Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Jaskinia Smocza , Krakau, Polen
Ein Speiserestaurant in Krakau heißt "Pod Smocza Jama". Hier liegt einer der seltenen Fälle vor, wo sich eine Gaststätte nach einer Höhle benennt. Bei uns kommt das vielleicht vor, wenn man wieder einmal in seiner "Grotta Azzurra" seinen Hunger stillt.
Die Smocza Jama sei die meist besuchte Höhle Polens, heißt es. 250.000 Besucher pro Jahr durchqueren, die meisten kommen sicherlich nicht wegen der Höhle, sondern wegen etwas ganz anderem. Sie liegt nämlich mitten im Stadtgebiet von Krakau in der Basis des Stadtschlosses, des Wawels, des ehemaligen Königsschlosses. Und dieses wird von vielen vielen Besuchern aufgesucht, wobei sie am Ende eben durch die Höhle wieder ins Freie treten, direkt am Ufer der Weichsel, die zu Füßen des Burgbergs vorbeifließt.
Übersetzt wird "Smocza Jama" in diesem
Falle mit "Drachenhöhle". Damit wird Bezug genommen
auf eine alte Sage. Es soll einmal ein Drache darin gehaust
haben, dessen Hauptnahrungsquelle menschliches Fleisch gewesen
sei, insbesondere das von jungen Jungfrauen. Die Menschen in der
Stadt seinen allmählich ratlos geworden, wie sie dem Untier Herr
werden konnten. Einem Schuster kam eine verwegene Idee. Er
füllte ein totes Schaf mit Schwefel und legte es vor den Eingang
der Höhle. Am nächsten Morgen sei der Drache hungrig vor der
Höhle aufgetaucht und verschlag das Tier mit einem Schlag. Kurze
Zeit später sei er von dem Schwefel immer durstiger geworden,
was ihn dazu bewog, sich schnell zum Fluß zu bewegen und seinen
Durst mit dem Flußwasser zu löschen. Der Schwefel dehnte sich
immer mehr aus und schließlich platzte das Tier. Danach lebten
sie Leute glücklich und zufrieden in dieser Gegend.
Aus dem 13. Jahrhundert gibt es einen weiteren Bericht über
einen Drachen. Er wurde von Wincenty Kadubek geschrieben und
berichtet davon, wie der Prinz Gracchus (Krak) seinen Söhnen
befohlen habe, das Tier zu schlachten.
Die Realität ist viel nüchterner. Mayer und Cermak berichten
von einer Tour durch die Höhle: "Man steigt in einem
kleinen Türmchen, das zur westseitigen Burgbefestigung gehört,
einen steile Wendeltreppe abwärts und erreicht etwa im
Straßenniveau die Naturhöhle. In alten Zeiten stellte diese
Anlage einen Ausfallsweg zum heimlichen Angriff auf Belagerer
dar. Die Höhle besteht im Wesentlichen aus einem ausgedehnten
Schichtfugenraum, der durch einige Felskulissen und künstliche
Einbauten (Mauerwerk und Stiegenaufgänge) untergliedert
ist..." An der Existenz der Höhle sind vielleicht die
oftmaligen Überflutungen durch die nahe Weichsel schuld. Die
Gesamtlänge der geführten Teile der Höhle beträgt rund 100 m.
Als ich im August 2009 in Krakau war, auch um die
Höhle zu sehen, lief einiges anders als gewünscht. Zuerst
wußte ich nur, daß sie im Stadtschloß sei, aber wo der Wawel
war, keine Ahnung. Irgendwo beim Stadtzentrum. So irrte ich erst
einmal auf der Suche nach diesem durch die Stadt, fand dann
tatsächlich einen Parkplatz in der Nähe desselben, die Parkuhr
funktionierte nur beschränkt, jedenfalls war es nicht möglich,
ein Ticket zu bekommen, das länger als 1 Stunde gültig war,
dann ging es los in die Stadt. Wir strebten dem Hauptplatz zu,
schauten im Vorbeilaufen auch noch den Veit-Stoß-Altar an, ich
fand einen Stadtplan und schnell war alles klar. Wir waren nur
noch 1 km entfernt vom Wawel. Zu Fuß ging es hin und da standen
wir vor dem schloßgeschmückten Felsklotz. Bloß wo war der
Höhlenausgang? Für die normale Schloßführung war überhaupt
keine Zeit - von der Stunde waren längst schon 50 Minuten
vergangen. Wir trennten uns, Willi und Doris eilten zum Parkplatz
und konnten mit allerlei Tricks und Hilfen die Parkzeit noch ein
wenig verlängern, eh der Parkwächter sich immer mehr näherte
und er Strafzettel fast schon in Griffweite war.
Währenddessen versuchte ich alleine zumindest die Drachenstatue
mit den Feuerstößen zu finden. Ein Anlauf auf den Burgberg
wurde von finster dreinblickenden Hilfssheriffs, ausgerüstet mit
Schlagstöcken und finsteren Blicken, abgewiesen. Eine
Riesenbaustelle blockierte vielel Blicke in die Umgebung. Ich
konnte nicht weit weg sein, überall standen Andenkenstände mit
lauter Plüschdrachen, was kein Zufall sein konnte. Schließlich
fand ich den Weg an die Weichsel, rannte dem Uferweg entlang und
kam schließlich dahin, wo ich gewollt hatte. Da war der
Gußdrache, da waren die Menschenpulks, und da war der
Höhleneingang. Freundliche junge Damen waren 10 m vorher schon
postiert, um alle abzuweisen, die von dieser Seite in die Höhle
hineinwollten. Schimpfende, weinende Kinder mit ihren Eltern
standen herum, die einfach nicht einsehen wollten, daß man da
nicht in den Höhleneingang hineingehen konnte. Sie bekamen
gesagt, daß man erst einmal durchs Schloß gehen mußte, damit
man da wieder herauskam. So ist sie nun mal unsere
überbürokratisierte, bald totregulierte Welt, in der das Wort
"Freiheit" so gerne von Politikern besonders vor
Wahlkämpfen in den Mund genommen wird, aber wenn man sich
anschaut, was wirklich los ist, dann scheiterst halt auch hier an
den superklugen Organisationsvorschriften, die angeblich alles
"optimieren".
Der "Drache" ist ein Publikumsmagnet und dauernd
besetzt von Kindern und Familien, die sich vor dieser Kulisse
unbedingt photographieren lassen wollen. Und der Höhepunkt ist,
wenn auf einmal aus dem Drachenmaul ein Feuerschwall
herausschießt, für Sekunden.
Als normaler Tourist wird man sind wohl oft wundern, was das ganze Getue mit den Drachen soll. Man muß nur auf die Webseite der Stadt Krakau schauen. Da kommt als erste erwähnenswerte Sehenswürdigkeit zwar der Wawel vor, aber über die Jaskinie Smocza findet sich darin kein Wort!
Auf dem Hauptplatz von Krakau
Literatur:
Mayer, Anton, Cermak, Ernst | Krakauer Jura, Höhlenkundliche Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Wien und Niederösterreich, 1995, Heft 1, S. 7f. |
Links:
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |