Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Erdställe um Raabs an der Thaya, Niederösterreich


"Enigmatisch anmutend" fand ein Autor die Erdställe, als er sie geologisch einmal untersucht hat. Tja, ein Rätsel sind sie noch immer. Und gängige Erklärungsansätze wie "Fluchtraum" oder "Lagerkeller" kommen einem völlig daneben vor, wenn man einmal ein paar vom "Umgangstyp" mitbekommen hat. Dazu gibt es genug Gelegenheit, wenn man in die Gegend von Raabs an der Thaya im Waldviertel kommt.

Ohne genaue Lagekenntnisse wird man überhaupt keinen dort finden. Alle, die wir im September 2010 anläßlich einer Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung dort besuchen konnten, liegen in irgendwelchen Gebäuden, meistens noch bewohnt. Nirgends gibt es einen äußerlich sichtbaren Hinweis darauf, in welchem Haus sich nun ein Erdstall befindet oder auch nicht.

Oft geht es in die Kellerräume hinunter. Von dort aus führen dann kleine Gänge weiter in die Tiefe, bequemerweise meist so hoch, daß man aufrecht oder gebückt sie begehen kann. Einige Gänge sind sauber am Boden, so daß man sie mit normaler Schuhen begehen kann, aber häufig ist Schlamm am Boden oder Wasserpfützen. Das ist auch kein Wunder, weil einige immer wieder tief unter Wasser stehen und vor der Begehung erst ausgepumpt werden müssen.

2024, anläßlich des Internationalen Erdstallsymposiums in Raabs an der Thaya, gab es wieder einmal eine Gelegenheit, einige Erdställe zu besuchen. Es ist schon bemerkenswert, wie sehr sich der Eindruck aus der Vergangenheit von dem Erlebnis unterscheidet, das ich hatte, als ich wieder einmal dorthin kam. Die ganzen sehr niedrigen Strecken hatte ich vollkommen vergessen, den Rest hatte ich als meist aufrecht begehbar in Erinnerung, was aber überhaupt nicht stimmte. Dicke feuchte Lehmbatzen, die an den Stiefeln klebten, an so etwas dachte ich überhaupt nicht mehr, prägten aber dann doch immer wieder unser Erscheinungsbild, als wir wieder an die Erdoberfläche zurückkehrten. Genügend Strecken links und rcchts von den Hauptwegen wurden nur noch von den jungen, noch "scharfen" Erdstallerern angeschaut, die älteren Semester begnügten sich mit einem Blick in die engen Passagen, begleitet von einem leichten Schauer, wie man es sich denn so etwas antun kann und sich tatsächlich dahinein zu zwingen. Aber welche Mühe haben sich erst die angetan, die so etwas einmal gebaut haben? Und wozu bloß das alles an der Welt? 

 
 
 
 

2024

 

Literatur:

Bednarik, Edith Merkmale niederösterreichischer Erdställe, Der Erdstall 31, Roding 2005, S. 79ff.
Bednarik, Edith Erdstallforschung in Niederösterreich, Der Erdstall 29, Roding 2003, S. 33ff.
Bednarik, Edith Alberndorf - Erdstall Hutterer, Der Erdstall 38, 2012, S. 74-80
Bednarik, Edith Aigen - Erdstall Kainz, Der Erdstall 29, 2003, S. 37f.
Bednarik, Edith Nonndorf 1 - Erdstall Hauer 1, Der Erdstall 31, 2005, S. 80
Delavigne, Raymond Die ringförmigen Souterrains und die Hundstage (Canicule), Der Erdstall 25, Roding 1999, S. 59ff.
Kießling, F. Das Rätsel der Erdställe, 1925, S. 37

Links:

2010er Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung in Raabs an der Thaya

2024 Internationales Erdstall-Symposium in Raabs an der Thaya

Erdställe / Künstliche Höhlen


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