten. Er hatte sich bereit erklärt, mit uns in Luxemburgs längste Höhle einmal zu gehen, die Moestroffhöhle. Mehr als 3500 m Ganglänge sollte sie haben. Das war schon den Abstecher wert.

Das Tal der Sauer oberhalb von Moestroff

Vom Parkplatz neben der hochwasserführenden Sauer führte eine geteerte Fahrstraße den Hang hinan. Bei einem Gatter hielten wir, zogen uns gleich um und marschierten dann in 10 Minuten, zuerst über eine Wiese, dann durch lichten Wald, beschienen von der warmen Sonne, horizontal bis zum Wegende dahin. Schließlich waren links von uns an der Hangkante senkrechte Felsen zu sehen und genau dorthin führte uns der Weg. Die letzten Meter bis zum Höhleneingang sind auf einer fix installierten Leiter leicht zu bewältigen (sofern der Verschluß, so wie bei uns, entfernt ist). Oben gibt es sogar ein kurzes Quergangsdrahtseil, dann standen wir endgültig in dem fast mannshohen Tunnel. Horizontal ging es hinein, durch ein Sperrtor durch und hatten so den ersten und größten Raum der ganzen Höhle schon erreicht. Dort sah es aus fast wie in einer Werkstatt: Kabel, Drähte, Kästchen, die einmal Meßgeräte geborgen hatten - die Überreste einer außergewöhnlichen wissenschaftlichen Unternehmung. Über 4 Jahre hinweg hatte man in dieser Höhle ständig die wichtigsten Klimadaten aufgenommen, um endlich auch einmal quantitative Ergebnisse über die Verhältnisse in der Höhle zu haben, Temperaturen, Feuchtigkeitswerte, Luftbewegungen, Radongehalt usw.. Über die Resultate gibt es eine Arbeit, die im Literaturverzeichnis aufgeführt ist.

Auszug aus dem Höhlenplan

Nachdem wir uns ins Höhlenbuch eingetragen hatten, begann erst richtig unsere Reise ins Innere dieser Muschelkalkhöhle. Ganz schmal und niedrig wurde es jetzt. Schon nach 10 Metern ließ ich den Schleifsack mit den Fotoutensilien in einer Nische zurück, denn außer einer engen Röhre war da ohnehin nichts zu sehen. Die erste Verzweigung, nach links und rechts, ein Meter weiter geradeaus, wieder eine Verzweigung nach links und rechts, ein paar Meter weiter wieder eine Verzweigung ..... Einmal krochen wir nach links, um einige kleine Versteinerungen in den Kriechgängen aufzusuchen, später ging es dann, immer noch ein bißchen niedriger werdend, auch einmal nach rechts, um dort 10 cm lange Tropfsteinansätze in einer unschliefbaren Kammer visuell in uns aufzunehmen. Rückkriechen bis zum Ausgang. Das Ganze dauerte gar nicht lange, war trotzdem erschöpfend, und wie uns glaubhaft versichert wurde, ist auch der ganze Rest (mindestens 3,4 km) auch nicht viel anders. Es gehört schon viel Begeisterung dazu, so eine Höhle über Jahre hinweg in mehreren Expedition gründlichst zu erforschen und zu vermessen.

Am aufregendsten fand ich den Geruch in der Höhle. Er stammte von Dachsen, die kurz vor uns in den Gängen gewesen sein müssen. An mehreren Stellen war noch deren frischer Kot am Boden, und wir mußten richtig aufpassen, um ihn uns nicht überall hinzuschmieren und hinterher entsprechend zu duften.

Auf dem Weg zur Höhle  
Eingangsumgebung
Der Höhleneingang - gerade mannshoch  
Der geräumigste Teil der Höhle: ein kleiner Raum gleich
hinter dem Eingang
Ein paar Pilze gleich beim Eingang

Claude Boes und Jean-Claude Thies sei hier noch einmal gedankt, daß sie sich die Zeit genommen haben, uns herumzuführen.

Auf dem Rückweg nach Bayern am Sonntag sind wir über das Elsaß gefahren. Dort gibt es zwar nicht viele Höhlen, aber immerhin ein "ganz kleines bißchen" etwas doch. In Graufthal besuchten wir die Höhlenwohnungen und oberhalb von Salernes noch einmal die Saint-Vits-Grotte.


22. Februar 2003

Drei Jahre später sind wir zurückgekehrt. Willi, Otto, Alfred und ich. Für einen Tag von unserem Stützpunkt in Homburg im Saarland. Erstes Ziel war mittags ein Restaurant in Echternach. Portugiesisch-Luxemburgisch war das Angebot. Was es da gab, das ist unter KARST UND KÜCHE zu sehen. Danach ging es gleich hinter Echternach, abzweigend vom Tal der Saur, iins Tal des Aesbaachs. Das war nun für uns eine echte Überraschung, denn da kam nun eine richtige Felslandschaft mit lauter lotrechten Sandsteinfelsen. Wo gerade besonders viele Autos parkten, da hielten wir auch und erkundeten, eigentlich unabsichtlich, den Perekop. Ein schmaler Felsspalt führte da mindestens 20 m in die Höhe, es wurde richtig dunkel drinnen, von oben hingen Eisstalaktiten herunter, viele Stufen und Eisentreppen ermöglichten überhaupt erst den Durchstieg. Oben tat sich dann ein Plateau auf, von dem aus in allen Richtungen weitergewandert werden konnte.

Am Perekop
Felsspalt am Perekop
Von oben nach unten

Oberer Eingang

Wintervereisung
Höhlenformen im Sandstein: Spalten oder Felsnischen
Sandsteinfelsen im Halsbechtal
Kleine Sandsteinhöhlen


Wer genau hinschaute, der konnte überall in diesem Tal kleine Felsdächer und weitere Spalten entdecken. Wer auf so etwas steht, der kann sicherlich jahrelang daran arbeiten, Objekte für den Höhlenkataster hier zu sammeln. Der "Sentier Ardennes-Eifel" würde einen fußmäßig auf romantischen Pfaden durch die Schlucht weiter nach oben führen, wir, als "geplagte" Hetzmenschen des 21ten Jahrhunderts waren an unser VW-Gefährt gebunden und fuhren erst hinauf nach Berdorf und dann hinunter wieder bis zu einem Waldparkplatz. Von dort waren es dann nur noch Minuten, um zur Houllay und zum Amphitheater zu kommen. 

Nachher fuhren wir ins Mullerthal und versuchten dort den zahlreichen Höhlen, die es gibt, auf die Schliche zu kommen. Der Luxemburger Höhlenverband hat ja inzwischen auf seiner Homepage ein paar veröffentlicht, aber "fiction with fact" in Übereinstimmung zu bringen, das war eine Aufgabe, die uns sehr in Anspruch genommen hat. Denn plötzlich waren wir in Löchern, die nicht auf der Karte eingetragen waren, und andere, die wir ursprünglich gesucht hatten, die waren nicht im Landschaftsbild wiederzuerkennen. Als die Sonne jedenfalls am Horizont nieder ging, da verließen auch wir dieses zu dieser Jahreszeit offenbar kaum besuchte Gelände. Wir waren nur zwei Männern begegnet, die unseren Verdacht, daß auch das "Höhlenforscher" sein könnten, aufs höchste genährt hatten, aber ob sie es wirklich gewesen sind? Who knows? 

Die Keltenhiel
 
   

 

 

Literatur:

Massen, Francis, Editeur The Moestroff Cave, Luxembourg 1997
Weicherding-Goergen, Blanche Le mystère de saint Crépin et de Péiter Onrou à la côte d'Eich, unbekannte Quelle
Groupe Spéléologique Luxembourgeois Höhlen - Luxemburgs geheimnisvolle Unterwelt, editions Schortgen, 2009

Links:

 


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